Region | Grosser Stankt Bernhard
Alarm im ältesten Strassentunnel
Feuer im Strassentunnel – ein Horrorszenario, das viele Autofahrer nie erleben möchten. Der Grosse-Sankt- Bernhard-Tunnel wird daher jedes Jahr einmal für den Verkehr gesperrt.
Ein LKW-Fahrer verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug und prallt mit zwei Autos zusammen, wobei deren Insassen in ihren Fahrzeugen eingeklemmt werden. Eines der beiden Autos prallt zudem gegen eine Kabinentür, in der gerade zwei Elektriker arbeiten. Derweil fängt der mit Heuballen beladene Lastwagen Feuer.
Jedes Jahr eine Nachtsperre
Schnell richtig zu reagieren, kann im Ernstfall Leben retten. Der sechs Kilometer lange Grosse-Sankt-Bernhard-Strassentunnel wird daher jedes Jahr im Juni, kurz nachdem der Pass geöffnet wurde, für eine Nacht gesperrt. Dieses Jahr wurde obige Szene durchgespielt. In der Betriebszentrale in Bourg-St-Pierre geht der Alarm kurz nach 21.00 Uhr ein. Der diensthabende Operateur erfährt jedoch erst, dass sich etwa 4400 Meter vom Nordportal entfernt heisser Qualm entwickelt – also im italienischen Abschnitt des Tunnels und auch schon auf italienischem Staatsgebiet. Der Tunnel wird von zwei Betriebsgesellschaften geführt, einer auf Schweizer und einer auf italienischer Seite. Sie unterhalten je die Hälfte des Tunnels, obschon sich die politische Grenze im letzten Drittel des Tunnels befindet, nur wenige Meter nördlich der Stelle, wo sich der angenommene Unfall ereignet hat.
Innert einer Minute
Je zwei Mitarbeiter der Betriebsfeuerwehr sind zu beiden Seiten des Tunnels rund um die Uhr einsatzbereit. So dauert es weniger als eine Minute, bis sich vom Südportal aus die ersten Feuerwehrfahrzeuge in den Tunnel begeben. Nur wenige Sekunden später fährt auch von Walliser Seite aus ein Löschfahrzeug zur Unfallstelle. Um im Tunnel auf engem Raum wenden zu können, verfügen die Camions der Betriebsfeuerwehren über eine Hebevorrichtung, mit deren Hilfe sich das Fahrzeug im Stillstand um 180 Grad drehen lässt. Die Schranken an den Tunnelportalen des Maut-pflichtigen Tunnels werden sofort geschlossen. «Die Kassiere, die vor allem Techniker sind, begeben sich unverzüglich in die Betriebszentrale, von wo aus der Alarm bereits an die Kantonspolizei in Sitten weitergeleitet wurde», erklärt Direktor Luc Darbellay. Diese wiederum alarmiert die Feuerwehren von Orsières und Martinach und organisiert Notarzt und Ambulanz.
Alarm per SMS
Nicolas Gross, Kommandant der Betriebsfeuerwehr, wird über SMS und gleich danach auch mit einem Anruf auf sein Handy informiert, ebenso wie alle anderen Tunnelmitarbeiter, selbst diejenigen, die ausser Dienst oder sogar in den Ferien sind. Weil die Übung aber geplant ist, befindet sich Gross heute bereits in der Betriebszentrale. «Im Tunnelinnern sind die Löschfahrzeuge bereits an der Unfallstelle angelangt. Mit Schaum löschen sie das brennende Heu, evakuieren feststeckende Autofahrer, und im Auto eingeklemmte Fahrer werden mit Sauerstoff versorgt», erklärt Gross. Dann fährt auch er in den Tunnel und hilft mit, Verletzte zu bergen.
Übungsanlagen schaffen Routine
Um auf einen Ernstfall in einem Tunnel vorbereitet zu sein, müssen sich Betriebsfeuerwehren stets weiterbilden. In Balsthal SO und Lungern OW unterhält die International Fire Academy (IFA) unterirdische Übungsanlagen, wo auch schwere Unfälle in Strassen- und Eisenbahntunnels geübt werden. Grundsätzlich rät IFA-Geschäftsführer Urs Kummer, sich im Brandfall sofort in einen Notnische zu begeben. Die meisten Tunnels verfügen über einen
parallel verlaufenden Sicherheitsstollen. Überdruck verhindert, dass dort giftiger Rauch eindringt. Beim Grossen-Sankt-Bernhard-Tunnel – dem 1964 eröffneten ersten Strassentunnel durch die Alpen – existiert jedoch noch kein Sicherheitsstollen. Gegenwärtig wird zwar daran gebaut, mit Querverbindungen alle 500 Meter zum Tunnel. Jedoch wird mit einer Inbetriebnahme erst 2019 gerechnet. Beruhigend ist dabei jedoch, dass Lastwagen am Grossen Sankt-Bernhard vor der Einfahrt in den Tunnel immer anhalten und den Motor ausschalten müssen. Denn sie müssen die Maut-Gebühr bezahlen und gleich danach Formalitäten am Zoll erledigen.
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