Gesundheit | «Exil-Walliser» macht sich für ältere Semester stark
«Es ist definitiv auch eine Herzenssache»
Der gebürtige Zermatter Patrick Lauber will mit seinem Unternehmen älteren Menschen helfen, möglichst lange selbstständig zu Hause zu leben. Dafür setzt er unter anderem auf eine besondere Plattform, welche die Nachbarschaft mobilisieren soll.
Die Bevölkerung wird zunehmend älter. Was braucht es, damit man trotz zunehmendem Alter möglichst lange zu Hause bleiben kann? Diese Frage stellten sich der in Zermatt aufgewachsene Patrick Lauber und sein Geschäftspartner Markus Schneider und stellten kurzerhand ein eigenes Unternehmen mit dem klangvollen Namen «Belvita» auf die Beine. «Wir haben anfangs Jahr entschieden, ein Start-up zu gründen, das sich diesem Thema mit neuen Ansätzen annimmt», erklärt Lauber im Gespräch mit 1815.ch. Denn betrachte man die demografische Entwicklung, sei davon auszugehen, dass sich die Zahl der über 65-Jährigen in 20 Jahren nahezu verdoppeln wird. «Es ist absehbar, was mit den Kosten passieren wird, wenn wir nicht anfangen, Gegensteuer zu geben.»
Sehnsucht nach den Bergen
Vor bald 20 Jahren hat der heute 45-jährige Zermatter das Wallis berufsbedingt verlassen. «Nach meinem Studium zum Elektroingenieur in Sitten bin ich in die Informatik abgewandert. Rund zehn Jahre lang habe ich dann für ein Unternehmen im Gesundheitswesen eine Internet-Plattform für den Austausch von elektronischen Arzt- und Spital-Rechnungen an Kranken- und Unfallversicherer aufgebaut.» Daher komme auch sein Bezug zum Gesundheitswesen, erklärt der seit zwei Jahren selbstständige Lauber. «Ich bin überzeugt, dass hier mit modernen IT-Lösungen verschiedene Abläufe vereinfacht und neue Möglichkeiten geschaffen werden können.»
«Belvita» sei für ihn aber definitiv auch eine Herzenssache, betont der «Exil-Walliser». Obwohl er inzwischen im kleinen Städtchen Sempach eine neue Heimat gefunden habe, ziehe es ihn nach wie vor regelmässig ins Matterhorndorf. «Auch wenn es mit zwei Kindern im Teenager-Alter schwieriger geworden ist, sind wir immer noch mehr oder weniger regelmässig in meiner alten Heimat. Es dürfte aber etwas mehr sein!» Obwohl sie ihn in jungen Jahren nicht vor einem Wegzug abgehalten hätten, seien es heute vor allem die Berge, die er regelmässig vermisse. «Wahrscheinlich muss man etwas zuerst nicht mehr haben, um es schätzen zu lernen. Aber wir sind ja nicht aus der Welt», witzelt Lauber.
Rasenmähen dank Plattform
Das heutige System der Alterspflege ist seines Erachtens zwar gut organisiert, jedoch sehr statisch und komplex. Die Praxis zeige, dass der administrative Aufwand und der vorherrschende Kostendruck im Gesundheitsweisen allgegenwärtig seien. «Das Persönliche leidet oft erheblich darunter», bedauert Lauber. «Zudem sind die heutigen Angebote sehr stark auf die Pflege ausgerichtet. Aber was ist, bevor man pflegebedürftig ist?», wirft er die Frage auf. Dass man auch im Alter noch als grosse Familie mit drei Generationen im selben Haushalt lebe, sei aufgrund tieferen Kinderzahlen und steigender Mobilität, immer seltener der Fall. «Hier möchten wir mit unserer Lösung ansetzen.»
Auf einer Generationen-Plattform wollen die Unternehmer Menschen aus der Nachbarschaft miteinander verbinden, damit sich diese gegenseitig unterstützen können. Hierbei sollen kleinere Leistungen in Form von Freiwilligenarbeit, wie etwa eine Einkaufshilfe oder Rasenmähen, angeboten werden. Laut Lauber funktioniert die Plattform wie eine Art «schwarzes Brett» in elektronischer Form. «Derzeit läuft die Entwicklung dieser ersten Etappe», beschreibt er den Stand der Dinge. Weitere Standbeine von «Belvita» sollen später eine Pflege-App, welche pflegende Angehörige unterstützt, sowie ein Angebot an Spitex-Dienstleistungen sein. Bei letzterem ist vorgesehen, Pflegefachkräfte zu entlasten, «damit diese weniger Zeit für ungeliebte Arbeit am Schreibtisch verbringen müssen» und sich auf die Pflege konzentrieren können.
Nachbarschaft wird Familie
«Wir sind überzeugt, dass die Nachbarschaft in absehbarer Zeit vermehrt die Rolle der Familie einnehmen wird.» Beispiele in anderen Ländern würden zeigen, dass dieses Thema seit mehreren Jahren gefördert werde. «Der Einsatz von digitalen Lösungen und sozialen Netzwerken spielen dabei eine immer wichtigere Rolle», so Lauber. Während die geplante Gratis-Plattform für Hilfeleistungen als Non-Profit-Angebot unterhalten werden soll, wollen die beiden Unternehmer «Belvita» mit der Pflege-App und den Spitex-Dienstleistungen gewinnbringend betreiben. Damit das Projekt realisiert werden kann, ist man aber noch auf der Suche nach finanziellen Mitteln. Seit Kurzem sammelt das Unternehmen Geld auf der Crowdfunding-Plattform «funders.ch/belvita».
«Unsere Lösungen machen nicht an Kantonsgrenzen halt. Ich bin überzeugt, dass mittelfristig auch Walliserinnen und Walliser Teil des ‚Belvita’-Netzwerks sein werden», so Lauber. Gleichzeitig ist er aber der Ansicht, dass die Familie im Wallis auch heute noch einen etwas anderen Stellenwert hat, als dies in urbaneren Gegenden der Fall ist. «Das ist jedoch mein persönliches Empfinden. Vielleicht irre ich mich da auch.» Wie er denn selbst einmal alt werden möchte? «Ehrlich gesagt, habe ich mir hierzu noch keine konkreten Gedanken gemacht. Aber wenn ich mir das so überlege, dann möchte ich sicher auch möglichst lange zu Hause leben können. Mit all den Unterstützungen und Möglichkeiten, die es dann wahrscheinlich geben wird.»
pmo
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