Standpunkt
So verarscht uns Freysinger
Keine Frage: Der Mann ist Vollblut-Politiker. Er trifft unpopuläre Entscheidungen. Er kennt seine Dossiers. Ist kompetent, gut vernetzt und hat Durchsetzungsvermögen. Und: Oskar Freysinger ist beliebt. René Imoberdorf sagte in einer vertrauten Runde nach seiner Wiederwahl zum Ständerat (2011), er hätte ernsthaft gezittert, wäre Oskar Freysinger als Ständeratskandidat ins Rennen gestiegen. Imoberdorfs Angst war berechtigt. Freysinger ist im Wahlkampf eine Lokomotive. Raffiniert, brillant und taktisch fehlerlos organisiert er seine Wahlkämpfe. Anfängerfehler, wie sie die FDP bei Varones Staatsratskandidatur (2013) gemacht hat, als sie in der offiziellen Kampagne schrieb, weshalb Freysinger der falsche Mann ist und dabei die Stärken von Varone aussen vor liess, passieren dem Walliser SVP-Haudegen nicht. Später sagte Freysinger: «Als ich diese Kampagne sah, wusste ich, dass ich gewinnen werde.» Er führt seine Wahlkampagnen gezielt über die Medien. Das ist clever. Und – so beweisen es seine Wahlresultate – erfolgreich dazu. Da er polarisiert und gerne «gegen den Strom schwimmt», gewinnt er zusätzliche Sympathien. Jetzt überspannt genau dieser gefeierte wie zugleich bei seinen Gegnern verhasste Freysinger den Bogen. Dass er zwischen 2013 und 2015 National- und Staatsrat im Doppelamt war, stiess bei Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis. Dass er nun nach bloss zwei Jahren in Sitten Ambitionen auf einen Bundesratssitz in Bern hat, ist jedoch eine Verarschung der Wähler. Denn: 2011 hat ihn das Stimmvolk für vier Jahre in den Nationalrat gewählt. Freysinger glänzte nach seiner Wahl in die Kantonsregierung zwei Jahre später meist nur durch Abwesenheit in Bern. Nun will er – wieder nach bloss zwei Jahren in der kantonalen Exekutive – in dieselbe nach Bern ziehen. Auch hier gilt: 56 000 (!) Wählerinnen und Wähler haben Freysinger für vier Jahre als Staatsrat gewählt. Dieser Wahlausgang verpflichtet. Und diese Legislatur endet 2017. Natürlich: Der Nachfolger von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf wird aus irgendeinem Amt herausgerissen. Nur: Freysinger machte dies bereits 2013 und er ist gerade einmal seit zweieinhalb Jahren Staatsrat. In seinem Departement gibt es noch viel zu tun. Er kann nicht auf jeder Hochzeit tanzen. Und vor allem: Er darf seine Wähler nicht verarschen.
Simon Kalbermatten
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Kommentare
Carlo Müller - ↑11↓1
@Max Furter: das scheint zu stimmen. Hinter dem Halbösterreicher kommt lange niemand in der SVP Wallis der ihm gefährlich werden könnte. Der Oberwalliser Stadthalter fährt mit seinem Piaggio durch die Berge und der unterwalliser verjagte Staatsanwalt ist eine komplette Lachnummer.
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Max Furter - ↑15↓3
Der Oskar polarisert und spaltet um alleine herrschen zu können.
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Peter Baltisberger - ↑14↓23
Aber Hallo? Welcher Politiker würde diese Chance nicht beim Schopf oder bei seinem Pferdeschwanz ergreifen? Freysinger verfügt über die nötige Erfahrung und hat die erforderlichen Kompetenzen und das nötige Charisma, um einen Spitzen-Bundesrat abzugeben. Seine Volksnähe und Gradlinigkeit sprechen zudem für sich. Dass die RZ gegen eine Walliser Vertretung auf höchster Ebene in Bern ist, stösst bei mir auf grosses Unverständnis und hat mit Volksverarsche nichts zu tun. Im Gegenteil: Wir sollten uns, ganz parteiunabhängig, für einen Walliser Bundesratssitz freuen! Im Gegensatz zu anderen Kandidaten ist Freysinger ohne VR-Mandate absolut glaubhaft und wählbar.
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