Albinen | Bernard Mathieu erlebte alles
Geiselnahme – Sklavenmarkt – Flugzeugabsturz
Er reiste in über 70 Länder. Er war Geisel in einem Flugzeug. Er war Gast auf einem Sklavenmarkt. Bernard Mathieu (65) hat in seinem Leben vieles gesehen und spricht über seine Erfahrungen.
«Jeder Mensch muss sich in einem fremden Land und einer fremden Kultur anpassen», sagt Bernard Mathieu. Es gehe nicht, dass Frauen mit Schleier durch die Schweizer Strassen laufen. Genauso wenig, wie man nicht mit Schuhen an einem muslimischen Gebet in einer Moschee teilnehme. Mathieu weiss, wovon er spricht. Er reiste in 72 Länder und lernte die unterschiedlichsten Kulturen kennen. Er blickt zurück.
Stolz auf Albinen
Bernard Mathieu ist in Genf geboren. Obwohl seine Mutter aus dem Goms (Reckingen) und sein Vater aus Albinen stammt, leben seine Eltern in der Stadt Genf. Bis zum Schulalter verbringt Mathieu jedoch unzählige Stunden im Oberwalliser Bergdorf Albinen, wo er mit seiner Grossmutter aufwächst. «Egal, in welchem Land ich war, ich habe nie vergessen, woher ich komme», sagt er. Mathieu ist stolz auf seine Wurzeln. Er ist stolz auf Albinen. Im Schulalter lebt er dann in der Calvin-Stadt und arbeitet später in einer beratenden Funktion, jedoch auch als Investmentbanker für eine Bankgesellschaft. Dabei verbringt er viel Zeit im Ausland und baut sich dort einen breiten Kundenstamm auf. Mathieu ist in seinem Job erfolgreich und verbringt viel Zeit in Afrika und Asien. Neben seines beruflichen Engagements findet er zwischendurch Zeitfenster, um Teile der Länder besser kennenzulernen. So geschehen ist dies auch vor zig Jahren in Indien, wo er bereits vier Tage vor seinem Rückflug in die Schweiz sämtliche Kundentermine wahrgenommen hat. «Ich liess mich damals in Delhi stets vom selben Taxifahrer chauffieren und bat ihn, mich einmal an einen Ort in der Stadt zu bringen, an dem ich noch nie war.» Der Taxifahrer erfüllt Mathieus Wunsch. Der Banker soll sich noch ein Leben lang an diese Reise erinnern.
Der Besuch auf dem Sklavenmarkt
«Einige Stunden vor der Fahrt ins Ungewisse informierte mich der Fahrer darüber, dass ich mich wie ein Einheimischer einkleiden müsse.» Mathieu geht auf einen Markt und kauft sich Kleider, wie sie nur die Menschen in Indien tragen. Zudem befolgt er den Rat, dass er in jeder Tasche ein bisschen Kleingeld mitführt. Jedoch nicht zu viel Geld in den jeweiligen Taschen. Dann geht es los. Der Fahrer fährt mit Mathieu zur «verbotenen Stadt». Ein Ort, den kein Tourist betreten darf. Ein Ort, der vor den Eingängen von Polizeikräften überwacht wird. In der «verbotenen Stadt» wird der Albiner Zeuge von Menschenhandel. Frauen werden zum Verkauf angeboten. «So etwas habe ich noch nie gesehen», erinnert er sich zurück und fällt einen Entscheid: «Ich wollte eine Frau kaufen, um ihr anschliessend die Freiheit zu schenken», sagt er. Sein Chauffeur und Kollege redet ihm die Idee schnell aus. «Er meinte, ich müsste die Frau dann mitnehmen in die Schweiz, sonst würde sie einige Tage später von sich aus wieder auf den Sklavenmarkt gehen.» Die Frauen auf dem Markt hoffen laut Aussage des Chauffeurs, dass sie von einem liebevollen Mann «gekauft» werden, der für sie sorgt. Mathieu sagt heute: «Diese Bilder werde ich wohl nie mehr vergessen, diese Begegnungen haben mich geprägt.»
Geisel in einem Flugzeug
Der Besuch in der «verbotenen Stadt» in Delhi ist nicht die einzige Erinnerung, die Mathieu nicht mehr vergisst. Eine andere Situation spielt sich vor über 40 Jahren in Kenia ab. Die politische Lage im afrikanischen Land ist instabil, als der Banker mit seiner damaligen Freundin in einem Flugzeug sitzt, das bald in Kenia landet. Auf dem Festland angekommen, folgt direkt die Aufforderung, dass nur Frauen und Kinder das Flugzeug verlassen dürfen. «Als ich das hörte, wusste ich sofort, es handelt sich um eine Flugzeugentführung», sagt Mathieu. Er sollte recht behalten. 26 Stunden sitzt er anschliessend im Flugzeug fest, ehe eine Einheit der Armee die Passagiere befreit. Wenn er heute zurückblickt, sagt er mit einem Augenzwinkern: «Das war der einzige Moment im Leben, in dem ich lieber eine Frau als ein Mann gewesen wäre.» Es sollte jedoch nicht das einzige Mal sein, dass Mathieu in einem Flugzeug Angst hat. Während eines Urlaubs auf den Seychellen sitzt er in einem Flugzeug, das abstürzt. «Im Flieger fanden zehn Passagiere Platz, sodass ich neben dem Pilot sitzen durfte», sagt er. Der Pilot kann den Flieger aus Turbulenzen nicht befreien und stürzt auf eine Insel ab. Mathieu hat Glück im Unglück: Alle Passagiere bleiben unverletzt. Vergessen wird er den Vorfall nicht. Er will es auch nicht. Deshalb schreibt er zurzeit an einem Buch über die gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen in all den fremden Ländern.
Simon Kalbermatten
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar