Wirtschaft | Die professionelle Reinigung ist in Zeiten von Viren besonders gefordert
Höhere Ansprüche an die Hygiene
Das Coronavirus katapultierte die Heinzmann Gruppe in eine zwiespältige Lage. Im Bereich Wäscherei fiel der Markt völlig zusammen, im Bereich Reinigung steigen die Anforderungen. Geschäftsführer Hans-Peter Heinzmann nimmt die Krise als Herausforderung an.
«Meine Devise lautet, positiv bleiben. Man kann die jetzige Situation auch als Chance sehen, gewisse Abläufe kritisch zu hinterfragen», sagt Heinzmann. Mit der Wäscherei, einer der modernsten Grossbetriebe der Schweiz, galt es freilich vorerst einmal entschlossen zu reagieren. Die von einem Tag auf den anderen erfolge Schliessung der allermeisten Hotels liess den Umsatz um 95 Prozent einbrechen. «Ich musste für 92 Angestellte Kurzarbeit beantragen», so Heinzmann. Die Anlagen, ausgerichtet auf die Verarbeitung von riesigen Volumen, wurden runtergefahren.
Wäscherei im Standby
«Derzeit arbeiten in der Wäscherei noch 20 Personen». Sie sind besorgt um die in Alters- und Pflegeheimen, Kliniken und Wohngruppen weiterhin benötigte Frischwäsche. Hier erfolgt der Wäschewechsel freilich in einem tieferen Rhythmus als in der Hotellerie, wo die Betten im Schnitt jeden zweiten Tag frisch bezogen werden. Geblieben sind nur noch einige wenige Hotels, namentlich in Genf. Hier sind vor allem Grenzgänger einquartiert, die mittlerweile nicht mehr täglich zwischen der Schweiz und Frankreich pendeln. «Wir sind beweglich und passen uns den Kundenbedürfnissen an», sagt Heinzmann. Die grossen Kapazitäten würden auf Wunsch auch erlauben, Betriebe, die mit der eigenen Wäscherei überlastet sind, mit Heinzmann-Wäsche zu versorgen oder deren eigene zu verarbeiten.
Die erhöhten Hygiene-Ansprüche sind garantiert. Die Logistik wurde mit einigem Mehraufwand angepasst. Heinzmann: «Frisch- und Schmutzwäsche kommen nicht mehr in den gleichen Lastwagen. Er wird jedes Mal neu desinfiziert.»
Es wird öfter gereinigt
Im Geschäftsbereich Gebäudereinigung erfordert der unsichtbare COVID-19 noch ein erhöhtes Mass an zusätzlichem Aufwand. «In verschiedenen Objekten reinigen wir täglich mehrmals die sanitären Anlagen. Türgriffe, Handläufe und andere Kontaktpunkte werden auf Wunsch ebenfalls mehr als üblich gereinigt. Tauchte in einem Gebäude ein positiver Corona-Fall auf, wird der ganze Raum mit Masken und Schutzanzügen vollumfänglich desinfiziert. Wir sind eine Reinigungsunternehmung, keine Putzer», so Heinzmann. Und diese Dienste würden gerade jetzt sehr geschätzt.
Fürs Personal ist das freilich auch nicht immer einfach. Heinzmann hat festgestellt, «dass die Mitarbeitenden Respekt haben, sich zu infizieren.» Er verstehe das. Niemand wolle sich auf der Arbeit anstecken und das Virus dann in die Familie tragen. Deshalb werden in Sachen Virenschutz jetzt online Weiterbildungen angeboten. «Auch das gehört zu einer guten Leistung gegenüber unseren Kunden.»
Investitionsprojekt von mehreren Millionen
Verwaltung und Mitarbeitende arbeiten, wie der Chef selbst, nach Möglichkeit im Home-Office. Heinzmann hat sämtliche Kundentermine abgesagt. Dazu gehörte auch eine Geschäftsreise nach Deutschland. Dort wollte sich Heinzmann bei anderen Grosswäschereien austauschen. Denn aktuell plant er im Raum Bern eine identisch grosse Anlage, wie sie in Raron steht. «Das Projekt wird planmässig weiterverfolgt. Doch ich schliesse nicht aus, dass es durch die jetzige Situation eine Verzögerung erfährt».
Heinzmann ist in Bern «in einer ersten Phase zu einer zweistelligen Millionen-Investition bereit». Im Oberwallis hat er den grossen Investitionsschub nach dem Bau der Anlage in Raron hinter sich. Das lasse ihn zuversichtlicher in die Zukunft blicken als vielleicht Unternehmer, die in der jetzigen Situation vor akutem Investitionsbedarf stünden, sagt er. «In Raron werden wir auch in ein paar Jahren noch eine topmoderne Anlage haben». 1963 wurde die die Unternehmung von seinen Eltern gegründet. Seit gut 15 Jahren führt Hans-Peter Heinzmannn die rasch gewachsene Gruppe mit mittlerweile 250 Voll- und Teilzeitangestellten. Dass ihm das Unternehmertum im Blut liegt, bewies er just in den letzten Tagen wieder. «Weil uns die Schutzmasken auszugehen drohten, brauchte ich eine Lösung». Gefunden wurde sie bei der Thuner Modedesignerin Sabine Portenier. Weil ihre Fashion-Produkte derzeit nicht mehr verkauft werden können, produziert die zweifache Gewinnerin des Eidgenössischen Designpreises seit einer Woche auf ihren Nähmaschinen nun Hygienemasken. Im Auftrag von Heinzmann.
Mittlerweile sind bereits 300 Stück fertig, weitere 500 in Arbeit, berichtete die Berner Zeitung «Bund» vorgestern. «Verwendet wird hochwertiger Operationsstoff», sagt Heinzmann. Die Masken sind echte Swiss Made-Qualität. Sie sind bis 60 Grad waschbar und lassen sich anschliessend desinfizieren. Das bietet Gewähr, sie bis zu 80mal verwenden zu können. «Wir werden sie nach 50mal entsorgen» geht Heinzmann auf Nummer sicher. Damit kommt er noch auf einen durchschnittlichen Maskenpreis von rund 45 Rappen.
Es braucht seine Zeit
Wie es nach durchgestandener Krise weitergeht, weiss niemand. Heinzmann geht für seine Branche davon aus, dass das System nur langsam wieder hochgefahren wird, was neue logistische Herausforderungen stellen wird «Bis die Gästeströme wieder auf dem vorherigen Level sind, wird es sehr viel Zeit brauchen». Und was dazwischen bleibt? «In der Krise gilt es für alle, solidarisch zusammenzustehen», sagt Heinzmann. «Und positiv zu bleiben.»
Thomas Rieder
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