Region | Brig-Glis
Im Einsatz für die Menschenrechte
Brig-Glis | Angela Escher verbrachte viereinhalb Monate als Menschenrechtsbeobachterin in Honduras. Impressionen aus einem Land, wo ein Menschenleben nicht viel zählt.
95 Morde jährlich pro 100 000 Einwohner – Honduras hat die höchste Mordrate der Welt. Letzten November wurde sogar die amtierende Miss Honduras und ihre Schwester getötet. Dies hinderte die Brigerin Angela Escher nicht, während viereinhalb Monaten als freiwillige Menschenrechtsbeobachterin der Nichtregierungsorganisation «Peace Watch Switzerland» (PWS) in Honduras zu arbeiten. «Schon im Studium interessierte mich das Thema Entwicklungszusammenarbeit», sagt die 29-jährige Politologin. Nachdem sie dann in Bern eine Forumsdiskussion über Honduras besuchte, reifte in ihr der Entschluss, für einige Monat in das zentralamerikanische Land zu reisen.
Begleiten um zu schützen
PWS entsendet freiwillige Begleitpersonen in das Projekt PROAH (Proyecto de Acompañamiento Internacional en Honduras). Dieses wurde 2010 von internationalen Beobachtern aus Nordamerika gegründet mit dem Ziel, Menschenrechtsverteidigern in Honduras eine physische Begleitung als Schutz zur Verfügung zu stellen. «Die Entsendung internationaler Beobachter in Krisenregionen hat sich als wirkungsvolles Instrument erwiesen, um Menschen zu unterstützen, die sich mit gewaltfreien Mitteln für soziale Gerechtigkeit und für die Einhaltung der in der Verfassung garantierten Rechte einsetzen», erzählt Escher. Die Anwesenheit von gut ausgebildeten ausländischen Augenzeugen verhindert, dass gewalttätige Übergriffe unbemerkt geschehen können und die Schwelle zur Gewaltanwendung höher wird. «Wir haben einen Beobachterstatus, mischen uns nicht ein und sind politisch unabhängig – wir sind einfach da», beschreibt Escher ihre Aufgabe.
Militärputsch 2009
Honduras ist den meisten Schweizern vielleicht als Vorrundengegner der letzten beiden Fussballweltmeisterschaften bekannt. Das Land ist dreimal so gross wie die Schweiz und zählt in etwa gleichviele Einwohner. Im Sommer 2009 putschte das Militär im Auftrag der herrschenden Oligarchie gegen den gewählten Präsidenten Manuel Zelaya. Das verarmte Land ist seither deutlich unsicherer geworden. Mit politischer Instabilität und zunehmender Gewalt hat sich auch die Menschenrechtslage gravierend verschlechtert. Drohungen, Verfolgungen, willkürliche Verhaftungen und Morde von bekannten Aktivisten, Oppositionellen und ärmeren Bevölkerungsschichten sind noch immer an der Tagesordnung. 95 Prozent der Tötungsdelikte bleiben unaufgeklärt. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 600 Journalisten ermordet. Dazu gilt Honduras als Drehscheibe im Drogenhandel zwischen Kolumbien und den USA.
Mauer mit Stacheldraht ums Haus
Gemeinsam mit zwei weiteren Schweizern von PWS, einer Französin sowie der Projektkoordinatorin lebte Escher in einem Haus mit Blick über die Hauptstadt Tegucigalpa. «Eine richtige Oase mit Mangobäumen im Garten», schwärmt Escher. «Natürlich mussten wir auch diverse Sicherheitsregeln befolgen. Wenn es dunkel wird, sollte man besser zuhause bleiben und wenn, dann nur mit einem Vertrauenstaxi unterwegs sein.» Das Haus war von einer hohen Mauer mit Stacheldraht umgeben. Wieso verschlägt es eigentlich eine junge Brigerin, die in Genf Internationale Beziehungen studiert hatte und anschliessend in Bern ihr Masterstudium in Politologie absolvierte, ausgerechnet in so eine unsichere Gegend? Escher zuckt mit den Achseln: «Während meiner Kollegiumszeit in Brig machte ich 2002 ein Austauschjahr. Ich wollte einfach in ein Land, wo es keinen Winter gibt und landete in Honduras. Seitdem fühle ich mich ihm verbunden.» Passiert ist Escher während ihres Aufenthalts in Honduras nichts. «Das einzige Mal, dass ich bisher beklaut wurde, war in Bern.»
Unsichere Zukunft
Prognosen über die Zukunft eines der ärmsten Länder auf dem amerikanischen Kontinent sind schwierig. Eine Kaste von Oligarchenfamilien hält weiterhin die Macht fest in den Händen. Etliche Probleme wie die Konzessionsrechte von Minen, Reformen im Landrecht und offene Gerichtsfälle sind weiter ungelöst. Kritische Stimmen prophezeien, dass Honduras unter dem Diktat amerikanischer Konzerne wieder zum Inbegriff der Bananenrepublik wird.
Martin Meul
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