Region | Bister
Ziegen, Kunst und alte Kartoffeln
Seit 40 Jahren amtiert Edwin Zeiter bereits als Präsident der Gemeinde Bister. Doch es sind die Kunst und die Ziegen, die ihm und seiner Familie in die Wiege gelegt worden zu sein scheinen.
Edwin Zeiter aus Bister ist der amtsälteste Gemeindepräsident des Wallis. 40 Jahre hat er bereits auf dem Buckel, doch von Amtsmüdigkeit keine Spur. Nächstes Jahr wird er sich für eine elfte Amtszeit zur Verfügung stellen. Vor allem aber ist er Landwirt, Künstler und Familienmensch. «Würde nur eine Person wegfallen, wäre alles, was wir machen, infrage gestellt», sagt er. Denn alles unter einen Hut zu bringen, kostet viel Zeit – die aber wie im Flug verrinnt, wenn er denn in seinem Atelier sitzt und malt. Doch auch das Waschen und Kämmen der langhaarigen Schwarzhalsziegen erfordert stunden- und tagelanges Arbeiten, ebenso wie der Anbau von 15 Kartoffelsorten und neuerdings auch der Anbau von Flachs im Goms, wo Edwin Zeiter geboren und aufgewachsen ist. Doch speziell die Ziegen inspirieren auch – die ganze Familie. Edwin verewigt sie in Öl und Acryl auf seinen Bildern, Ehefrau Ruth und die beiden Töchter Michaela und Tamara nutzen deren Haare für ihre Textilkunst, hüllten etwa schon ein ganzes Auto in Wolle ein. Ihre Materialien sind Wolle, Farbe und die Natur. Selbst aus einer unförmigen Wurzel verstehen sie es, Kunstwerke zu schaffen – auch Hüte, Fingerringe und Schmuck stellen sie aus Filz und Kaschmirwolle her. «Etwas Wolle und Seife habe ich auch immer dabei, auch im Sommer auf der Alp», erzählt Ruth, ein Bach für Wasser sei auch immer irgendwo – mehr braucht sie nicht zum Filzen.
Ziegen und Kaschmir
Die Wolle erhalten sie von Schäfern, Ziegen halten sie selbst. Neben den Walliser Schwarzhalsziegen besitzen sie nämlich auch noch Kaschmir- und Angoraziegen. Die wertvolle und feine Kaschmirwolle wird durch Auskämmen aus dem Unterfell dieser Tiere gewonnen und sorgfältig gewaschen, gekardet, gesponnen und verarbeitet. Hierzu liess sich Tochter Michaela auch eigens drei Jahre lang zur Spinnerin ausbilden. Mehr als 20 Handspindeln aus aller Welt besitzt sie bereits. Um verschiedene Kaschmir-Qualitäten zu erhalten, kreuzen sie ihre Ziegen manchmal auch. Val-Cash nennen sie etwa eine Kreuzung zwischen einem Walliser Schwarzhalsbock und einer Kaschmirziege.
Kartoffeln und Gommer Flachs
Im Obergesteln besitzt die Familie ausserdem einige Felder, die sie neuerdings mit Flachs bepflanzen, den sie künftig ebenfalls für ihre Kunstwerke verwenden möchten. Auch hier muss die ganze Familie anpacken. «Beim Ernten des Flachs müssen wir jede Pflanze einzeln aus dem Boden ziehen, um bei der Verarbeitung zu Leinen kein Unkraut drin zu haben», erklärt Michaela. Weil sie aber hauptberuflich Biologin an der Uni Bern ist und die Vielfalt liebt, pflanzt sie vor allem viele, 15 Kartoffelsorten an. Vor allem mag sie alte Sorten, die in Vergessenheit zu geraten drohen, wie etwa die Roten oder Weissen Lötschentaler, Rosa Tannenzapfen, Bonnotte oder der Blaue Emmensteg. Nicht ohne dabei auch herausfinden zu wollen, welche Sorten im Goms und welche zu Hause in Bister besser gedeihen.
Kapellenmaler aus Tirol
Neben der Landwirtschaft ist es aber vor allem die Kunst, die der Familie im Blut liegt. Diese brachte Zeiters Vorfahren vor über 150 Jahren auch ins Wallis. «Sie kamen aus Tirol», erzählt Edwin, «und liessen sich im Goms als Kapellenmaler nieder.» Das Geld, um Wohnungen mit Bildern zu schmücken, fehlte den Leuten damals. Doch sie hätten Geld gegeben, um Kirchen und Kapellen zu bemalen. Doch Edwin Zeiter ist überzeugt: «Zum Malen braucht es mehr als nur Talent – es braucht Freude.» Sich selbst bezeichnet er als Realist. Er mag es, Berge zu malen, die auch wie Berge aussehen. Und bei seinen Dorfansichten achtet er auf jedes Detail. Diese Art von Malerei sei Fleissarbeit und erfordere viel Geduld, betont er. Am Ende aber zähle nicht das Geld. Von der Kunst könne man ohnehin nicht leben – darin sind sich alle vier einig. Am Ende zählt die Freude – über ein schönes Resultat.
Christian Zufferey
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