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Gehen sie wählen – oder auch nicht

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Alle paar Monate wird der Schweizer Stimmbürger zur Urne gerufen. Ende Februar ist es wieder so weit. Die Anzahl Urnengänge in der Schweiz ist im weltweiten Vergleich einmalig hoch. Die Wahlbeteiligung dagegen zählt zu den niedrigsten. Seit 1979 lag sie bei den Nationalratswahlen immer unter 50 Prozent. Keine Zeit, keine Lust, keine Ahnung – die Schweizer als ein einig Volk von Politik­verdrossenen? Diese hierzulande scheinbar nicht so seltene Spezie wurde nach Wahlen oder Abstimmungen regelmässig von Experten eingehend soziologisch seziert und analysiert. Anschliessend wurde mit erhobenem moralischen Zeigefinger über diesen direktdemokratischen Schlendrian lamentiert, der mitverantwortlich dafür ist, dass die Schweiz in internationalen Demokratievergleichen oft nur auf Mittelfeldplätzen abschneidet. Man spricht in der Schweiz gerne von Wahlmüdigkeit. Die Schweizer seien überfordert durch die ständigen Abstimmungen. Neuere Studien zeigen jetzt ein etwas anderes Bild. Die Schweizer Stimmberechtigten sind besser als ihr Ruf. Eine Politologengruppe um Simon Lanz studierte die Daten des Kantons Genf und stellte fest: Schaut man sich die letzten 20 Abstimmungen in den vergangenen fünf Jahren an, so gehen über 90 Prozent der Stimmberechtigten mindestens einmal an die Urne. Eine Studie über den Kanton St. Gallen zeigt ähnliche Zahlen. Die «Nichtwähler» sind offensichtlich aktiver, als es die Zahlen zu einzelnen Urnengängen vermuten lassen. Von wegen Politikverdrossenheit. Die meisten haben am Politbetrieb kaum etwas auszusetzen. «Die grösste Gruppe der Nichtwählenden äussert sich grundsätzlich zufrieden über die Art, wie Bundesrat und Parlament Politik machen», sagt der Politologe Adrian Vatter. Den reinen Nichtwähler gibt es also ebenso selten wie den Musterdemokraten, der keinen Urnengang verpasst. Seien Sie also ruhig einmal ein Abstimmungsmuffel, und zwar ohne schlechtes Gewissen. Ausser im Kanton Schaffhausen herrscht in der Schweiz kein Stimmzwang – und das ist auch gut so. In einer Demokratie soll jeder auch das Recht haben, nicht zu wählen. Auf eine Wahlbeteiligung von 99,97 Prozent wie etwa bei den Parlamentswahlen in Nordkorea können wir hierzulande getrost verzichten.

Frank O. Salzgeber

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