Stalden | Porträt eines Tierarztes in Rente
«Ich konnte immer dort arbeiten, wo andere Leute Ferien machen»
Fast 15 Jahre lang deckte Arno Wintermantel als Tierarzt in Stalden das ganze Saaser- und Mattertal ab. Seit rund einem Jahr ist er nun im Ruhestand und kann sich ganz seinem grossen Hobby widmen, der Malerei. Ein Nachfolger konnte bis jetzt nicht gefunden werden.
Den Räumlichkeiten im ehemaligen Konsumgebäude in Stalden sieht man es kaum an, dass hier bis vor Kurzem ein Tierarzt gearbeitet hat. An den Wänden hängen selbst gemalte Bilder, in den Regalen liegen Kunstbände, auf einem kleinen Tischchen steht ein Schachspiel – Arno Wintermantel hat seine ehemalige Praxis in ein Atelier verwandelt. «Andere Menschen halten ihren Urlaub auf unzähligen Fotos fest, ich male Bilder. Denn wenn ich male, so schaue ich mir die Gegend genauer an», sagt er. Von jeder seiner ausgedehnten Reisen ist er mit vier bis fünf Bildern heimgekehrt. So sind im Laufe der Jahre über 200 Bilder entstanden. Als eines seiner Lieblingsbilder bezeichnet er eine Hafenszene in Cadaqués, einer kleinen, idyllischen spanischen Stadt nahe der französischen Grenze, wo der berühmte Salvator Dali seine Kindheit verbracht hatte. Im Atelier hängen auch Bilder aus Marokko, das er vor vielen Jahren mit seinem VW-Käfer erkundete. «Ein Araber wollte mir dort meine Frau abkaufen.» 50 Kamele und 20 Esel habe dieser ihm geboten, erzählt Wintermantel schmunzelnd und fügt an: Seine Frau habe er noch immer. Seit seiner Jugend malt der heute 69-Jährige, der sich überlegte, Maler oder Zeichenlehrer zu werden oder doch Landschaftsarchitekt. Am Ende entschied er sich für ein Tiermedizinstudium in München.» Doch die Kunst reizte ihn immer. Während seines Studiums in München schaute Wintermantel manchmal in der nahe gelegenen Kunstakademie vorbei und hätte dort sogar einen Studienplatz bekommen: «Aufgewachsen in Ihringen, einem kleinen Dorf zwischen Colmar und Freiburg im Breisgau, galt bei uns die Mentalität: Wenn du was angefangen hast, so ziehst du es auch durch.» So absolvierte er sein Studium und doktorierte in Ulm. Danach arbeitete er drei Jahre in Heilbronn und anschliessend fünf Jahre im Toggenburg. «Ich war nie auf der Suche nach einem möglichst lukrativen Job», erzählt Wintermantel, «viel wichtiger war es mir, in landschaftlich reizvollen Orten zu leben. Ich konnte immer dort arbeiten, wo andere Menschen Ferien machen.» Einer dieser Orte ist Lunac, ein kleines Dorf rund 100 Kilometer nordöstlich von Toulouse. «Auf der Heimreise vom Urlaub trank ich im Nachbardorf einen Kaffee und erfuhr zufällig, dass in der Gegend ein Tierarzt gesucht wurde.» 20 Jahre lang war er dann dort als Tierarzt tätig und schwärmt noch heute von seinem Haus aus dem 12. Jahrhundert, indem er lebte. «Auch heute noch, 15 Jahre später, werde ich auf der Strasse erkannt und spontan zum Essen eingeladen, wenn ich mal in Lunac zu Besuch bin», sagt er. Als seine einzige Tochter schulpflichtig wurde, wollte Wintermantel in ein deutschsprachiges Land ziehen. «In einer Fachzeitung las ich, dass im Wallis ein Tierarzt gesucht wird.» Damals wusste er gar nicht, wo genau dieses Wallis in der Schweiz ist. Der Deutsche bekam den Job in Stalden und bereut es nicht: «Durch meine Arbeit lernte ich hier wunderschöne Ecken kennen. Wo sonst kann ich ein Tier behandeln und im Hintergrund präsentiert sich mir ein Panorama mit Matterhorn?» In seinem weiträumigen Gebiet legte der Tierarzt jährlich 25 000 Autokilometer zurück. Das ist nicht jedermanns Sache und so gibt es bis jetzt keinen Nachfolger in Stalden. Nach 15 Jahren als Tierarzt verfolgt Wintermantel nun neue Projekte. Im Mai stellt er in Törbel seine Bilder aus.
Frank O. Salzgeber«Andere halten
ihren Urlaub auf
Fotos fest, ich
male Bilder»
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar