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Die Leichtigkeit des Ueli Steck

Es sieht so leicht aus. Ueli Steck beim Eisklettern am Khumbu-Gletscher in Nepal.
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Es sieht so leicht aus. Ueli Steck beim Eisklettern am Khumbu-Gletscher in Nepal.
Foto: (FOTO: ROBERT BöSCH)

Quelle: RZ 0

Ueli Steck ist vielleicht der beste Schweizer Bergsteiger aller Zeiten. Eines ist er ganz sicher – ein Symbol dafür, dass alles irgendwie leicht sein kann.

Extrembergsteiger Ueli Steck befindet sich derzeit auf Vortragsreise durch die Schweiz. Vergangene Woche machte er auch im Visper La Poste halt. Im Gepäck ein Vortrag über seine Abenteuer an der Annapurna-Südwand im Himalaja und seine Besteigung aller Viertausender der Alpen in 62 Tagen.

Steck und die Leichtigkeit des Seins
Im Jahr 2013 gelang Steck etwas, das vor ihm noch niemand geschafft hatte. Im Alleingang durchstieg er die Südwand des 8091 Meter hohen Annapurna in Nepal. Ein Meilenstein in der Geschichte des Bergsteigens, denn Steck benötigte für Auf- und Abstieg nur 27 Stunden. Wie oft in Stecks Karriere wurde diese Leistung von Misstönen begleitet. Steck habe keinen Beweis, dass ihm der Durchstieg der Wand gelungen sei, die Aussagen seiner Bergsteigerfreunde seien nicht glaubwürdig. Im gut gefüllten La Poste beschrieb Steck, wie es dazu kam, dass ein Beweis der Leistung nicht möglich war. Steck, auf der Suche nach einem Unterschlupf, wollte ein Foto der Wand machen, die er zu durchsteigen gedachte. Dabei wurde er von einer kleinen Lawine erfasst, konnte sich gerade noch so in der Wand halten. «Als kein Schnee mehr von oben herabkam, waren meine Fotokamera und einer meiner Handschuhe weg», beschreibt Steck diese Episode. Steck wäre jedoch nicht Steck, wenn er sich davon hätte beeindrucken lassen. Er zog sich einen Ersatzhandschuh an und durchstieg die Wand. «Die Bedingungen waren einfach gut, ich kam gut vorwärts und irgendwann stand ich ganz oben», sagt der Berner dazu. Es sind Aussagen wie diese, die Steck zu einem Symbol für Leichtigkeit machen. Der Durchstieg der Annapurna-Südwand wird in seiner Erzählung zum lockeren Nachmittagsspaziergang. «Klettern im fünften oder sechsten Schwierigkeitsgrad ist für mich Gehen im Fels.» Als Zuhörer kommt bei solchen Aussagen irgendwie ein Gefühl von Kleinheit auf. Welcher Mensch, ausser Ueli Steck, ist schon zu solchen Leistungen in der Lage? Doch «The Swiss Machine», wie Steck auch genannt wird, schafft es gleichzeitig, die Zuversicht zu vermitteln, dass alles doch leicht sein kann, und zwar für jeden. Man kann einfach nur loslegen und dann weitermachen. Steck als Prophet der Leichtigkeit des Seins. Doch nachdem Ueli Steck die Annapurna-Südwand bezwungen hatte, kamen auch ihm ein paar kleine Zweifel. Ich sagte zu mir: «So kannst du nicht immer weitermachen, du musst es etwas ruhiger angehen lassen.» Ruhiger angehen lassen, hiess für Ueli Steck, alle Viertausender der Alpen zu besteigen, und zwar in 62 Tagen und sich zwischen den Gipfeln nur mit dem Velo, zu Fuss oder dem Gleitschirm zu bewegen. «Ich wollte einfach einen Sommer lang bergsteigen», erklärt Steck seine Beweggründe.

«Natürlich bin ich ehrgeizig»
Wem es so leicht fällt, der hat Kritiker. Von gnadenlosem Ehrgeiz sei er getrieben, der Steck, liest man immer wieder. Für den Erfolg gehe er über Leichen. «Natürlich bin ich ehrgeizig», sagt Steck, «sonst könnte ich nicht das tun, was ich tue.» Wettbewerb sei jedoch beim Bergsteigen nicht alles. «Klar ist es schön, wenn man einen Rekord aufstellt oder so», sagt der Berner, der seit fast 30 Jahren klettert. «Allerdings ist dieser Erfolg nicht alles, es geht auch darum, sich selbst ans Limit zu bringen, zu sehen, was in einem steckt.» Und überhaupt gebe es im Bergsteigen keinen Konkurrenzkampf, so würde man heute noch klettern wie vor hundert Jahren, erklärt der Ausnahmeathlet. Für den Umgang mit der öffentlichen Kritik an seiner Person hat sich Steck übrigens ein einfaches Mittel überlegt. «Ich lese einfach nichts, was über mich geschrieben wird.» Es ist ja so leicht.

Altern mit Leichtigkeit
In diesem Jahr wird Ueli Steck 40 Jahre alt. Das beschäftigt ihn, ganz er selbst, aber kaum. «Klar merkt man, dass manches nicht mehr ganz so rund läuft wie früher», sagt er. «Die Erholungsphasen sind zum Beispiel länger. Das Gute am Bergsteigen ist jedoch, dass man nicht von einem auf den anderen Tag in Pension geschickt wird. Man passt sein Programm einfach dem Körper an.» Mit dem Älterwerden sehe er jedoch gewisse Dinge anders, sei reflektierter, vor allem weil er auch schon ein paar gute Freunde am Berg verloren habe, so der Extrembergsteiger. «Der Tod gehört beim Bergsteigen dazu, passieren kann immer etwas. Man darf sich aber davon nicht zu stark beeinflussen lassen, sonst behindert man sich selbst. Man muss das Risiko abwägen und sich entsprechend verhalten.» Und dann sei da noch die Sache mit dem Glück, fügt Steck hinzu. «Wir alle brauchen auch Glück im Leben und ich bin jemand, der sich auf sein Glück verlässt. Etwas anders zu tun, ist unsinnig. Man kann auf die Strasse gehen und wird überfahren. Wenn man Pech hat, hat man Pech, da kann man nichts machen.» Und so macht Steck einfach weiter. «Nach Ostern geht es wieder in den Himalaja.»

Martin Meul

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