Standpunkt
Unsere Freiheit nicht aufgeben
Paris, Nizza, München und jetzt sogar bei uns in der Schweiz die Zug-Attacke im St. Galler Rheintal. Die Spirale der Gewaltexzesse dreht sich weiter und weiter. Was kann dagegen getan werden? Was soll dagegen getan werden? Nach jedem neuerlichen Attentat mehren sich die Stimmen, welche umfangreichere Sicherheitsmassnahmen fordern und Versäumnisse der Polizei- und Sicherheitskräfte kritisieren. Doch sind noch mehr Polizei, noch mehr Überwachung und noch mehr Kontrollen wirklich der Weisheit letzter Schluss? Seit einem halben Jahr lebt Frankreich im Ausnahmezustand. Dieser beschränkt die Freiheit der Bürger und erweitert die Befugnisse der Polizei. Den Anschlag in Nizza konnte er trotzdem nicht verhindern.
An dieser Stelle soll die Arbeit der Polizei ausdrücklich weder infrage gestellt noch kritisiert werden. Gewalt jeglicher Art ist zu verurteilen, darf nicht toleriert und muss bekämpft werden. Es soll aber gewarnt werden vor der Vorstellung, eine absolute Überwachung verspricht absolute Sicherheit. Die gibt es nicht. Dafür drohen, elementare Grundrechte in einem freiheitlichen Staat verletzt zu werden. Die verschiedenen Gewaltexzesse der letzten Monate stellen nämlich den Rechtsstaat vor neue Herausforderungen. Wie viel Freiheit darf er preisgeben, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten? Ist es überhaupt möglich, an öffentlichen Orten genügend Sicherheit zu schaffen, ohne das Alltagsleben zu sehr einzuschränken?
«Big brother is watching you», schrieb der englische Autor George Orwell Ende der 1940er-Jahre in seinem berühmten Roman «1984», in dem er das Horrorszenario eines totalitären Präventions- und Überwachungsstaats im Jahre 1984 skizzierte. Wollen wir das? Wollen wir, dass Sicherheit und Kontrolle jegliches Leben ersticken?
«Freiheit» heisst ein Song des deutschen Musikers Marius Müller Westernhagen, der seit 1989 als Lied-Synonym der deutschen Wiedervereinigung gilt. Der die Sehnsucht Millionen DDR-Bürger ausdrückte, den totalitären Staat endlich hinter sich zu lassen. «Der Zweck des Staates ist in Wahrheit die Freiheit», schrieb schon 1670 der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza. Vielen Bürgern ist heute leider das Bewusstsein für den Wert der Freiheit etwas abhandengekommen. Tragen wir also Sorge zu ihr.
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar