Erneuerbare Energien | Gehört die Wasserkraft dazu?
«Bezüglich der Wasserkraft dürfen wir nicht blauäugig sein»
Die Wasserkraft wird gerne als erneuerbare Energiequelle verkauft. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Energieproduktion aus Wasserkraft zurückgeht. Das gelte es im Auge zu behalten, findet Gletscherexperte David Volken.
Für die Befürworter der Energiestrategie 2050 ist die Energieproduktion aus Wasserkraft ein zentraler Pfeiler ihre Argumentation. Sauber und erneuerbar sei der Strom aus den Wasserturbinen. An der Sauberkeit lässt sich kaum zweifeln. Was die Erneuerbarkeit betrifft, verhält sich die Angelegenheit etwas komplexer.
«Im Moment sind wir Nutzniesser»
Denn eines ist klar, ein Grossteil des Wassers, das für die Stromgewinnung genutzt wird, kommt von den Gletschern in den Alpen. Doch genau diese Gletscher sind massiven Veränderungen unterworfen. «Durch die Klimaerwärmung schmelzen die Gletscher mehr und mehr ab», sagt Gletscher- und Hydrologieexperte David Volken. «Das bedeutet, dass in den kommenden Jahren zunehmend mehr Wasser ins Tal fliessen wird.» Die Folge – den Wasserkraftwerken steht mehr Wasser zur Verfügung. «Im Moment sind wir Nutzniesser des Klimawandels», führt Volken aus. «Mehr Wasser bedeutet mehr Stromproduktion.»
Rückgang ab Mitte des Jahrhunderts
Der Fachmann schätzt, dass dieser Effekt noch bis zur Mitte dieses Jahrhunderts anhalten wird. «Nach den derzeitigen Prognosen und Modellen gehen wir jedoch davon aus, dass ab 2040 mit einem Rückgang der Wassermengen gerechnet werden muss, da die Gletscher bis dahin einen grossen Teil ihres Volumens eingebüsst haben werden», erklärt Volken. «Hinzu kommt, dass auch mit weniger Schneefällen zu rechnen ist, was sich ebenfalls negativ auf die Wassermengen auswirkt, die kontinuierlich zur Verfügung stehen.»
Von 60 auf 40 Prozent?
Die Stromproduktion aus Wasserkraft ist jedoch gerade besonders stark auf kontinuierliche Wassermengen angewiesen. «Die Stauseen sind zwar gute Speicher, in einigen Einzusgebieten wie dem Goms oder den Tälern vom Gredetsch- bis zum Bietschtal existieren jedoch keine», sagt David Volken weiter. «Heftige Regenfälle, wie wir sie in Zukunft erwarten, können daher das fehlende Wasser aus der Schnee- und Gletscherschmelze nicht wirklich kompensieren.» Volken geht davon aus, dass die Energieproduktion aus Wasserkraft ab 2050 auf einen Anteil von heute 60 auf unter 50 Prozent an der gesamten Energieproduktion sinken wird. «Was die Wasserkraft betrifft, dürfen wir nicht blauäugig sein», sagt der CVPO-Suppleant und Befürworter der Energiestrategie 2050. «Wird die Energiestrategie 2050 angenommen, müssen wir mehr als den langfristig wegfallenden Strom aus den AKWs kompensieren können.» Der Vorteil sei, dass noch genug Zeit bleibe, der Klimaerwärmung und ihren Konsequenzen Rechnung zu tragen. «Den Fakt, dass Strom aus Wasserkraft nur bedingt erneuerbar ist, dürfen wir jedoch nicht aus den Augen verlieren.» Es gelte nun, geeignete Strategien zu entwickeln.
Martin Meul
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