Baltschieder | Ein Oberwalliser als Bobfahrer
Der Mann im Eiskanal
Ein explosiver Start, ein Sprung in den Schlitten und im Ziel die Bremse ziehen. Das die Aufgabe von Bobfahrer Michael Kuonen (25). Bald schon darf er an die WM.
«Ich kam durch Zufall zum Bobfahren», erklärt der knapp ein Meter 90 grosse und 95 Kilo schwere Athlet. Kuonens Bobkarriere beginnt bei einem Sportanlass vor drei Jahren. Damals betreibt Kuonen noch Leichtathletik, aber «eher hobbymässig», wie er selber sagt. Nichtsdestotrotz habe man ihn für ein Bobtraining in Andermatt angefragt. Spontan sagt er zu und kommt auf einer «Anschubanlage» das erste Mal mit dem Bobsport in Kontakt. «Im darauffolgenden Winter fuhr ich dann in Innsbruck das erste Mal in einer richtigen Bahn.»
Erste Stürze
Im selben Winter darf er als Bremser von Pilot Clemens Bracher an zwei Europacuprennen (Kategorie nach dem Weltcup) erste Rennerfahrungen sammeln. Dank guter Leistungen steigt er 2015 ins B-Kader auf und fährt zusammen mit Pilot Bracher im Winter 2015/2016 im Zweierbob die erste komplette Europacupsaison. Es folgen erste Fahrten im Viererbob. «Da ist es auch immer wieder mal vorgekommen, dass wir ‹seitwärts› angekommen sind», erklärt er augenzwinkernd. Alle Unfälle seien aber immer glimpflich verlaufen. Dann im Sommer 2016 erhält Kuonen mit dem mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger Christoph Langen/D einen neuen Trainer. «Von ihm habe ich enorm profitiert und habe viele Fortschritte gemacht», sagt er. Dann folgt eine Verletzung und eine dreimonatige Zwangspause. Seither ist er aber wieder voll dabei und seine Leistungswerte sind so gut, dass ihn der Verband diesen Januar für die EM in Winterberg/D als Bremser von Beat Hefti selektioniert. «Obwohl es mein erster Gross-
anlass war, war ich nicht nervöser als sonst.» Mit Rang neun ist Kuonen zufrieden. Er sagt: «Der Start war schnell und sauber. Damit habe ich meine Arbeit gemacht. Was dann in der Bahn passiert, kann ich als Bremser eh nicht mehr beeinflussen.» Genauso wenig Einfluss hat er auch auf die Präparierung der Kufen. «Das ist Chefsache.» Gemeint ist damit der finale Feinschliff, welcher eigenhändig von den Piloten gemacht wird und deren gut gehütetes Geheimnis bleibt.
Olympische Spiele als Fernziel
Nach der EM folgen weitere Einsätze mit seinem angestammten Piloten Bracher im Europa- und auch im Weltcup. Nun folgt demnächst mit der WM im deutschen Königssee der nächste Höhepunkt. Für die am 13. Februar beginnenden Titelkämpfe steht Kuonen, welcher Mitglied des Bobclubs St. Moritz ist, im Vierer mit Bracher und im Zweier mit Hefti am Start. Das Ziel? «Schnelle Startzeiten. Dafür bin ich da.» Trotz bevorstehender WM blickt er bereits voraus und legt den Fokus ganz auf die Olympischen Spiele 2018. «Darauf will ich konzentriert und konsequent hinarbeiten.»
Finanzieller Kraftakt
Kuonens Engagement für den Bobsport hat seinen Preis, denn davon leben kann er nur dank der Sporthilfe und einem Zustupf der jeweiligen Piloten. Die Spesen wie Unterkunft und Verpflegung oder aber die Reisen an die Wettkämpfe werden hingegen vom Verband übernommen. «So komme ich gerade so durch, bin aber froh, wenn ich im Sommer wieder vermehrt in der Lonza arbeiten kann.» Im Winter ist er dort nämlich nur tageweise anzutreffen. Deshalb sei er auf Geldgeber angewiesen, jedoch gestalte sich die Suche schwierig. Bobfahren sei eine Randsportart und in der Schweiz werde damit niemand reich, erklärt Michael Kuonen. Die Schlitten seien oft gemietet oder würden mit etwas Glück zur Verfügung gestellt. «Ein solcher kostet je nach Produkt und Entwicklung gut und gerne zwischen 50 000 und 100 000 Franken. Aber für den Traum einer Teilnahme an Olympischen Spielen nehme ich die Entbehrungen gerne in Kauf.»
Peter Abgottspon
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