Strassenverkehr | Mehr Raser-Delikte im deutschsprachigen Kantonsteil
Passstrassen für Temposünder besonders verlockend
Seit der Einführung der verschärften Raser-Gesetzgebung im Jahr 2013 sind im Wallis rund 70 Verfahren gegen zu schnelle Fahrzeuglenker eröffnet worden. Gehäuft tappten diese auf dem Simplon und auf den Gommer Pässen in die Radarfalle.
Erst vor wenigen Tagen wurden am Grossen Sankt Bernhard sechs Briten gestoppt, die mit ihren Rennboliden über die Passstrasse donnerten. Einige Autos wurden beschlagnahmt, den Lenkern droht eine Gefängnisstrafe. Denn seit Anfang 2013 gilt von Gesetzes wegen als «Raser», wer in der 30er-Zone mit 70 km/h, in der 50er-Zone mit 100 km/h, in der 60er-Zone mit 140 km/h, in der 100er- bzw. 120er-Zone mit 180 bzw. 200 km/h geblitzt wird. Als «Raser» gilt zudem, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, etwa durch waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
60 Raser-Delikte in drei Jahren
Seit Einführung des «Raser-Delikts» mit einer Mindeststrafe von einem Jahr (bedingtem) Gefängnis und einer Busse in Abhängigkeit der Vermögensverhältnisse im Nachgang zu einer Serie tödlicher Raser-Unfälle auf Schweizer Strassen sind auch im Wallis eine Vielzahl solcher Straftatbestände registriert worden. «In den Jahren 2013 bis Ende 2015 standen bei der Dienststelle für Strassenverkehr im Durchschnitt 20 Raser-Delikte pro Jahr zum Massnahmenvollzug an», kennt deren Adjunkt Bruno Abgottspon die Statistik. «Von den 60 Rasern hatten 43 Wohnsitz im Wallis, fünf stammten aus der übrigen Schweiz und zwölf waren ausländischer Herkunft.» Bei den Raserdelikten hielten sich Töff- und Autofahrer in etwa die Waage.
«Dabei gibt es im Oberwallis, wo etwa die Hälfte der 60 Fälle von massiven Tempoüberschreitungen im Bereich des Raser-Delikts stattfanden, ‚neuralgische’ Stellen», wie Bruno Abgottspon erklärt, ohne dabei konkrete Streckenabschnitte des Oberwalliser Strassennetzes zu nennen. «Von diesen Stellen weiss man, dass dort immer wieder zu stark aufs Gaspedal gedrückt wird.»
Hot-Spot Simplonpass
Zu den «neuralgischen Stellen» zählen aber ohne Zweifel im Sommer die Passstrassen auf den Simplon, die Furka, die Grimsel und den Nufenen sowie die Kantonsstrasse zwischen Visp und Gampel. Die lassen Recherchen des «Walliser Boten» zu Strafbefehlen der Oberwalliser Staatsanwaltschaft wegen Verstössen gegen Tempolimiten, welche nicht zur Kategorie Raser-Delikt gehören, unschwer erkennen. Immer wieder tauchen als Tatorte auf der Simplonpassstrasse die wenigen Überholstrecken bei Schallberg und Chrummbachbrücke auf. Nicht weniger oft werden Tempolimiten im Goms und auf der Kantonsstrasse bei Raron-Turtig nicht eingehalten.
Geblitzte Raser müssen sich einer Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft stellen, welche über die Dauer der (bedingten) Gefängnisstrafe von mindestens einem bis maximal vier Jahren und einer Busse befindet, wie es die vom Gesetzgeber 2013 verschärften Sanktionen vorsehen. «Im Schnitt eröffnet die Staatsanwaltschaft Oberwallis seit 2013 im Jahr zehn Verfahren wegen Raser-Delikten.» Das entspricht der Hälfte aller Fälle im Wallis. «Dass das Oberwallis im Verhältnis zur Bevölkerungszahl im Unterwallis überproportional mehr Vergehen aufweist, ist wohl nur mit der grösseren Anzahl von Passstrassen im deutschsprachigen Kantonsteil zu erklären», sagt Rinaldo Arnold von der Oberwalliser Staatsanwaltschaft gegenüber dem «Walliser Boten».
In allen Fällen bedingte Gefängnisstrafen
«Bis anhin sind in sämtlichen Fällen bedingte Gefängnisstrafen ausgesprochen worden. Die Dauer der verhängten Gefängnisstrafe wird beeinflusst von der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung», erklärt Arnold. Was das Bussgeld anbelangt, bewegt sich dieses von einigen tausend Franken bis hin zu sehr hohen Summen, wenn es sich beim Raser um eine vermögende Person handelt. «Im Wiederholungsfall aber muss ein Raser mit einer unbedingten Gefängnisstrafe rechnen, auch wenn er bereits Vorstrafen zu Regelverletzungen im Strassenverkehr aufweist.»
Arnold bestätigt die Recherchen des «Walliser Boten» indirekt, dass Fahrzeuglenker oftmals mit massiver Überschreitung der Tempolimiten im Bereich des Raser-Delikts auf den Oberwalliser Passstrassen unterwegs sind. Er stellt aber auch fest, dass es bereits in allen Tempozonen zu Verurteilungen wegen Raserei gekommen ist.
«In den meisten Fällen werden die Raser in einem beschleunigten, vereinfachten Verfahren abgeurteilt, ohne dass es in einem Gerichtssaal zu einer Verhandlung mit Plädoyers vor einem Richter kommt. Denn die Faktenlage mit den Beweismitteln ist in der Regel klar und wird von den Angeklagten meist nicht bestritten. Anerkennt der Beschuldigte die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vor dem Richter, wird diese zum Urteil.»
Wie es der Gesetzgeber bei Raser-Delikten vorsieht, können Autos und Motorräder von Rasern von Strafbehörden eingezogen werden. «Die Staatsanwaltschaft Oberwallis hat seit 2013 in mehreren Fällen Fahrzeuge beschlagnahmt. Wertvolle Autos werden veräussert und der Erlös dient zur Deckung der Bussen und der Verfahrenskosten, minderwertige werden verschrottet.»
Führerschein für zwei Jahre los
Wer sich eines Raserdelikts schuldig macht, ist gleichzeitig seinen Führerschein für mindestens zwei Jahre los. Er hat sich einem Massnahmenvollzug der Walliser Dienststelle für Strassenverkehr zu stellen. Bei Eintreffen des Polizeiberichts zu einem Raser-Delikt und noch bevor der Staatsanwaltschaft seine Anklageschrift vor den Richter bringt, verfügt die Dienststelle für Strassenverkehr einen vorsorglichen Führerschein-Entzug mit der gleichzeitigen Auflage eines verkehrspsychologischen Gutachtens.
«Die Mindestentzugsdauer von zwei Jahren, wie sie im Gesetz zum Strassenverkehr verankert ist, wird dabei immer eingehalten», sagt Bruno Abgottspon. «Fällt dass verkehrspsychologische Gutachten negativ aus, kann sich der Entzug über die Mindestdauer hinaus erstrecken.» Wiederhole sich ein Raser-Delikt derselben Person innerhalb von zehn Jahren, werde ihr das Permis für mindestens zehn Jahre entzogen. Sie muss sich wiederum verkehrspsychologischen Gutachten unterziehen. Nach Ablauf der zehn Jahre ist überdies eine Neuerwerbung des Führerscheins fällig.
zen
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Kommentare
Peter - ↑11↓0
Solange die Polizei nicht die vorgeschriebenen Mindestabständen der LKWs auf dem Simplonpass kontrolliert und büsst, und dadurch vernünftig überholt werden könnte, liegt der Fehler nicht beim Fahrer des Pws. Eine Blitzaktion, an den einzigen Orten wo man noch überholen kann, durchzuführen ist absolut sinnlos. Denn es ist eine Zumutung hinter LKWs hinterher zufahren welche im Abstand von 2m über den Simplon schleichen. Und somit ein vernünftiges Überholen verhindern. Für mich grenzt das Verhalte der LKWs Chauffeure an Nötigung.
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Driver - ↑28↓2
Interessant wäre einmal der Vergleich von Anzahl Kontrollen im Zeitraum von sechs Monaten ober- unterwallis... Dann wäre noch interessant zu wissen wieviel Kontrollen an Orten mit effektivem Sicherheitsaspekt wie Schulen oder ähnlichem durchgeführt wurden im Verhältnis zu passtrassen und Kantonstrassen. Dies wird wohl niemand preisgeben.. Könnte ja sein das man auf andere Gedanken kommen könnte als die gross angepriesene Sicherheit... Ein Schelm wer sowas denkt
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