Region | Oberwallis
Abstimmungsvorlage wird zum Wahlpoker
Oberwallis | Am 8. März stimmt das Stimmvolk über die Familieninitiative ab. Ein Blick ins Oberwallis zeigt, dass es dabei um mehr als eine Abstimmungsvorlage geht.
«Es gab selten eine derart einfache Abstimmung. Jeder, der den Text liest, weiss, worum es geht», sagt die Oberwalliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd. Die Familieninitiative will steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen. Amherd: «Die Familien sollen mehr Geld in ihrer Kasse haben.» Die Vorlage hat gute Chancen. Umfrageresultate zeigen, dass die Initiative mit 52 Prozent Ja-Stimmen gut in den Abstimmungskampf gestartet ist. 33 Prozent der Befragten lehnen sie ab. Brisant: Es tendieren nebst der CVP-Basis auch die Wähler der SP, der GPS und der SVP eher zu einem Ja. Die SP-Parteispitze gibt die «Nein-Parole» aus.
Die fehlenden Steuereinnahmen
Für German Eyer, SPO-Grossrat, ist die Initiative ein Trugschluss. «Die Initiative kommt sympathisch rüber, doch bei näherem Betrachten stellt man fest, dass es sich um eine Mogelpackung handelt», sagt er. Seine Bedenken: «Vor allem Familien mit höherem Einkommen profitieren von der Initiative.» Aus diesem Grund versteht er auch die Argumentation von der Mittepartei nicht, wenn sie auf die Kaufkraft hinweist, die durch steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen entsteht. Für ihn steht fest: «Bei Familien mit einem hohen Einkommen wird durch diese Massnahme keine zusätzliche Kaufkraft gefördert.» Weitere Anliegen der politischen Gegner der Initiative: Die Initiative der CVP verletze elementare Grundsätze des Steuersystems, führe zu unfairer Verteilung der Fördergelder, setze die Kantone unter noch grösseren finanziellen Druck und entziehe dringend benötigtes Geld aus anderen Töpfen. Dass nur die Reichen von der Initiative profitieren, lässt der Walliser Christophe Darbellay, Präsident der CVP Schweiz, nicht gelten. «Auf kantonaler Ebene bezahlen je nach Kanton 70 bis 90 Prozent der schätzungsweise 1 150 000 Familien Kantons- und Gemeindesteuern und profitieren daher direkt von der Initiative. Gar doppelt profitieren die Familien des tieferen Mittelstands», sagt er. Dank der Initiative können sie ein tieferes steuerbares Einkommen ausweisen und bezahlen nicht nur weniger Steuern, sondern erhalten damit auch erleichterten Zugang zu den Vergünstigungen. Darbellay ist überzeugt: «Je tiefer das steuerbare Einkommen ist, desto mehr profitiert eine Familie.»
«Die verkaufen die Leute für dumm»
Während der Debatte zur CVP-Familieninitiative ist sowohl in der Botschaft des Bundesrates wie auch in der gesamten parlamentarischen Debatte immer von Steuerausfällen von einer Milliarde Franken ausgegangen worden. Anfang Februar zeigte die «Schweiz am Sonntag», dass die Steuerausfälle wesentlich höher sein könnten. Die Rede ist von 3,3 Milliarden Franken. Eyer dazu: «Dadurch würden weitere Sparpakete geschnürt, wie jene der Streichung der Krankenkassensubventionen zurzeit im Kanton Wallis.» Familien mit geringem Einkommen würden dies spätestens dann spüren, das sei so sicher wie das Amen in der Kirche, sagt er. Für Amherd ist klar, dass dieser Ansatz so nicht gilt. «Natürlich kommt es zu Steuerausfällen, doch die Annahme der Unternehmungssteuerreform hat gezeigt, dass nun die Familien im Vordergrund stehen müssen.» Was meint sie damit? «Wir können nicht Steuern für Banken und Unternehmen senken und gleichzeitig die Familien vernachlässigen. Nun steht die Familie im Vordergrund.» Die Nationalrätin wirft den Initiativgegnern in diesem Zusammenhang vor, dass sie die Sachpolitik in den Hintergrund stellen. Sie begründet: «Lucrezia Meier-Schatz brachte vor fünf Jahren mit einer Motion die Familieninitiative ins Parlament, dabei stellte sich die SP mit 36:1 Stimmen hinter die Vorlage, nun gehören sie zu den Gegnern.» Auch Darbellay poltert gegen die Linkspartei: «Die SP verkauft die Arbeitnehmer für dumm», sagt er und führt aus: «Welcher Arbeitnehmer will eine auf Elternschaft begründete Lohnreduktion? Diese Frage konnte mir noch kein SP-Vertreter beantworten.» Darbellay ist sicher, dass mit einem tieferen Lohn künftig AHV und BVG-Rente tiefer ausfallen würden, da die Beiträge an die 1. und 2. Säule auf der Basis des tieferen Lohns einbezahlt werden. Genau die SP solle wissen, dass kein Arbeitnehmer bereit sei, ein solches Eigengoal zu schiessen. In der Tat betonte die Linkspartei in der Vergangenheit immer wieder, nicht «auf dem Buckel der Familien» zu politisieren. Zählt das nicht mehr? «Doch», sagt Eyer und präzisiert: «Es muss jedoch familienneutral sein, bei dieser Initiative schlagen nur schätzungsweise 50 Prozent einen Profit raus, das ist inakzeptabel.» Wie viel Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung sich für die Initiative starkmacht, stellt sich am 8. März heraus.
Simon Kalbermatten
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