Turtmann / Chile | Oberwalliser im Ausland

«Alleine zu reisen, ist die absolute Freiheit für mich»

Reto Metry, hier auf Besuch bei seinen Eltern, lebt seit 15 Jahren in Chile.
1/6

Reto Metry, hier auf Besuch bei seinen Eltern, lebt seit 15 Jahren in Chile.
Foto: RZ

Mit Makramee, einer speziellen Knüpftechnik, sorgt er für seinen Lebensunterhalt.
2/6

Mit Makramee, einer speziellen Knüpftechnik, sorgt er für seinen Lebensunterhalt.
Foto: RZ

Inzwischen hat sich «El Suizo», wie ihn die Chilenen nennen, auf einem Stück Land ein kleines Lehmhaus gebaut.
3/6

Inzwischen hat sich «El Suizo», wie ihn die Chilenen nennen, auf einem Stück Land ein kleines Lehmhaus gebaut.
Foto: zvg

Der gebürtige Sustner bei der konzentrierten Arbeit in seinem Häuschen in Pisco Elqui (Chile).
4/6

Der gebürtige Sustner bei der konzentrierten Arbeit in seinem Häuschen in Pisco Elqui (Chile).
Foto: zvg

Die ursprünglich orientalische Knotentechnik, Makramee, erlernte Reto Metry bei seinem achtmonatigen Aufenthalt in Argentinien.
5/6

Die ursprünglich orientalische Knotentechnik, Makramee, erlernte Reto Metry bei seinem achtmonatigen Aufenthalt in Argentinien.
Foto: zvg

Mit der südamerikanischen Lebensweise hat «El Rubio», wie ihn die Chilenen auch nennen, zu sich gefunden.
6/6

Mit der südamerikanischen Lebensweise hat «El Rubio», wie ihn die Chilenen auch nennen, zu sich gefunden.
Foto: zvg

Quelle: RZ 0

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens wagte Reto Metry (41) vor 15 Jahren den Sprung ins Ausland. Ursprünglich als dreijährige Südamerikareise geplant, blieb er bis heute in Chile.

Es ist kurz nach 10.30 Uhr. Bei den Jägers in Turtmann an der Kantonsstrasse klingelnd, öffnet ein braun gebrannter, jung aussehender Mann die Türe. Es ist Reto Metry, der kurz vor der Abreise nach Südamerika steht. «Während den letzten zweieinhalb Monaten war ich wie jedes Jahr auf Besuch bei meinen ­Eltern im Wallis», sagt der gebürtige Sustner. Die restliche Zeit verbringe er in Chile. Dort lebt und arbeitet er seit 15 Jahren. Das es so kam, war nicht geplant. Denn: «Nach meiner Banklehre, der Rekrutenschule und den fünf Jahren bei einer Versicherung wollte ich für zwei bis drei Jahre raus aus der Schweiz, um Antworten auf meine vielen Fragen über das Leben zu finden», blickt Metry auf seine Anfangszeit zurück. Vorgesehen war, dass er während der Auszeit Südamerika bereist, um anschliessend ins Wallis zurückzukehren. «Doch schon nach rund drei Monaten schlug bei mir der Pfeil der Liebe ein», erinnert sich der damals 26-Jährige. Ab diesem Zeitpunkt sei ihm klar geworden, dass es das Richtige sei, in Südamerika zu bleiben.

Viele offene Fragen

Auch wenn dies romantisch klingt, so waren es zahlreiche offene wie auch kritische Fragen, die ihn bereits während der Zeit in der Schweiz beschäftigten. Was ist in den ersten 26 Jahren mit mir geschehen? Was hat das Leben ausser dem Wohlstand und dem Materiellen sonst noch zu bieten? Was ist der Sinn meines Lebens? Wie wichtig ist für mich Reichtum? Fühle ich mich in der Schweiz noch wohl? Als junger Mann war er gewillt, sich diesen Fragen ausserhalb der Schweiz zu stellen. Einen ersten Schritt machte er damals mit knapp 22 Jahren beim Besuch eines Freundes in Kolumbien. «Wir kannten uns vom Militär her und er lud mich zu sich ein», sagt Metry. Es sei sein erster Langstreckenflug nach Südamerika gewesen. Dort landete «El Suizo», wie er inzwischen in Chile genannt wird, in einer Welt voller Kontraste. Auf der einen Seite die bilderbuchartige Karibik und als Gegenpol die Armenviertel, wo sein Freund wohnte. «Es war, als ob mir jemand mit einem Brett vor den Kopf schlug, so beeindruckt war ich davon.» Kurze Zeit später versuchte er sich selbst als Reiseleiter. «Zusammen mit einem Freund bereiste ich während eines Monats das Land Peru. Dank dem, dass ich die Reise organisierte, konnte ich mein Spanisch verbessern.»

Der Schritt ins Ungewisse

Das letzte Puzzleteil beim Bereisen von fremden Ländern war, irgendwo alleine hinzufliegen. Ein halbes Jahr nach der Peru-Reise entschloss er sich, für einen Monat nach Bolivien zu reisen. «Alleine unterwegs zu sein, war absolut das Beste für mich.» So habe er für sich gesehen, dass er niemandem etwas schuldig sei. «Auch wenn das Reisen mit meinen Freunden toll war, so muss ich sagen: Alleine zu reisen, bedeutet für mich die absolute Freiheit», betont der gelernte Bankkaufmann noch heute, wie gerne er für sich unterwegs ist. Mit den drei Reise­erfahrungen im Rucksack trat er 2004 schliesslich sein lang ersehntes Ziel an. «Dazu habe ich als Erstes nur ein Hinflugticket gelöst.» Damit wollte er bewusst offen lassen, ob und wann er zurückkehren wird.

Hier und Jetzt

Inzwischen sind 15 Jahre vergangen. So ging er nach der kurzen Liaison mit einer Chilenin zurück nach Argentinien, um dort während acht Monaten in einer Gemeinschaft zu leben. «Hier lernte ich meine zweite Partnerin kennen, mit der ich schliesslich nach Pisco Elqui zog.» Während der gemeinsamen Zeit in Argentinien brachte sie ihm die Kunst des Makramee bei – einer Knotentechnik zur Herstellung von Schmuck. Heute verdient er sich damit seinen Lebensunterhalt. «Zusammen mit meinen Wandertrekkings, die ich für Touristen anbiete, kann ich für chilenische Verhältnisse davon leben. In der Schweiz wäre dies nicht möglich.» Trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, regelmässig in der Walliser Heimat seinen hergestellten Schmuck (Fadenschmuck mit Steinen und Silberschmuck) zu zeigen. «Meine Mutter betreibt während des Pürumärts in Turtmann einen Stand, sodass ich in der Zwischenzeit selbst vor Ort bin.» Bevor «El Rubio», wie er in Chile wegen der blonden Haare auch genannt wird, sich auf die Rückreise macht, will er sich noch mit einer Schweizer Spezialität eindecken – Schokolade. «Am Mittag genehmige ich mir jeweils einen Kaffee-Schnaps, sodass ein Stück Schweizer Schokolade nicht fehlen darf», schmunzelt er.

Thomas Allet

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31