Weltausstellung | Mailand

Farbenfrohes Treiben auf dem Expogelände in Mailand

An der Weltausstellung in Mailand gibt es viel zu sehen.
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Quelle: RZ 0

So nahe war uns die Weltausstellung noch nie. Zeit für einen Abstecher nach Mailand. Eine Weltreise in acht Stunden.

8.45 Uhr Brig Bahnhof: Am Bahnsteig tummeln sich nur wenige Menschen. «Wo bleiben die Menschenmassen?», frage ich mich verwundert. Die Antwort darauf sollte gleich folgen. Drei Minuten später fährt der Eurocity-­Extrazug nach Rho Fiera pünktlich ein. Im Zug herrscht gähnende Leere. 10 Personen befinden sich mit mir im Abteil. Das geringe Besucheraufkommen im Zug Richtung Expo Mailand, die übrigens unter dem Motto «Den Planeten ernähren, Energie für das Leben» steht, überrascht mich.
10.44 Uhr Rho Fiera: Mit schweizerischer Pünktlichkeit treffe ich am Messebahnhof ein. Am sauberen und neu gebauten Bahnhof ist es ruhig, auch hier suche ich vergeblich nach grossen Menschenmassen. Nur die Durchsagen über verspätete italienische Züge unterbrechen die Ruhe.Keine drei Minuten später befinde ich mich am Eingang zur Expo. Zu meiner Überraschung erwarten mich Sicherheitskontrollen, wie man sie von Flughäfen kennt. Mit italienischer Hektik werde ich zurechtgewiesen, als ich beim Durchqueren der Sicherheitsdetektoren das Mobiltelefon in der Hosentasche vergesse: «Che cosa fai lì», meint der italienische Sicherheitsbeamte und fuchtelt wild mit seinen Händen umher. Nach der kurzen Aufregung habe ich es endlich geschafft. Expo erreicht. Ich gönne mir zuerst einen Schluck Wasser und blicke über das riesige, prall gefüllte Gelände. Entgegen der ruhigen Zugfahrt herrscht auf dem Expogelände ein Riesenrummel. Man wird von Eindrücken regelrecht erschlagen. Insgesamt präsentieren sich 145 Länder in verschiedenen Pavillons auf dem Mailänder Messegelände.

Der erste Eindruck zählt

Erster Halt Irland. Nein, nicht weil ich eine Vorliebe für irisches Guinness-Bier habe. Es hat praktische Gründe. Der irische Pavillon befindet sich direkt am Anfang des scheinbar endlos langen «Expostrips», entlang dessen sich die verschiedenen Länder in teilweise prunkvollen Bauten präsentieren. Die ersten Eindrücke sind positiv. Besonders die Darbietung einer irischen Folkloreband überzeugt mich. Der Pavillon von Irland, bei dem sich alles um das Thema Nachhaltigkeit dreht, macht Lust auf mehr. Gleich gegenüber präsentiert sich das Land Angola im prunkvollen Stil. Im Mittelpunkt stehen die nachhaltige Ernährung und die verschiedenen einheimischen Produkte. Nicht unweit davon entfernt der sudanesische Pavillon, der sich von aussen her schick präsentiert, im Innern aber eher einem Ramsch­laden gleicht. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Regeln und Gesetzmässigkeiten der Realität – sie scheinen an der Expo nicht zu existieren.

Typisch schweizerisch

Auf den ersten Blick etwas unspektakulär kommt der Schweizer Pavillon daher. Das Hauptgebäude besteht aus grauen Türmen, die jeweils mit Kaffee, Salz, Apfelringen und Wasser gefüllt sind. Jeder Besucher darf sich bedienen. Die Reise durch die Türme soll darauf hinweisen, nachhaltig mit Ressourcen umzugehen. Je mehr die Besucher einpacken, desto weniger bleibt für die nächsten Gäste übrig – nachgefüllt wird nicht. Ich entscheide mich für eine Packung mit zwei getrockneten Apfelringen. Die einstündige Wartezeit soll schliesslich belohnt werden, denke ich.
In die Türme gelangt man übrigens per Aufzug. Typisch schweizerisch muss zuerst eine Eintrittskarte bezogen werden, auf der die genaue Uhrzeit des Einlasses notiert ist. Wer zu früh erscheint, wird weggewiesen. Ohne Wartezeit zugänglich sind hingegen diverse weitere Ausstellungen im Erdgeschoss des Pavillons (unter anderem der Ausstellungsbereich der Gotthard-Partnerkantone und die Stadt Zürich). Passend zum Thema Welternährung präsentiert sich neben dem Hauptgebäude der Schweizer Nahrungsmittelmulti Nestlé, der zu meiner Verwunderung in Mailand keine Produktmesse veranstaltet, wie andere Konzerne. Nach rund einer Stunde verlasse ich den Schweizer Pavillon mit gemischten Gefühlen. Die schlichten, klaren Strukturen des Pavillons untermauern den nüchternen, aber funktionalen Auftritt der Schweiz in Mailand. Auf der einen Seite überzeugt mich die Botschaft der Schweiz, die darauf hinausläuft, dass die Menschen über ihr Konsumverhalten nachdenken sollen. Auf der anderen Seite ist die Umsetzung nicht ganz gelungen, da das Thema durch die Leere und Einfachheit irgendwie verloren geht bzw. den Besucher nicht erreicht.

Die Reise geht weiter

Inzwischen meldet sich mein Magen zu Wort. An kulinarischer Auswahl mangelt es zum Glück nicht. Gegessen wird in Mexiko. Die überteuerten und winzigen Tacos reichen knapp aus, um meinen Hunger in der brütenden Hitze von Mailand zu stillen. Weiter geht die Reise durch Dutzende zum Teil wunderschönen Pavillons. Die Russen zeigen nach aussen hin gewohnt Einheit und Stärke, im Innern verarbeiten sie die kommunistische Vergangenheit mit diversen Bildern. Katar freut sich bereits auf die bevorstehende Fussballweltmeisterschaft und lädt die Besucher auf eine kulinarische Reise durch den arabischen Wüstenstaat ein. Turkmenistan scheint das Thema der Expo etwas zu vernachlässigen und präsentiert stattdessen seinen «Präsidenten» mit dem klingenden Namen Gurbanguly Berdimuhamedow. Die grösste Menschenmasse ist vor dem Pavillon der Deutschen zu finden. Ecuador präsentiert sich kunterbunt, währenddem Südkorea mit schlichten Weisstönen zu überzeugen vermag. Kurz zusammengefasst: Das Thema Welternährung kommt überall zur Geltung. An fast jeder Ecke wird gegessen. Auch wenn einige Pavillons den Verhältnissen der jeweiligen Länder keineswegs entsprechen, die Expo macht Spass, erzeugt Emotionen und schafft Problem­bewusstsein. Trotzdem stelle ich mir die Frage: Wie zeitgemäss ist eine mit horrenden Kosten verbundene Weltausstellung? Nach gefühlten 50 absolvierten Kilometern verlasse ich erschöpft, aber glücklich das Messegelände Richtung Bahnhof. Auch die einstündige Verspätung des Zuges zurück ins Wallis kann meine Stimmung nicht mehr trüben. Ein Abstecher nach Mailand lohnt sich definitiv.

Christian Berchtold

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