Region | Die Glückskette feiert Geburtstag

«Die Schweiz ist Weltmeister im Spenden»

Direktor Tony Burgener will die Glückskette fit für das digitale Zeitalter machen.
1/1

Direktor Tony Burgener will die Glückskette fit für das digitale Zeitalter machen.
Foto: zvg

Quelle: RZ 0

Tony Burgener ist der Direktor der Glückskette. Zum 70. Geburtstag des Hilfswerks spricht er über Spendenbereitschaft, Transparenz und warum die Glückskette nicht für die Erdbebenopfer in Italien sammelt.

Tony Burgener, kommenden Montag feiert die Glückskette ihren 70. Geburtstag. Ein Grund zur Freude?
Natürlich. In den letzten 70 Jahren haben wir unzählige Millionen für von Katastrophen betroffene Menschen sammeln können. Damit konnten wir viel Leid lindern und Tausenden Menschen helfen. Grund zum Feiern haben wir auch, weil die Schweiz ein äus­serst solidarisches Land ist, in dem die Menschen immer wieder bereit sind, schnell und mit grossen Beträgen zu helfen. Klar muss es immer zuerst ­eine grosse Katastrophe geben, bevor wir zum Zuge kommen. Das gehört jedoch zu unserem Alltag, weshalb dieser Umstand die Freude über unser Jubiläum nicht trübt.

Schaut man sich die Medien an, so hat man das Gefühl, die Katastrophen nähmen stetig zu. Wie sehen Sie das?
Die Katastrophen nehmen in der Tat zu. Die Auswirkungen des Klimawandels tragen dazu massgeblich bei.

Also hat die Glückskette immer mehr zu tun?
Wir fokussieren unsere Arbeit sehr, das heisst, wir können nicht für jede Katastrophe sammeln. Entsprechend haben wir gewisse Richtlinien, wann wir zum Spenden aufrufen. Andererseits ist es auch so, dass viele Länder heute besser auf Katastrophen reagieren können, als sie es in der Vergangenheit konnten. Die Arbeit geht uns aber sicher nicht aus.

Welche Richtlinien hat die Glückskette dafür, wann sie aktiv wird?
Die Menschen müssen wissen, dass die Katastrophe überhaupt stattfindet. Es ist sehr schwer, für etwas zu sammeln, über das die Medien nicht berichten. Zweitens müssen die betroffenen Länder unsere Hilfe auch wollen. Beim Erdbeben in Italien hat die Regierung direkte Hilfe aus dem Ausland beispielsweise abgelehnt. Darum haben wir in diesem Fall auch keine Spendenaktion gestartet.

Es wird viel davon gesprochen, dass die Welt immer egoistischer wird. Spüren Sie das bei der Spendenbereitschaft?
Nein, die Schweiz ist immer noch Weltmeister im Spenden. Die humanitäre Tradition in der Schweiz ist nach wie vor sehr fest verwurzelt, was sich daran zeigt, dass in der Schweiz Geld für Katastrophen gesammelt werden kann, für die es in anderen Ländern schwer ist, die Menschen zum Spenden zu bewegen.

Können Sie ein Beispiel geben?
Der Krieg in Syrien und die damit verbundene Flüchtlingswelle. Seit 2012 haben wir weit über 50 Millionen Franken gesammelt, um den Betroffenen helfen und die Folgen des Konflikts mindern zu können. In anderen Ländern verzichten Hilfsorganisationen auf Sammlungen, weil sie nicht funktionieren würden.

Diese grosse Solidarität hat zur Folge, dass die Menschen auch wissen wollen, was mit den Spenden geschieht. Welchen Stellenwert hat Transparenz für Sie?
Einen enormen. Die Glückskette hat in den vergangenen Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um die Transparenz zu verbessern. Heute ist es so, dass man bei uns jeden Franken nachverfolgen kann. Wichtig dabei ist auch, dass wir durch die gesammelten Spenden vor Ort eine echte Wirkung erzielen. Es reicht nicht, ein Schulhaus zu bauen, sondern die Schule muss auch gut funktionieren. Das Vertrauen wächst dank dieser Massnahmen. Sie spielt eine sehr grosse Rolle, damit wir auch weiterhin erfolgreich für die Opfer von Katastrophen sammeln können.

Wie stellen Sie sicher, dass die Gelder vor Ort ordnungsgemäss verwendet werden?
Früher haben wir uns die Projekte vor und nach der Realisierungsphase angeschaut. Heutzutage tun wir dies auch während der Umsetzung, um bei Schwierigkeiten schnell reagieren zu können. Aber es ist klar, dass es immer wieder einmal Komplikationen geben kann. Doch, wo gibt es solche Schwierigkeiten nicht?

Welches sind die Herausforderungen für die nächsten Jahre?
Das Sammeln von Spenden läuft heutzutage zunehmend über die sozialen Medien und über mobile Kommunikationsgeräte ab. Dieser Entwicklung müssen wir uns anpassen, damit wir auch weiterhin erfolgreich arbeiten können. Auf der anderen Seite hat sich auch die Arbeit in den Krisenre­gionen verändert. Eine «Von-oben-herab-Herangehensweise» funktioniert heute nicht mehr. Wenn wir heute in einer Katastrophenregion helfen wollen, sind wir darauf angewiesen, dass unsere Partner gut mit den Hilfsorganisationen vor Ort zusammenarbeiten. Auch hier sind stetige Anpassungen nötig und es warten immer wieder neue Herausforderungen. Patentrezepte für die Hilfe bei einer Katastrophe gibt es nicht mehr.

Und was wünschen Sie sich?
Natürlich wünsche ich mir, dass unser Land auch in Zukunft die Prinzipien von Solidarität und Hilfsbereitschaft in der ganzen Welt hochhält.

Martin Meul

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31