Interview | Louis Ursprung vor seiner letzten Schlüsselübergabe an den Türkenbund

«Taucht man nicht in der Fasnachtszeitung auf, macht man etwas falsch»

Louis Ursprung (Mitte) bei einer Schlüsselübergabe an den damaligen Grossvezir des Türkenbunds Ben Tradi Medizinali, alias Thomas Stefan Bregy.
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Louis Ursprung (Mitte) bei einer Schlüsselübergabe an den damaligen Grossvezir des Türkenbunds Ben Tradi Medizinali, alias Thomas Stefan Bregy.
Foto: zvg

Quelle: RZ 0

Heute Abend beginnt in Brig der dreitägige «Gätsch». Traditionell wird dem Grossvezier des Türkenbunds dabei der Schlüssel zur Stadt überreicht. Für Stadtpräsident Louis Ursprung wird es die letzte Schlüsselübergabe sein, denn Ende Jahr tritt er als Stadtpräsident ab. Ein Interview über sein Verhältnis zur Fasnacht, zu Fasnachtszeitungen und warum er erst spät mit dem Fasnachtsvirus infiziert wurde.

Louis Ursprung, heute Abend überreichen Sie zum letzten Mal den Schlüssel zur Stadt an den Türkenbund. Wie schauen Sie diesem Moment entgegen?

Der Schlüssel ist das Symbol der Macht. Diese Macht bringt aber auch immer eine gewisse Verantwortung mit sich. Daher ist die Schlüsselübergabe auch immer eine Art Befreiung von dieser Verantwortung. Ich habe diesen Moment daher immer auch als erleichternd erlebt (lacht). Nun, da es mein letztes Mal sein wird, wird sicher auch ein bisschen Wehmut mit dabei sein.

Warum?

Ich bin ein sehr humorvoller Mensch und die Fasnacht ist ja eine humorvolle Zeit. Wir passen also gut zusammen. Daher war es für mich immer ein sehr schöner Moment, die fünfte Jahreszeit in Glis und in Brig mit der Schlüsselübergabe einzuläuten. Das werde ich nun nicht mehr tun können, deshalb die Wehmut. Aber ein humorvoller Mensch, der sich an der Fasnacht erfreut, bleibe ich auch weiterhin (lacht).

Sie sind selber Mitglied des Türkenbunds, der Briger Fasnachtsgesellschaft. So gesehen haben Sie eigentlich immer Ihren «Brüdern» die Macht übergeben. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie Mitglied im Türkenbund wurden?

Vor rund 30 Jahren wurde ich von meinem Jahrgänger, dem damaligen Grossvezier Bruno Zurwerra alias Ali Ben Ras Tschutti Bey gefragt, ob ich nicht Mitglied im Türkenbund werden wollte. Ich sagte spontan Ja und habe es bis heute nicht bereut.

Was macht für Sie das Flair des Türkenbunds aus, dass Sie bis jetzt 30 Jahre mit dabei sind?

Ich war mir sicher, dass ich beim Türkenbund viele langjährige Freundschaften treffen würde und dass diese Bruderschaft diesen Freundschaften guttun würde. Das hat sich bewahrheitet.

Von einem Türken wird erwartet, dass er sich aktiv für die Fasnacht engagiert. Wie sah Ihr Engagement bei den Türken aus? Zumal Sie ja über viele Jahre hinweg der eigentlichen Fasnacht ferngeblieben sind.

In der Tat war es lange Zeit so, dass ich während der eigentlichen Fasnacht gar nicht in Brig-Glis war. Der «Gätsch» fiel damals immer in die Fasnachtsferien, die ich mit meiner Familie jeweils in Saas-Fee beim Skifahren verbrachte. Der «Türke» war also immer ausgeflogen. Dennoch wollte ich mich nicht um meine Pflichten beim Türkenbund drücken. Daher wurde ich Mitglied des «Gerichts». (Das «Gericht» bezeichnet beim Türkenbund die Aufnahmeprozedur beim Beiramsmahl am 6. Januar von neuen Mitgliedern; A. d. Red.) Hier amtete ich weit über zehn Jahre lang als Verteidiger.

Warum als Verteidiger und nicht als Ankläger?

Ich sehe immer das Gute im Menschen und weniger das Schlechte, so einfach ist das.

Was macht für Sie grundsätzlich den Reiz der Fasnacht aus?

Ich finde es wichtig, dass es Momente im Leben gibt, in denen man die Welt und vor allem sich selbst nicht zu ernst und vor allem nicht zu wichtig nimmt. Die Fasnacht bietet dazu Gelegenheit.

Als Fasnächtler waren Sie eher ein Spätzünder. In Ihrer Kindheit spielte die fünfte Jahreszeit kaum eine Rolle. Weshalb?

Meine Eltern wie meine ganze Familie konnten mit der Fasnacht wenig anfangen, entsprechend war das Ganze bei uns kein Thema. Daran hat sich auch später nichts geändert. Ich bin der Einzige, der in diesem Sinne aus der Reihe getanzt ist. Und was ich damals «verpasst» habe, habe ich längst und gut nachgeholt (lacht).

Gibt es Dinge, die Sie an der närrischen Zeit stören?

Wenn der Konsum von Alkohol im Mittelpunkt steht, so lehne ich dies ab. Die Fasnacht soll zwar eine lustige und gesellige Zeit sein, aber nicht ein reines Besäufnis. Zum Glück schlagen nur die wenigsten wirklich über die Stränge.

Wie sieht es aus der Sicht des Stadtpräsidenten Louis Ursprung aus? Macht man sich da Sorgen, wenn es heisst: «Auf zum Gätsch!»?

Die Gedanken macht man sich vorher. Natürlich muss aus Sicht der Stadtgemeinde einiges beachtet werden, wenn man ein Fest wie den «Gätsch» steigen lässt. Sobald aber die wichtigsten sicherheitstechnischen Aspekte geklärt sind, kann man sich auch in der Rolle des Stadtpräsidenten auf die Fasnacht freuen. Schliesslich kommen die Leute nach Brig-Glis, um eine gute Zeit zu haben und zu feiern. Geht dann alles mehrheitlich gut über die Bühne, so macht sich zum Schluss auch eine gewisse Zufriedenheit breit.

Hat sich die Fasnacht aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren verändert, sprich ist sie besser oder schlechter geworden?

Ich glaube, man kann nicht von besser oder schlechter sprechen. Die Fasnacht hat sich verändert, das ist klar. Die Erwartungshaltung der Gesellschaft ist gestiegen, darum ist die Fasnacht heute auch grösser und aufwendiger. Dennoch ist der Kern derselbe: Die Menschen wollen aus ihrem Alltag ausbrechen und eine gute Zeit zusammen verbringen. Das war früher so und ist es noch heute. Etwas hat sich aber dennoch verändert.

Und das wäre?

Wir erleben die Fasnacht als viel «jünger», als sie es damals war. Sprich, heute dominieren sehr junge Leute das Bild. Das war damals anders. Ich denke, dass sich die älteren Generationen heute vielleicht etwas weniger für das närrische Treiben begeistern können, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Warum dies so ist, vermag ich nicht zu sagen. Es ist einfach eine Entwicklung, wie wir sie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch erlebt haben respektive erleben.

Sie gelten als volksnaher Politiker. Werden Sie während des «Gätsch» besonders oft angesprochen, vielleicht sogar belästigt?

Sicher kommt es vor, dass ich während der Feierlichkeiten von Maskierten teilweise sehr offen und direkt angesprochen werde. In all den Jahren jedoch nie bösartig oder unflätig. Teilweise wollen die Leute ein Selfie mit mir machen. Das mag ich, denn wie gesagt, ich sehe mich als volksnaher Mensch, der die Gesellschaft anderer sehr schätzt, auch während der Fasnacht.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Fasnachtszeitungen wie der «Rätscha»? Darin wurden Sie auch gerne einmal hochgenommen.

Ich pflege ein gutes Verhältnis zu den Fasnachtszeitungen, vorausgesetzt man zielt nicht zu sehr unter die Gürtellinie. Ich bin der Meinung, dass man sich nicht zu ernst nehmen sollte und daher auch mal einen Scherz auf seine eigenen Kosten hinnehmen muss. Zudem muss ich festhalten: Taucht man als Politiker nicht in der Fasnachtszeitung auf, macht man etwas falsch. Es würde nämlich zeigen, dass man keinen Bezug zur Bevölkerung hat oder dass man dieser egal ist.

Was würden Sie sagen ist Ihr persönlicher Höhepunkt der Fasnacht?

Für mich persönlich ist der schönste und würdigste Anlass der alljährliche gemeinsame Besuch der Bäjini, der Türken und der Drachentöter in Begleitung von Guggenmusiken bei «MitMänsch Oberwallis» in der Heilpädagogischen Schule in Glis. Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis, die Freude und die Begeisterung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit besonderen Bedürfnissen mitzuerleben. Weitere persönliche Höhepunkte der Fasnacht sind für mich die Schnitzelbänke und auf alle Fälle die Kulinarik. Ich liebe Fasnachtsspezialitäten. Fünf bis sechs Mal besuche ich daher während der Fasnacht verschiedene Restaurants, um spezielle Speisen zu geniessen. Ganz oben auf der Liste stehen bei mir dabei Kutteln, von denen ich kaum genug bekommen kann. Die ersten habe ich schon genossen, weitere werden folgen. Zum Glück habe ich eine liebe Bekannte, die mich auch während dem Rest des Jahres immer wieder mit dieser Köstlichkeit versorgt, sodass ich nicht immer bis zur Fasnacht warten muss (lacht).

Ihre Zeit als Stadtpräsident neigt sich dem Ende zu, wie sieht es mit dem Türkenbund aus?

Dazu kann ich nur sagen: Einmal ein Türkenbruder, immer ein Türkenbruder. Ich bleibe dem Bund also erhalten.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Louis
Name Ursprung
Geburtsdatum 4. August 1949
Familie verwitwet, drei Kinder
Funktion Stadtpräsident Brig-Glis
Hobbies Skifahren, Sozialleben, Schwimmen, Lesen

Nachgehakt

Die Briger Fasnacht ist besser als die
Gliser.
Joker
Die Getränke an der Fasnacht sind
zu teuer geworden.
Nein
Ohne Mitgliedschaft im Türkenbund
wird man als Mann nicht Stadtpräsident.
Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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