Coronavirus | Krise statt Kür – wie Staatsrätin am Schluss ihrer Karriere nochmals Stärke zeigen will
«Die Zeit der Diskussionen ist jetzt vorbei»
Eigentlich hätte das letzte Amtsjahr von Esther Waeber-Kalbermatten ein ruhiges werden sollen. Mit den schönen Sachen im Alltag einer Regierungsrätin, wie der Ernennung von Anne-Catherine Sutermeister zur Dienstchefin für Kultur, als erste Frau überhaupt. Ein inniger Wunsch der Staatsrätin, doch die Meldung ging beinahe unter. Denn statt Kür gibt es jetzt Krise zum Abschluss. Und es wird die schwerste Prüfung sein in der Karriere der SP-Politikerin.
88 Corona-Patienten im Spital
Die Gesundheitsdirektorin schlägt sich in diesen Corona-Zeiten wacker und wacklig zugleich. Ihre Art, die Dinge zuerst in Ruhe zu analysieren, um dann zu entscheiden mit dem Vorbehalt, stückweise wieder darauf zurückzukommen, wird jetzt einem regelrechten Stresstest unterzogen. Denn die Lage ändert sich ständig, die Meinungen vieler Experten und Beobachter auch. Die Walliser Regierung hat bis jetzt alles darangesetzt, den Ball flach zu halten. Seit den Entscheiden des Bundesrats, weite Teile der Wirtschaft lahmzulegen, wird jetzt aber mit sehr hohen Einsätzen gespielt. Und es war nicht immer klar, ob das in Sitten auch alle begriffen haben.
Die Walliser Gesundheitsdirektorin hat es nun begriffen. Anders ist es schwer zu erklären, warum sie am späten Dienstagnachmittag so kurzfristig eine Pressekonferenz in Sitten einberufen hat. Gemäss WB-Informationen wussten nicht mal alle ihre Regierungskollegen davon – das mag auch daran liegen, dass nach dem positiven Corona-Befund bei Staatsrat Frédéric Favre das ganze Gremium ins Homeoffice musste. Waeber-Kalbermatten will indes allen klarmachen, dass das Walliser Gesundheitswesen bereit ist für die kommenden Tage.
So kann Spital Wallis dank der Hilfe von privaten Kliniken fast 200 zusätzliche Betten bereit machen. Allein die Leukerbad Clinic würde dem Spitalzentrum Oberwallis aushelfen mit 72 zusätzlichen Betten. Dies für «normale» Patienten ohne Corona, die ausweichen müssten, wenn die Kapazitäten und Ressourcen in den Spitälern knapper würden. Gemäss Zahlen von Kantonsarzt Christian Ambord sind derzeit im ganzen Kanton 88 Corona-Patienten hospitalisiert, davon elf auf der Intensivstation, wiederum neun davon an einem Beatmungsgerät. Inzwischen sind 13 Walliser am Virus verstorben, mit einer Ausnahme waren sie allesamt über 70 Jahre alt. Diese Zahlen beruhen alle auf dem Stand von Dienstagnachmittag. Und sie werden weiter steigen.
Hin und Her mit Lehky Hagen
Um diesen Trend zu verlangsamen, hat die Walliser Ärztegesellschaft sechs ambulante Abklärungszentren im ganzen Kanton eingerichtet, davon eines in Glis, ein weiteres in Gampel. Am Montag ist zudem die Armee eingerückt, um jenes in Martinach zu betreuen. In den Zentren werden ab sofort potenzielle Corona-Patienten untersucht, damit diese nicht zu früh und in zu grosser Anzahl die Praxen und Spitäler aufsuchen.
Aus Angst, dass plötzlich diese Zentren überrannt werden, wollte das Gesundheitsdepartement aber zuwarten mit der Kommunikation. Ärzte-Präsidentin Monique Lehky Hagen preschte jedoch vor und wurde von Waeber-Kalbermatten dann wieder zurückgepfiffen. Am Montag hat die Regierung dann beschlossen, ein gesundheitspolitisches Führungsgremium unter dem Vorsitz der Staatsrätin zu schaffen. So werden die Wege künftig kürzer, die Entscheide «strikter», sagt Waeber-Kalbermatten. «Die Zeit der Diskussionen ist jetzt vorbei.»
Am Ende der Pressekonferenz, die mit dem grösstmöglichen Sicherheitsabstand arrangiert war, zeigte die Gesundheitspolitikerin im Gespräch auch Verständnis für die Wirtschaft und sagte, dass der momentane Zustand nicht allzu lange dauern dürfe.
Mit ihren 67 Jahren gehört Esther Waeber-Kalbermatten eigentlich zur Risikogruppe. Aber sie zeigt Entschlossenheit. In den letzten Monaten ihrer Laufbahn will sie nochmals so richtig regieren. Sie muss.
David Biner
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