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«Ohne uns geht gar nichts»
Er war als Spieler eine Bestie. Heute gehört er zu den besten Schiedsrichtern im Land. Didier Massy spricht über Provokationen, Pfiffe und Kollegschaften während den Playoffs.
Sein WhatApp-Profilbild zeigt zwei Eringerkühe, die gegeneinander stechen. Als langjähriger NLA-Spieler (HC Siders, HC Lugano, HC Davos) und WM-Teilnehmer (1991) sowie Olympia-Fahrer (1992) ist er bei den Gegnern im Ring als knüppelharter Verteidiger bekannt. Didier Massy gleicht mit seinem Temperament und seiner Leidenschaft oft selber einer Eringerkuh. Seine Länderspielkarriere beendet er vor über 20 Jahren an der WM in Turku, wo die Schweiz die grosse Tschechoslowakei schlägt und das Turnier auf Platz 7 beendet. Anschliessend wird er Sportchef beim HC Siders. Er springt bei den Sonnenstädter zweimal als Trainer ein, als er selber Kevin Primeau und Hans Kossmann entlässt. An den Olympischen Spielen in Vancouver arbeitet er fürs Westschweizer Fernsehen als Analyst. Seit Herbst 2009 leitet er nun Spiele in der NLA.
Provokationen auf dem Eisfeld
«Massy war auf dem Eis eine Bestie. Wenn sich einer auf dem Eis wälzte, konnte man sicher sein, dass Massy mit grossen Unschuldsaugen in unmittelbarer Nähe stand», sagt Willi Vögtlin, der als Referee zu den Besten der Welt gehörte, auf swiss-icehockey.ch. Wie viele andere, freut sich auch Vögtlin heute über die tollen Leistungen Massys als Referee auf dem Eis. Für den 52-Jährigen heisst es nun kühlen Kopf wahren bei heissen Entscheidungen. Vermitteln statt provozieren. Kein Problem? «Der Respekt zwischen Spielern und Schiedsrichtern ist meistens gegenseitig sehr gross», sagt Massy. Provokationen nehme er eher zwischen einzelnen Spielern wahr, gerade in den Playoffs nehme der «Trash Talk» extrem zu. «Das ist Teil des Spiels und gehört für gewisse Spieler und Trainer auch zur Taktik dazu», weiss er. Wichtig dabei sei, mit der Schlusssirene alles zu vergessen. Zwischendurch erlebt auch er die eine oder andere hitzige Debatte um eine Entscheidung, die nach dem Spiel noch kurz thematisiert wird. «Jedoch ausschliesslich auf dem Eisfeld», betont Massy, «im Kabinengang gibt es keine Sticheleien oder Provokationen mehr an die Head-Schiedsrichter und ihre Linesmen. Auffallend sei in diesem Zusammenhang, dass sich gerade junge talentierte Spieler eher selten auf Diskussionen einlassen und ihren Fokus voll und ganz auf das Spiel richten.
Schweizer Stadien – die lautesten
Derzeit leitet Didier Massy verschiedene Playoff-Viertelfinalpartien. Vor zwei Tagen war er beim Spiel zwischen dem EV Zug und dem HC Davos als Head-Schiedsrichter im Einsatz. Diese Zeit ist für Massy und seine Kollegen die intensivste. Meist arbeitet er an einem Playoff-Spieltag bis Mittag. «Anschliessend fahre ich zur Eishalle, in der ich abends im Einsatz stehe.» Da er im Wallis wohnhaft ist, könne eine Autofahrt sehr lange dauern, gerade wenn er für ein Spiel in Davos eingeteilt werde. In der Eishalle beginne dann das Warmmachen und die Spielvorbereitung, bevor er nach einer Mahlzeit im Anschluss des Spiels wieder nach Hause fährt und tags drauf um 7.00 Uhr mit der Arbeit beginnt. Obwohl die Tage nach einem Spieltag, an dem er erst gegen 4.30 Uhr morgens zu Hause ist, lange sind, liebt der Eishockeyverrückte seinen Job als Profi-
Schiedsrichter bei Swiss Ice Hockey. «Wir sind Teil des Spiels und je weniger wir bemerkt werden, desto besser haben wir unseren Job gemacht», sagt er. Dass es zwischendurch auch Pfiffe gegen die Schiris aus den Fankurven gibt, sieht Massy nüchtern: «Das gehört dazu. Fans pfeifen, wenn sie mit der Leistung der eigenen Mannschaft nicht einverstanden sind und sie haben auch das Recht zu pfeifen, wenn sie einen Schiedsrichterentscheid anders sehen.» Für ihn ist klar, dass ein Schiedsrichter genauso wenig wie ein Spieler bewusst einen Fehler machen würde. Und, noch wichtiger: Wie andere Sportarten, kann auch der Eishockeysport ohne Schiedsrichter nicht ausgeführt werden. Was ihn aber stört, ist, dass die Schiedsrichter in der Schweiz oft vermehrt in der Kritik stehen als anderswo. «Ich habe mehrere Spiele in Europa geleitet, sehr selten hat man über Schiedsrichterentscheide diskutiert.» Für den Spielleiter ist das ein bisschen eine Schweizer Tugend und gehört zur Kultur. «Unsere Fans in den Stadien sind heissblütiger und bekunden oft Mühe mit den Entscheidungen eines Unparteiischen.»
Guter Kontakt zu vielen Spielern
Dass «die Bestie» Massy heute auf der anderen Seite steht und Spiele in der höchsten Schweizer Liga leitet, ist verwunderlich. Er erklärt: «Ich war überzeugt, dass die Schweizer Schiedsrichter zu schlecht sind. Deshalb wollte ich Spiele leiten.» Eine Äusserung, die er aufgrund seiner gesammelten Erfahrungen als Ref revidiert. «Ein Schiedsrichter muss optimal auf ein Spiel vorbereitet sein. Er muss die Spieler und Trainer spüren, ihre Taktik kennen, das Spielsystem muss vertraut sein, das alles gehört zur Vorbereitung dazu.» Sind zwischen Schiedsrichtern, Trainern und Spielern auch Kollegschaften möglich? «Natürlich. Ich pflege mit mehreren Trainern und Spielern aus verschiedensten Teams einen sehr guten Kontakt.» Diesbezüglich ticke jeder ein bisschen anders: So kennt Massy Spieler, die den Kontakt zu den Unparteiischen bewusst suchen, während andere ihn bewusst meiden. Jeder sei eben unterschiedlich. Für den langjährigen Abwehrspieler ist klar, dass «intelligente» Spieler die Bedeutung des Head-Schiris kennen und wissen, dass auch diese «nur» Menschen sind. «Ohne uns gibt es keine Spiele», sagt Massy und lacht. Ob er als Spieler gleich gedacht hat?
Simon Kalbermatten
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