Kolumne | Diese Woche zum Thema
Gefahrenherd Munitionsdepot Blausee-Mitholz
Was ist zu tun, um die Munition in Blausee-Mitholz fachgerecht zu entsorgen? Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger im Wortgefecht.
Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier
Wird Viola Amherd den SVP-Sauladen aufräumen?
1995 wehrte sich Adolf Ogi mit Händen und Füssen gegen seine Versetzung in das EMD. Sein Argument: Er wolle nicht in der «Nationalliga B» spielen. Damals teilten FDP und SP die wichtigen Departemente unter sich auf. Diesmal haben SVP und SP dies genau gleich gemacht. Und deshalb landete Viola Amherd im VBS.
Seit 1995 bis heute war und blieb das VBS ein SVP-Departement. Mit mehr als 11 000 Vollzeitstellen und Kosten von zehn Milliarden Franken pro Jahr. Im Wallis haben wir nach 23 Jahren SVP davon wenig bis nichts. Nicht einmal das Sportzentrum kam nach Fiesch, weil der damals zuständige SVP-Staatsrat gleich zwei Dossiers nach Bern schickte.
CVP-Präsident Gerhard Pfister ist kein Freund von Viola Amherd. In einem Punkt hat Pfister aber recht: Guy Parmelin beging nach drei Jahren feige Fahnenflucht. Amherd müsse jetzt den «SVP-Sauladen» aufräumen.
«Jeder Hündeler muss nach dem Gagel seines Lieblings greifen»
Die grösste bekannte Sauerei, die Adolf Ogi, Samuel Schmid, Ueli Maurer und Guy Parmelin hinterliessen, sind 3500 Tonnen nicht explodierte Munition im Bereich Blausee-Mitholz. Die Pillen-Fabrik der Armee und die Truppenunterkünfte wurden wegen hoher Gefahr geschlossen. Ich habe mehrere WKs in der jetzt geräumten Gefahrenzone geleistet.
Jeder Hündeler muss nach dem Gagel seines Lieblings greifen, um diesen zu entsorgen. Die Gemeinde Kandergrund verlangt: Die Munition muss fachgerecht entsorgt werden. So, wie das in Deutschland mit jeder einzelnen 500-Kilo-Bombe geschieht.
In Blausee-Mitholz lagert 7000 Mal so viel Munition, wie in Köln entschärft wurde. Wenn es vor oder während der Aufräumarbeiten zu einer Explosion in Blausee-Mitholz kommt, dann ist Kandersteg, dann ist der Autoverlad Richtung Wallis nur mehr über einen Waldweg erreichbar. Das heisst nicht mehr.
Ab 2020 ist die Strecke von Spiez bis Kandersteg Teil des Nationalstrassennetzes. Bevor die Armee mit den gefährlichen Aufräumarbeiten beginnt, muss man zwischen Frutigen und Kandersteg linksufrig Tempo Teufel einen Autotunnel bauen. So, wie das der SP-Grossrat Werner Jordan verlangt. Ingenieur Peter Teuscher kann das. Der «Frutigtaler» hat ausführlich über diesen sinnvollen Vorstoss berichtet.
Nutzt Viola Amherd diese Chance, endlich die SVP-Gagel aufzuräumen? Eher nicht. Aber die Hoffnung stirbt ja immer zuletzt.
Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller
Kleinholz bei Mitholz
Im Zweiten Weltkrieg wurden in der Nähe von Mitholz 7000 Tonnen Munition in einer Galerie gelagert. Im Jahre 1947 explodierte ein Teil davon, was neun Todesopfer forderte. Daraufhin wurde ein Teil der Munition evakuiert, der Rest – geschätzte 3500 Tonnen – verblieb in der Galerie oder liegt seither unter Geröll verschüttet.
Expertenberichte aus den Jahren 1949 und 1986 kamen zum Schluss, dass eine Explosion nicht auszuschliessen sei, aber nur innerhalb der Anlage geringe Schäden zur Folge haben würde.
Nun befand ein vom VBS in Auftrag gegebener und von unabhängigen deutschen Experten bestätigter Bericht, dass eine Explosion auch in unmittelbarer Nähe des Lagers Schäden anrichten könnte. Angesichts des Umstandes, dass die gesetzlichen Vorschriften im Sicherheitsbereich in den letzten Jahren verschärft wurden, sei die zumutbare Risikogrenze überschritten und es müsse eine Risikoverminderung ins Auge gefasst werden. Als erste Massnahmen schloss das VBS die auf dem betreffenden Areal noch bestehenden Infrastrukturen und verzichtete auf die in der Nähe vorgesehene Etablierung eines Rechenzentrums.
Sofort sprang die «Rote Anneliese» auf das Thema auf – wie auf jeden Furz, der Sprengkraft hat – und ein SP-Ableger im Parlament forderte den «vorgängigen Bau eines Tunnels zwischen Frutigen und Kandersteg», um den Autoverkehr weiterhin zu gewährleisten, sollte die Strasse im Fall einer Räumung gesperrt werden müssen. Zudem war im Vorstoss von zwei Milliarden Franken Kosten die Rede.
Nun, so schnell schiessen die Preussen nicht. Zuerst braucht es eine eingehende geologische und technische Untersuchung, damit die mit dem Problem beauftragte Arbeitsgruppe das Ausmass und die Kosten einer Intervention abschätzen kann. Die bisherigen Berichte gehen von Szenarien aus, die einen gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad aufweisen, aber noch durch konkrete geologische und technische Fakten erhärtet werden müssen. Falls eine Evakuierung eines Teils der Munition notwendig sein sollte, müsste die Strasse für ein paar Wochen gesperrt werden. Im Fall einer Gesamtevakuierung könnte die Sperrung Jahre dauern, was für den Autoverlad und den Kanton Wallis in der Tat gravierende Einbussen mit sich bringen würde.
Dass dann das VBS für die Kosten geradezustehen hätte, ist nach dem Verursacherprinzip wohl das Mindeste. Da zudem seit ein paar Tagen eine Walliserin dem VBS vorsteht, darf sich das Wallis erhoffen, dass das Dossier – mit oder ohne Zusatztunnel – besonders sorgfältig und im Interesse unseres Kantons behandelt wird.
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Kommentare
Leon Joseph Arnold, Brig-Glis - ↑7↓0
Ich war dazumal von dieser Katastrophe insofern betroffen als ich bei den Marianhiller im St. Josef-Gymnasium in Altdorf mein erstes Lateinsemester absolvierte. Am 19. 12. 1947 wurden wir in die Weihnachtsferien entlassen. Wir stiegen fröhlich gestimmt in Altdorf in den Zug, der uns über Luzern, durchs Entlebuch nach Thun und via Kandersteg nach Brig bringen sollte. In Luzern erst vernahmen wir vom Explosionsunglück in Blausee-Mitholz. Auch wir wussten vorerst nicht mehr weiter, da die SBB ihre Fahrpläne entsprechend umstellen musste. Wir wurden in den Wartsaal geführt – für wie lange kann ich mich nicht mehr entsinnen. Irgendwann am späten Abend kamen wir dann über Bern und Lausanne in Brig an.
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