Portrait | Malerin Esther Gischig aus Baltschieder
«Es geht um Nacktheit und Verletzlichkeit»
Malerin Esther Gischig geht es bei ihrer Kunst um die Darstellung von Nacktheit und Zerbrechlichkeit. Das Angezogene interessiert die Künstlerin nicht.
Fragt man Esther Gischig nach ihrem Stil, so antwortet sie: «Das, was ich tue, ist für mich Ausdrucksmalen. Ich male im Moment gegenständlich und versuche dabei eine Atmosphäre zu schaffen.» Emotionen würden eine wichtige Rolle spielen und Licht sei von zentraler Bedeutung. Vielleicht sei ihr Malen aber auch eine Suche nach Berührung und der Ausdruck der Hoffnung, etwas Beseeltes zu finden, so die Künstlerin.
«Es fehlte die Leere»
Gemalt habe sie eigentlich immer, sagt die Künstler, wenn sie auf ihr Schaffen zurückblickt. Nach der Lehre zur Hochbauzeichnerin besuchte sie für ein Jahr die Kunstgewerbeschule in Sitten. Anschliessend machte sie eine Ausbildung zu Krankenschwester. «Damals fehlte mir etwas der Mut, voll auf das Malen zu setzen», sagt Gischig rückblickend. «Ich hatte das Gefühl, etwas ‹Sinnvolles› tun zu müssen, also arbeitete ich im Spital.» Dann kamen die Kinder, drei an der Zahl und mit ihnen eine Zeit, in der Esther Gischig nicht mehr zum Pinsel greifen konnte. «Es fehlte mir an innerer Ruhe und Leere», sagt sie.
Ernste Porträts
Als das jüngste Kind dann in die Schule kam, begann Gischig wieder mit dem Malen. «Es war, als wäre ein Damm gebrochen», so die Künstlerin. «Das alles ging direkt sehr tief.» Gischig begann Selbstporträts zu malen, farbenfrohe Werke, doch mit sehr ernsten Gesichtsausdrücken. «Für diese Porträts musste ich mir in einem Spiegel stundenlang in die Augen schauen», sagt Gischig. «Schauen, malen, schauen, malen.» Ihr ernster Gesichtsausdruck auf Porträts rühre daher, erklärt die Künstlerin. «Man kann unmöglich über Stunden hinweg in einen Spiegel grinsen», sagt sie. Erst als sie mit dem Malen eines Porträts fertig gewesen sei, habe sie einen Schritt zurückgemacht, und das Bild gesamthaft betrachtet. «Ich bin jedes Mal erschrocken», sagt Esther Gischig. «Die Bilder haben etwas ganz tief in mir berührt, genauer kann ich das aber nicht erklären.» Dennoch sagt die Künstlerin, dass die Selbstporträt immer «gestimmt» hätten. Bis auf ein einziges Mal. «Ich hatte mir beim Snowboarden ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen», erzählt die Künstlerin. «Als ich das erste Bild, das ich nach dem Unfall gemalt hatte, anschaute, dachte ich: ‹Das bin nicht ich!›» Für Gischig eine einschneidende Erfahrung. «Ich wurde mir bewusst, dass mein Körper, mein Geist und meine Seele eine Einheit sind. Was ich male, entspringt dieser Einheit und wenn ein Teil davon beeinträchtigt ist, so hat dies gewaltige Konsequenzen auf das, was ich schlussendlich auf die Leinwand banne. Diese Erkenntnis hat mich demütiger werden lassen.»
Mandalas und Akte
Nach der Phase der Selbstporträts wandte sich Gischig dem Malen von Mandalas zu. «Wie und warum eine Phase für mich endet, ist schwer zu sagen», so die Künstlerin. «Allerdings spüre ich sehr klar, wann es so weit ist, wann etwas Neues angesagt ist.» So sei es auch bei den Mandalas gewesen, genauso wie in der Zeit, in der sie Aktbilder von sich selbst gemalt habe. «Als ich die Akte von mir selbst malte, merkte ich plötzlich, dass ich jetzt damit aufhören muss, weil mir diese Bilder nicht mehr guttaten. Die geweckten Emotionen waren zu stark und auch schmerzhaft», blickt die Künstlerin auf diese Phase zurück.
Das Zerbrechliche behüten
Zurzeit malt Esther Gischig vor allem Meerestiere und Bäume. Jedoch keine Bäume mit saftigen Blättern, sondern eher kahle, teilweise auch tote Gebilde. «Es ist ähnlich wie bei den Porträts», erklärt die in Baltschieder wohnhafte Künstlerin. «Der angezogene Mensch hat mich nie interessiert. Es geht mir um Nacktheit und Verletzlichkeit. Darum sind auch meine Bäume ‹nackt›. Dadurch, dass ich die Nacktheit und mit ihr die Verletzlichkeit der Dinge male, zeige ich auch, dass dort etwas ist, das es zu behüten gilt.»
Martin Meul
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