Coronavirus | Kunstperformance von Thomas Sarbach rüttelt wach und polarisiert
Heiliger Martin mit Atemschutzmaske
VISP | Der Künstler Thomas Sarbach verpasste der Statue des heiligen Martins vor der Kirche in Visp eine Atemschutzmaske. Ist diese Kunstperformance ein Sakrileg oder ist es die Aufgabe von Künstlern auf die Geschehnisse der Zeit zu reagieren?
Während Pfarrer Pascal Venetz am Josefstag in Visp vor leeren Reihen eine online-übertragene Messe las, machte sich draussen Thomas Sarbach an der Statue des heiligen Martins zu schaffen. Er zog ihm eine Atemschutzmaske über. Der Künstler sagt zu seiner Aktion: «Der Heilige Martin teilt seinen Mantel und hilft in der Not. Er ist genau die richtige Figur für meine Kunstperformance, mit der ich die Menschen in Zeiten des Coronavirus aufrütteln will.» Der in Visp aufgewachsenen Künstler lebt und arbeitet in Zürich und Bangkok. Er sagt: «Ich kenne die asiatische Kultur sehr gut. In Asien benutzen Menschen aus Respekt vor anderen Atemschutzmasken. Man will auf keinen Fall jemanden anstecken. Auch Gesunde schützen sich damit.» In Asien denke man immer an das Gesamtwohl der Gesellschaft. Dagegen habe sich in Europa eine Ego-Kultur entwickelt. Jeder schaue nur für sich.
Schockierende Gleichgültigkeit
«Beim Ausbruch der Coronakrise in der Schweiz war ich entsetzt darüber, wie sorglos und unverantwortlich man hier zu Lande handelt.» Er habe in Zürich beobachtet, wie Horden von Spaziergängern sich am Zürichseeufer aufgehalten hätten als wäre nichts passiert. Kaum jemand hätte eine Atemschutzmaske getragen oder sich an die Verordnung des Social Distancing gehalten. «Die Gleichgültigkeit und das Ignorieren der Konsequenzen des eigenen Handelns für andere hat mich schockiert», sagt Thomas Sarbach. Deshalb habe er nach einer künstlerischen Möglichkeit gesucht, die Leute aufzurütteln. Für seine Kunstaktion hat er weder bei der Visper Pfarrei noch bei der Gemeinde eine Bewilligung eingeholt. «Ich habe niemanden informiert. Aber ich habe freundlich in die Überwachungskamera der Gemeinde gewinkt, weil ich zu meinem Handeln stehe. Ich habe ja nichts kaputt gemacht. Die Aufgabe von Künstlern ist es nun mal, das Zeitgeschehen wahrzunehmen und mit Kunst Reaktionen auszulösen» ist Thomas Sarbach überzeugt.
Heftige Reaktionen
Reaktionen gab es dann auch. «Vor Ort hat mich niemand direkt angesprochen. Aber als ich die Fotos der Kunstperformance ins Internet und auf Facebook stellte, ging es richtig los», erzählt der Künstler. Die Kommentare unter den Fotos des heiligen Martins mit Atemschutzmaske bewegten sich teilweise auf Stammtischniveau. Von einer Verschandelung einer Heiligenstatue war da zu lesen oder von einem Sakrileg. Er solle sich in Grund und Boden schämen, schrieben andere. Einige fanden es absolut unpassend Atemschutzmasken für Kunstaktionen zu verschwenden, wenn diese doch so dringend in Spitälern benötigt würden. «Meine Aktion hat provoziert und polarisiert. Aber sie löste weltweit Reaktionen aus. Ich bekam sogar von Künstlern aus Hongkong Nachrichten. Sie zollten mir Respekt», sagt der 47-Jährige. Bei den Atemschutzmasken hätte es sich ohnehin um Exemplare gehandelt, die bei seiner Arbeit im Atelier schon zum Einsatz gekommen waren. Er hätte auf keinen Fall religiöse Gefühle verletzen wollen, hält Sarbach fest. Viel mehr wollte er die Menschen aufrütteln, damit sie in Krisenzeiten solidarischer handeln und die Risikogruppen besser schützten. «Inzwischen wurden die Masken entfernt. Von wem weiss ich nicht. Die gehässigen Kommentare auf Facebook sind gelöscht. Ich hoffe, dass meine Message: «Schütze dich und hilf den Schutzbedürftigen» trotzdem bei vielen angekommen ist», sagt Thomas Sarbach.
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