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«Wir brauchen mehr Wettkampftennis»

Yves Allegro, Headcoach bei Swiss Tennis.
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Yves Allegro, Headcoach bei Swiss Tennis.
Foto: zvg

Quelle: RZ 0

Einst spielte Yves Allegro an der Seite von Roger Federer Doppel. Seit seinem Rücktritt 2011 arbeitet der heute 37-Jährige aus Grône als Trainer beim Schweizer Tennisverband.

Herr Allegro, was sind Ihre Hauptaufgaben als Headcoach bei Swiss Tennis?
Ich bin hier im Leistungszentrum von Swiss Tennis in Biel für die U23 verantwortlich. Das heisst, für die 15- bis 23-Jährigen. Als Headcoach leite ich das Trainerteam, welches neben mir vier Trainer sowie zwei Konditionstrainer umfasst. Wir betreuen hier 15 bis 20 Spieler. Dazu arbeite ich mit den Coaches der Nationalkaderspieler zusammen, die nicht in Biel trainieren, sondern in ihren jeweiligen Regionen.

Gibt es in der Schweiz einen Federer-Boom?
In der Schweiz spielen sehr viele Jugendliche in Klubs. Leider engagieren sich aber nur zehn Prozent von ihnen auch im Wettkampftennis. Das ist nicht optimal. Durch die in diesem Frühling lancierte Kids Tennis High School versuchen wir jetzt, dies zu ändern.

Wie schätzen Sie die Qualität des Schweizer Tennisnachwuchses ein, ist der nächste Federer schon in Sicht?
Das Problem ist: Spielt ein Junior vielversprechend, wird sofort gefragt: Kann er der nächste Federer werden? Das schafft einen ungeheuren Erwartungsdruck. Aber: Einen Roger Federer wird es nie mehr geben – nicht jetzt und nicht in 100 Jahren. Wenn Federer und Wawrinka einmal aufhören, wird es bei uns ein Loch geben. Wir müssen realistisch bleiben. Wenn wir in der Schweiz in den nächsten Jahren wieder einen Top-50-Spieler hervorbringen, ist dies schon ein gros­ser Erfolg.

Wie sieht es mit Walliser Talenten aus?
Leider nicht gut. Im Wallis wurde in den letzten Jahren leider etwas geschlafen und mehr gegeneinander als miteinander gearbeitet. Im Wallis ist Tennis Breitensport, nicht Spitzensport.
Aber mit Ylena In-Albon verfügt das Wallis doch über eine der stärksten Nachwuchsspielerinnen der Schweiz?
Ylena ist sicherlich talentiert und hat Potenzial. Aber ihr Weg zur Weltspitze ist sehr lang. Ich finde es gut, dass sie jetzt vermehrt ausserhalb des Wallis trainiert. Meiner Meinung nach blieb sie sogar etwas zu lange im Wallis. Dort hatte sie nicht die idealen Trainingspartner.

Ein anderer Walliser, Yann Marti, sorgte beim Davis-Cup-Match gegen Belgien für einen Eklat, als er vorzeitig abreiste. Hat sich Swiss Tennis inzwischen mit ihm verständigt?
Yann Marti hat vom Schweizer Tennisverband viele Chancen bekommen und keine genutzt. Er hat sich selbst ins Offside gespielt.

Federer, Wawrinka, jetzt Bencic und Bacsinszky, früher Hingis, Schnyder, Rosset – wieso bringt die kleine Schweiz so viele gute Tennisspieler hervor?
Die Schweiz verfügt einerseits über eine sehr gute Tennis-Infrastruktur, andererseits gibt es auch genügend qualifizierte Trainer, die eine gute Ausbildung ermöglichen. Tennis ist immer noch ein verhältnismässig teurer Sport, aber in der Schweiz scheitert eine mögliche Karriere nicht am Geld. Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass es im Moment eine einzigartige Konstellation ist, mit den beiden Top-4-Spielern Roger Federer und Stan Wawrinka gleich über zwei Grand-Slam-Turnier-Sieger zu verfügen. Zum Vergleich: Der französische Tennisverband hat ein 50 Mal höheres Budget als wir und sicher auch einige starke Spieler. Aber seit Yannick Noah 1983 die French Open gewonnen hat, gab es nie mehr einen französischen Sieger an einem Grand-Slam-Turnier.

Was war es für ein Gefühl, mit Federer zusammen Doppel zu spielen?
Roger hat mir in meiner Karriere sehr geholfen. Wir Schweizer hatten nie das Gefühl, mit der Nummer 1 zu spielen, sondern wir spielten mit einem Kollegen zusammen. Der Druck war natürlich da und was klar war: Gewannen wir, so war es wegen Roger. Verloren wir, so waren wir schuld.

Frank O. Salzgeber

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