Zermatt | Bahnprojekt auf Prüfstand
Zermatter Deal mit Italien
Mit einer dritten Bahn auf das Klein Matterhorn soll schon bald «Alpine Crossing» möglich werden. Dafür wird mit den italienischen Nachbarn um ein Papier gefeilscht.
Während weltweit die Anzahl an Skifahrern stagniert, steigt gleichzeitig die allgemeine globale Reisetätigkeit. So ist neuesten Zahlen der Welttourismusorganisation zufolge beispielsweise die Zahl an Reisenden aus Asien im letzten Jahr weltweit um acht Prozent gestiegen. Tendenz steigend. Statistisch gesehen handelt es sich bei asiatischen Gästen mehrheitlich um Kurzaufenthalts- und Ausflugsgäste, welche in kurzer Zeit so viel wie möglich besuchen und erleben möchten. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann das für die Bergbahnen eine interessante Zukunftsperspektive sein. Grundvoraussetzung hierfür: entsprechende Angebote und die dafür notwendige Vermarktung. Auch Zermatt will diese Chance packen und hegt ambitiöse Pläne: Das Klein Matterhorn soll mit einer dritten Seilbahn erschlossen werden.
Bedenken der Hoteliers
Die bestehende Pendelbahn sowie die sich im Bau befindende und parallel dazu verlaufende «3S Bahn» führen von der Schweizer Seite, sprich von Zermatt aus auf den Gipfel. Wie der CEO der Zermatter Bergbahnen AG (ZBAG) Markus Hasler erklärt, verläuft die neue Bahn von Testa Grigia (aus Richtung Italien) hoch. «Zurzeit evaluieren wir den Bahntyp. Entweder eine Pendelbahn oder aber eine Weiterführung der ‹3S Bahn›. Unabhängig von der Wahl des Bahntyps erhält Norditalien damit in naher Zukunft neu eine direkte Anbindung», sagt er. Konkret könnte das bedeuten, dass Gäste, welche auf dem Flughafen Mailand landen, per Bus nach Cervinia/I und dann per «Alpine Crossing» nach Zermatt gelangen könnten. Und dies innerhalb kürzester Zeit. Auch könnten damit die Italiener von ihrer Seite aus Zermatt ganzjährig besuchen. «Absolut interessant», wertet der Präsident des Zermatter Hoteliervereins Florian Julen das Vorhaben. Er sagt aber auch: «Die Investition kann einen grösseren Einfluss auf den Gästeaufenthalt haben als andere Bahnprojekte der Vergangenheit.» Es sei ihm wichtig, dass die Entscheidungsträger sich dieser Verantwortung bewusst seien. «Das Angebot könnte nämlich zur Folge haben, dass Gruppengäste nur noch eine anstelle von zwei Nächten in Zermatt verbringen oder sogar nach erfolgtem Besuch auf Klein Matterhorn gleichentags wieder weiterreisen.» Es wäre deshalb wünschenswert, dass «Alpine Crossing»-Fahrten nur gekoppelt mit Übernachtungen verkauft würden. «Es geht uns in der ganzen Diskussion einfach darum, auf mögliche Chancen oder Folgen hinzuweisen», so Julen.
Grösstes Skigebiet der Welt
«Diese Bedenken können ausgeräumt werden», entgegnet Hasler: «Das Angebot wird mit gekoppelten Übernachtungen gesteuert. Damit gewinnt der ganze Ort.» Ebenfalls profitieren könnte die Region künftig von einem weiteren Bahnprojekt. Hasler meint damit die geplante Bahnverbindung vom Monte-Rosa-Skigebiet/I aus (Champoluc/Gressoney/Alagna). «Italien ist an der Realisierung unserer Bahn zum Klein Matterhorn sehr interessiert. Das gleich grosse Interesse haben wir im Gegenzug natürlich an ihrem Projekt. Darum steht die Unterzeichnung einer Absichtserklärung bevor, mit welcher sich beide Seiten verpflichten, die Projekte zeitlich zu koordinieren, damit die gemeinsamen Interessen berücksichtigt werden», sagt Hasler. Mit der Verbindung der Skigebiete Zermatt/Cervinia und Monte Rosa würde mit 600 Pistenkilometern und 70 Anlagen das grösste zusammenhängend befahrbare Skigebiet der Welt entstehen. Und mit der dritten Bahn auf das Klein Matterhorn entsteht mit «Alpine Crossing» eine ganzjährige Seilbahnverbindung über die Alpen.
Peter Abgottspon
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Kommentare
Lisa Perren - ↑13↓9
Immer mehr, weiter, höher,... Zermatt wird am Massentourismus zu Grunde gehen
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Tisotz - ↑16↓1
Sich der Zeit und den Veränderungen anpassen!
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Echo vom Berg - ↑12↓9
@Eduard Biner: Chamonix - Courmayeur hat gerade einmal eine Förderleistung von 220 Pers. / Std. und ist von Ende September bis Mai geschlossen. Und Chamonix und Courmayeur haben Sie sich sicher schon einmal angeschaut? Komplett mit Zweitwohnungen im Bunkerstil zugepflastert, eine total schwache Hotellerie und wenig Einheimische mehr....
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Eduard Biner - ↑13↓8
Schaut nach Chamonix-Courmayeur: Hier funktioniert das "Alpine Crossing" mittels Seilbahnverbindung schon seit Jahrzehnten zum Nutzen aller, und dies obwohl zusätzlich noch der Mont Blanc Autotunnel beide Stationen verbindet!
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Echo vom Berg - ↑12↓15
@schwarzmalerei: So wie schreiben, sollten die Zermatter alle noch die Trachten und Lederhosen anziehen. Dann wäre die Kulisse für die MGB perfekt! Die Asiaten nach Zermatt karren und einen autofreien Ort = Tourismusbrache präsentieren. Ein Reservat oder Zoo könnte nicht besser sein! Und das alles als einen Topkurort präsentieren! Die Zermatter sind ja aber selber schuld. Jahr und Tag MGB-Sympathisanten in alle Positionen wählen und jetzt klönen. Sie liebe schwarzmalerei schreiben es ja selber: "Wer heute noch wirtet wie vor 50 Jahren ist auf verlorenem Posten" In Sachen Verkehr wirtet Zermatt wie vor 50 Jahren!
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Skilehrer - ↑17↓4
Die Bedenken der Hoteliers (und Fewos) sind nicht ganz unbegründet. Die Zermatter Verantwortlichen (Politik und Zermatt Tourismus) haben es eben nicht geschafft, die Wettbewerbsfähigkeit und Erreichbarkeit zeitgemäss auszubauen. Zermatt gibt für die Bergbahnen zu wenig Skifahrer mehr her. Der MGB sei dafür gedankt (und der ZBAG ebenso) Somit müssen sich die Bergbahnen neue Geschäftsfelder erschliessen. Das ist letztendlich ihre Pflicht.
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Bensen Hans - ↑42↓22
Zermatt wird zum Transitdorf. Die Hotels werden Mühe haben zu überleben. Warum sollten sich die Gäste in Zermatt einquartieren, wenn's in Italien zum halben Preis geht? Die Illusion mit dem Koppeln von Übernachtungen ist doch fragwürdig. Könnte auch sagen, dass wenn ich nach Paris will, muss ich Genf einmal übernachten??? Die Realität sieht so aus, dass die Bahnen mit der Zeit auch in den Hotelbusiness einsteigen. Sie verkaufen dann Pauschalen. Von Mailand nach Paris. Profitieren werden nur die Transportgesellschaften. Die Zukunft der Zermatter Hotellerie ist ungewiss und wird mit einem gewaltigen Strukturwandel konfrontiert. Aber dies kann man nicht aufhalten. Dies ist die Veränderung mit der man zurecht kommen muss. Anpassung heisst die Devise.
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schwarzmalerei - ↑17↓13
Diese Abwehrhaltung ist der erste Schritt vom Verlust der Eigenständigkeit. Die Welt verändert sich ständig. Wer heute noch wirtet wie vor 50 Jahren ist auf verlorenem Posten. Dieses Projekt ist für Zermatt und das Oberwallis wichtig. Mobilität ist (fast) alles. Das Gegenteil wird passieren: die Region wird einen Riesen-Schub im Sommer- und Ganzjahrestourismus erleben. Gepaart mit dem Reiz des autofreien Ortes, seinem Angebot im Dorf aber auch im Gornergrat-Gebiet, Sunnegga/Rothorn, werden zusätzlich neue Übernachtungen generiert. Also nicht scharz malen - diese Herausforderung als Chance packen und agieren. Zermatt bleibt eine Top-Destination wenn wir zusammen spannen und die Chancen gemeinsam anpacken.