Brig-Glis | Helen Kifle flüchtete aus Eritrea ins Oberwallis
«Ich bin dankbar, hier zu sein»
Helen Kifle kam als Asylsuchende ins Wallis. Ohne Deutsch und ohne Ausbildung. Heute lebt sie mit Mann und Tochter in Brig und sagt: «Ich fühle mich integriert.»
Die heute 24-jährige Helen kommt in Äthiopien zur Welt. Mit sechs Jahren wird sie und ihre Familie aus politischen Gründen nach Eritrea ausgewiesen. «Damals befanden sich die beiden Länder im Krieg gegeneinander und da wir aus Eritrea stammten, wollten sie uns nicht mehr bei sich haben», erklärt sie. Sie absolviert dort die Schule und wird danach in die Armee eingezogen. «Der Krieg gegen Äthiopien war dann zwar vorbei, aber das Militär hat die Macht übernommen.» Dieses würde seither sämtliche Bereiche des Landes kontrollieren. Wie sie sagt, sei es darum jungen Menschen gar nicht möglich, eine Ausbildung zu machen. Alle würden nach der Schule in die Armee aufgenommen. Dort bekämen die Menschen dann nebst der militärischen Ausbildung verschiedene Aufgaben im öffentlichen Leben. «Die Armee hat in allen Bereichen das Sagen. Kost und Logis wird organisiert. Lohn oder aber Zukunftsperspektiven gibt es nicht.»
Flucht nach Europa
2012 gelingt Helen die Flucht zu Fuss nach Äthiopien: «Damit absolut niemand das Land verlassen kann, wird die eritreische Grenze komplett überwacht.» Die Flucht gelingt. In Äthiopien angekommen, nimmt sie Kontakt auf mit Medhanie. Er stammt ebenfalls aus Eritrea und die beiden kennen sich aus früheren Zeiten. Medhanie floh bereits zu einem früheren Zeitpunkt, erhielt einen positiven Asylentscheid und war zum damaligen Zeitpunkt bereits im Wallis. Medhanie und Helen unterhalten engen Kontakt und verlieben sich ineinander. Sie heiraten in Äthiopien und Medhanie beantragt anschliessend in der Schweiz den Familiennachzug. Eines Tages landet Helen in Genf. «Da war ich plötzlich. In einem mir völlig fremden Land und fremder Kultur.» Trotzdem sei sie erleichtert und überglücklich gewesen, hier sein zu dürfen, wo Demokratie und Meinungsfreiheit zur Selbstverständlichkeit gehören würden. «Wenn man sich in Eritrea kritisch äussert, wird man sofort ins Gefängnis gesteckt», sagt sie. In einer ersten Phase nach ihrer Ankunft besucht Helen einen intensiven Deutschkurs. Danach wird sie schwanger und bringt die kleine Efrata zur Welt. Danach unterbricht sie für einige Zeit den Deutschkurs und fängt danach wieder an. Mit Erfolg. Heute spricht Helen ausgezeichnet Deutsch und versteht Dialekt. «Ich antworte aber auf Hochdeutsch», sagt sie augenzwinkernd. Medhanie arbeitet im Schichtbetrieb bei der SBB, spricht ebenfalls ausgezeichnet Deutsch und die kleine Efrata wird regelmässig in der Kinderkrippe betreut. So kann Helen die Ausbildung zur Coiffeuse in Fiesch machen. Dort absolviert sie das erste Lehrjahr und ist begeistert. «Mein Lehrmeister Lothar unterstützt mich wo er kann und steht mir immer zur Seite. Er ist ein ganz toller Mensch.»
Kein Internet, nur Telefon
Auf die Frage, ob sie sich integriert fühlt, antwortet sie mit Ja und erklärt, dass sie sogar Fondue und Raclette gerne esse. «In Eritrea wird vor allem scharf gekocht. Solche Gewürze kann man hier gar nicht kaufen.» Trotzdem koche sie noch oft eritreisch. Die dafür nötigen Zutaten besorgt sie sich in Spezialgeschäften in Lausanne oder Genf. Eine grosse Hilfe für ihre erfolgreiche Integration seien auch ihre Vermieter, Familie Escher. Sie würden ihnen immer helfen und hätten stets ein offenes Ohr. Hat sie noch Kontakt zu ihrer Familie in Eritrea? «Ja. Und es geht ihnen gut.» Per Telefon sei es möglich. Internet gebe es nur in grossen Zentren, aber auch dort nicht immer. Sie sei froh, hier sein zu dürfen und dankbar für alles, was ihnen hier ermöglicht werde. Sie sagt: «Eritrea ist meine Heimat, das Oberwallis mein Zuhause.»
Peter Abgottspon
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