Region/Grossdietwil LU | Isabel und Martin Andermatt stellen Insektizide her
Biologische Kriegsführung im Reich der Insekten
Im luzernischen Grossdietwil züchten Martin und Isabel Andermatt, die beide im Oberwallis aufgewachsen sind, Insekten. Sie gehören heute gar zu den weltweiten Marktführern für biologische Pflanzenschutzmittel.
Seit etwas über einem Jahr sind in der Schweiz Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken als Lebensmittel zugelassen. Die Pionierarbeit dazu, Insekten der menschlichen Ernährung zuzuführen, hat eine Firma von zwei Wallisern geleistet. Martin und Isabel Andermatt-Mettler sind in Naters und Visp aufgewachsen und züchten schon seit 30 Jahren Insekten. Die Produktion von Lebensmitteln soll zwar schon Ende Jahr weiterverkauft werden, weil ihnen das Marketing für die neuartigen Lebensmittel zu aufwendig ist. Trotzdem wollen sie weiter im Forschungsbereich tätig bleiben. «Wir haben uns bei den Lebensmittelinsekten schon immer mehr als Züchter gesehen», sagt Martin Andermatt, heute Chef von rund 150 Angestellten im luzernischen Grossdietwil. Weltweit beschäftigt die Firma weitere 100 Mitarbeitende.
Insektenzucht zu Hause
Kennengelernt haben sich Isabel und Martin Andermatt im Kollegium in Brig. «Die drei letzten Schuljahre waren wir in derselben Klasse», erzählt Isabel Andermatt. Nach bestandener Matura zog es beide nach Zürich. Sie wollte Tierärztin werden und er begann als Student der Agronomie mit Insekten zu experimentieren. Dabei war Isabel Andermatt eigentlich diejenige, die sich schon als Kind gerne mit Insekten beschäftigte. «Ich liebte es, Raupen einzufangen und zu beobachten, wie sich diese verpuppten und zu Schmetterlingen entwickelten», erklärt sie. Martin Andermatt hingegen interessierte sich für Insekten, weil er nahe Zürich einen verwahrlosten Obstgarten übernehmen konnte. «Das war zu einer Zeit, als viele Obstbauern grosse Probleme mit wurmstichigen Äpfeln hatten», erinnert er sich. Aus der Literatur wusste er aber bereits, dass es Möglichkeiten gab, den Apfelwickler, eine kleine Schmetterlingsart, auf natürliche Weise zu bekämpfen. «Es braucht dazu nur die richtigen Krankheitserreger», erklärt er.
Infizierte Schmetterlinge
Viren lassen sich aber nicht ohne Zellkulturen oder einen Wirt kultivieren. Andermatts mussten also erst mal in die Massenzucht von Apfelwicklern einsteigen – anfangs noch in ihrer ersten, gemeinsamen Wohnung. Heute züchten ihre Mitarbeitenden noch immer auf dieselbe Weise Apfelwickler – inzwischen aber millionen- wenn nicht sogar milliardenfach. Etwa ein Viertel der Nachkommen werden jeweils für die Erhaltungszucht benötigt, das heisst um Eier abzulegen, aus denen gesunde Larven schlüpfen. Die meisten Larven werden aber mit dem für sie tödlichen Virus infiziert. Den toten Insekten werden die Viren entnommen und in kleine Fläschchen abgefüllt. Weil ein Virus-Partikel genügt, um einen Apfelwickler zu infizieren, genügt ein einziges 100 Milliliter-Fläschchen für einen ganzen Hektar Obstplantagen.
Marienkäfer gegen Blattläuse
Neben einem Dutzend Virus-Produkten, welche weltweit in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, züchten Andermatts auch lebende Insekten für Hobbygärtner. Gegen Blattläuse helfen etwa Marienkäfer als natürliche Fressfeinde. Gegen Vorratsmotten oder Weisse Fliegen können Schlupfwespen eingesetzt werden. Da beide aber schon um die 60 Jahre alt sind, planen sie nun den langsamen Rückzug aus ihrem florierenden Geschäft. Gegenwärtig vergeben sie bereits Aktien ihrer Holding-Firma an Mitarbeitende, derweil sich die beiden vorstellen könnten, dahin zurückzukehren, wo sie ihre Jugend verbracht haben. Genau genommen in den Natischerberg, wo Andermatts gegenwärtig nur an Wochenenden hin können.
Christian Zufferey
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar