Abstimmungskampf | Energiestrategie 2025
Kampf um die energetische Zukunft der Schweiz
Am 21. Mai stimmt die Schweiz über die Energiestrategie 2050 ab. Befürworter wollen das Land vom Atomstrom befreien und die Wasserkraft stärken. Die Gegner befürchten kaltes Duschen und explodierende Kosten.
Kurz zusammengefasst, will der Bundesrat mit der Energiestrategie 2050 die Weichen für die künftige Energieversorgung der Schweiz stellen. Hauptpunkte dabei sind ein Verbot für den Bau neuer Atomkraftwerke (AKWs), die Subventionierung der Wasserkraft und alternativer Energiequellen sowie die Steigerung der Energieeffizienz.
Glücksfall für das Wallis?
Besonders die vorgesehene finanzielle Unterstützung für die Wasserkraft stellt für das Wallis einen nicht uninteressanten Aspekt dar. Die durch die internationale Stromschwemme unter Druck geratenen Betreiber der Wasserkraftwerke sollen eine bis 2022 befristete Marktprämie erhalten. Grosswasserkrafwerke, die ihren Strom unter den Gestehungskosten verkaufen müssen und mehr als zehn Megawatt Leistung aufweisen, sollen pro Kilowattstunde mit maximal einem Rappen unterstützt werden. Das neue Energiegesetz würde für diese Subventionierung pro Jahr rund 120 Millionen Franken bereitstellen. «Die Energiestrategie kann die derzeitigen Probleme der Wasserkraft zwar nicht alle lösen, zielt aber durch ihre Massnahmen in die richtige Richtung», sagt Staatsrat Roberto Schmidt. «Für den Wasserschlosskanton Wallis ist die Vorlage sehr wichtig, weil die Energiestrategie 2050 ein klares Bekenntnis zur Wasserkraft ist.» Klar, so Schmidt, sei das Bekenntnis auch deswegen, weil neben der Marktprämie auch Investitionsbeiträge vorgesehen seien. Diese Beiträge sollen bis ins Jahr 2030 den Zubau neuer Anlagen sowie die erhebliche Erweiterung und Erneuerung bestehender Anlagen fördern. Jährlich sollen dafür rund 60 Millionen Franken zur Verfügung stehen. Davon ausgehend, dass ein Drittel des aus Wasserkraft produzierten Stroms aus dem Wallis stammt, könnten die Walliser Stromproduzenten pro Jahr auf mehr oder weniger 60 Millionen Franken zurückgreifen. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass Kleinstwasserkraftwerke (weniger als 1 Megawatt Leistung) künftig nicht mehr mit staatlicher Unterstützung rechnen können. «Diese Kraftwerke sind nicht der Beitrag, auf den die Energiewende angewiesen ist, da die 900 kleinsten Wasserkraftwerke in der Schweiz gerade einmal ein Prozent des Wasserkraftstroms produzieren», sagt Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten.
Streitpunkt Kosten
Die für diese Subventionierung der Wasserkraft nötigen finanziellen Mittel sollen aus dem Netzzuschlag kommen. Dieser soll, so sieht es der Gesetzesentwurf vor, von heute 1,5 auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde erhöht werden. Der Bundesrat rechnet dazu vor, dass die jährlichen Stromkosten für einen Haushalt mit vier Personen um 40 Franken ansteigen würden. Die Gegner der Energiestrategie sehen dies jedoch ganz anders. Die SVP, die das Referendum zum neuen Energiegesetz ergriffen hatte, geht davon aus, dass die Energiestrategie einer durchschnittlichen Familie jährliche Mehrkosten von 3200 Franken verursachen würde. Insgesamt würde die Neuausrichtung der Schweizer Energiepolitik 200 Millionen Franken kosten, die Zeche müssten die Privathaushalte und Unternehmen zahlen. Auf den Betrag von 3200 Franken pro Jahr kommt die SVP, indem sie neue Abgaben und die Erhöhung bestehender auf Strom, Heizöl, Benzin und Konsum aufsummiert. Allerdings erklärt die Partei in ihrer Argumentation im Kleingedruckten auch, der Grossteil dieser Abgaben komme erst mit dem zweiten Massnahmenpaket zur Energiestrategie. Dabei lässt die Partei jedoch unerwähnt, dass am 21. Mai nur über den ersten Teil der Energiestrategie abgestimmt wird.
Die ganze Wahrheit?
Während der SVP von den Befürwortern der Energiestrategie masslose Übertreibung vorgeworfen wird, müssen sich diese den Vorwurf gefallen lassen, bei der Berechnung der Kosten zu tief zu stapeln. SRF News berichtete vergangene Woche, dass gemäss einer Studie, die dem Bundesamt für Energie vorliegt, die Kosten für die Energiewende höher als 40 Franken pro Haushalt ausfallen dürften. Kostentreiber ist gemäss der Studie der Ausbau des Stromnetzes in der Schweiz. «Dieser wird zu einer Zunahme der Kosten für Haushalte führen», zitiert SRF News einen der Studienautoren. «Diese Zunahme würde unserer Einschätzung nach so zwischen 40 und etwa 65 Franken liegen und noch einmal bis zu 65 Franken mehr im Jahr 2035.» Gemäss dieser Eischätzung wären die Zusatzkosten für einen 4-Personen-Haushalt damit mehr als doppelt so hoch wie vom Bundesrat behauptet.
Effizient oder Suffizienz?
Weiterer zentraler Punkt im Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der Energiestrategie ist die Frage nach dem künftigen Energieverbrauch der Schweizerinnen und Schweizer. In ihrer Abstimmungsparole schreibt die SVPO Oberwallis: «Bis ins Jahr 2035 soll unser gesamter Energieverbrauch pro Person praktisch halbiert werden. Die Vorgaben des Energiegesetzes können nur mit staatlicher Umerziehung, Lenkungsmassnahmen, teureren Energiepreisen und neuen Vorschriften erreicht werden.» Die SVP geht davon aus, dass die im Gesetz vorgesehenen Energiesparziele nur durch massive Eingriffe in den Alltag der Menschen möglich sind, sprich, dass teilweise auf heisses Wasser zum Duschen verzichtet werden müsse. Die Energiestrategie stellt für die Partei einen staatlich verordneten Schritt hin zur Suffizienz, also den Verzicht auf gewohnte Annehmlichkeiten des Lebens. SPO-Staatsrätin Esther-Waeber-Kalbermatten hält dem entgegen, dass es so weit gar nicht kommen muss. «Mit Effizienzmassnahmen hat die Schweiz das Potenzial, ein Drittel des heutigen Stromverbrauchs einzusparen», sagt sie. «Die Strategie sieht daher bessere Effizienzmassnahmen für Geräte und Neuwagen vor, zudem werden durch das Gebäudeprogramm weiterhin energetische Sanierungen unterstützt.» Allerdings dürfte auch dies nicht umsonst sein. «Gebäudebesitzer könnten künftig deutlich höhere Steuerabzüge für energetische Sanierungen geltend machen, schrieb SRF News vergangene Woche. «Auf Anfrage von SRF News schreibt die Eidgenössische Steuerverwaltung dazu: Diese Massnahme würde gemäss Schätzungen zu Steuerausfällen bei Bund und Kantonen zwischen 120 und 240 Millionen Franken pro Jahr führen.»
Martin Meul
Artikel
Kommentare
Martin Ming, Susten - ↑0↓0
Guter Bericht!
Mir fehlt aber das Thema Wasserzins, welcher eine wichtige Rolle fürs Wallis spielt. Im Jahr 2019 wirs dieser angepasst und das nicht zum Vorteil.
antworten