Schule | Auch das Leuker Kinderdorf St.Antonius unterrichtet per digitale Plattform
«Mehr Struktur nötig als andere Kinder»
Vor dem Corona-Ausbruch wohnten 56 Kinder und Jugendliche die Woche hindurch im Leuker Kinderdorf. Seit geraumer Zeit sind die Wohngruppen nun geschlossen. «Ein Kinderdorf ohne Kinder – das kommt einem wirklich komisch vor», sagt Patrice Schnidrig.
Doch stillgelegt ist der Schulbetrieb im Kinderdorf deswegen nicht. «Wie in der Regelschule halten auch wir eine minimale Betreuungsstruktur aufrecht», sagt der Direktor des Kinderdorfs, «unser Kerngeschäft, individuelle Lösungen anzubieten, führen wir auch in dieser speziellen Situation weiter.» Was nun mittels einer digitalen Plattform geschieht.
Zu Beginn gab es schon auch Skepsis
Von einem Tag auf den andern eine derartige Plattform aufbauen, Homeschooling in Gang bringen und auf digitalem Weg Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen betreuen – wohl alles andere als einfach, oder? «Wir standen vor einer grossen Herausforderung, waren zu Beginn schon ein wenig ratlos», blickt Patrice Schnidrig zurück. «Für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf ist das Lernen oft eine Herausforderung, ohne direkten Kontakt scheint dies unlösbar.»
Ob man damit die eigenen Schülerinnen und Schüler nicht überfordert – dies eine Frage, die sich stellte. «Skepsis war zu Beginn auch auf Seiten von Lehrpersonen schon zu vernehmen», sagt der Kinderdorf-Direktor, «doch unser Vorteil war, dass der Umgang mit neuen Medien in den letzten Jahren Thema im Kinderdorf war, dass also nicht absolutes Neuland war, was es da zu betreten gab.»
«Das Ganze funktioniert sehr gut»
Aufgeschaltet wurde die Plattform im Kinderdorf am 23. März. «Jetzt sind 80 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler auf dieser Plattform online», berichtet Patrice Schnidrig. «Das Ganze funktioniert sehr gut», zeigt er sich erfreut. Nun ist Homeschooling etwas ganz anderes als der «normale Schulbetrieb», erst recht für einen Schulbetrieb, der auf individuelle Betreuung setzt.
Zum einen sind es schulische Aufgaben, welche die Kinder und Jugendliche auf der Plattform zugestellt erhalten, zum andern geht es dabei um um pädagogisch und therapeutische Begleitung. «Es sind also jene Arbeiten, welche unser Team in Kinderdorf alltäglich leistet – nun erfolgen sie jetzt über den digitalen Weg», bemerkt Patrice Schnidrig und meint: «Die Hürden sind jetzt zuweilen höher, weil der Zugang anders ist». Schülerinnen und Schüler haben beispielsweise Rechenaufgaben zu lösen, erhalten psychomotorische Anleitungen, aber Kochen, Basteln oder Yoga stehen ebenfalls auf ihrem Programm.
«Über tolle schulische Resultate freuen wir uns», bemerkt der Direktor des Kinderdorfs, aber im Vordergrund stünden schulische Leistungen nicht. «Wichtig ist, dass unsere Schülerinnen und Schüler im Alltag Strukturen erhalten und behalten. Sie sollen im Sinne der Teilhabe Aufträge erhalten wie alle Kinder und Jugendlichen oder ihre Geschwister, sie sollen erleben, dass sie auch zu unserer Gesellschaft gehören», sagt er und betont: «Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen mehr Struktur als andere.»
Wer nicht auf der Plattform ist…
In den Fernunterricht eingebaut ist auch der «Umgang mit der speziellen Situation». So werden Kinder und Jugendliche aufgefordert, im Haushalt mitzuhelfen, Kochrezepte umzusetzen und die Ergebnisse mit ihren Kameradinnen und Kameraden über digitale Kanäle zu teilen», führt Patrice Schnidrig aus.
Gefordert sind in diesen Zeiten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinderdorfs. «Nicht alle Schülerinnen und Schüler verstehen schriftliche Aufgaben und können per Wochenplan mit Arbeitsblättern eingedeckt werden. Umso mehr sind Kreativität und Offenheit bei den schulischen Heilpädagoginnen und -pädagogen sowie bei den Therapeutinnen und Therapeuten gefragt» erklärt Patrice Schnidrig. In diesem Sinne sei die Corona-Krise auch ein Anstoss, «um zu zeigen, welche Chancen digitale Medien auch bieten». Konkret: Lehrpersonen und therapeutisch Tätige produzieren jetzt Videos für ihre Schülerschaft, «und eignen sich auf diesem Weg neue Kompetenzen an.»
Wenn 80 Prozent auf der Plattform aktiv sind, bleiben immer noch 20 Prozent, die dies nicht sind: Wie werden diese betreut? «Ihnen stellen wir die Aufgaben per Post zu. Zudem stehen wir mit ihnen – wie auch mit den andern – regelmässig in telefonischem Kontakt», antwortet Patrice Schnidrig. Und was für die Betreuung aller Jugendlichen und Kindern eine überaus wichtige Rolle spielt: Das Engagement ihrer Eltern.
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