Interview | Marc Franzen, Generalsekretär des eidgenössischen Jodlerfests
«Wir rechnen damit, dass 30 000 Liter Bier ausgeschenkt werden»
Marc Franzen ist der Generalsekretär des Eidgenössischen Jodlerfests in Brig-Glis. Im Interview spricht er über Sicherheit am Fest, Nervosität und warum ein Jodler im Ortsbus übernachten will.
Marc Franzen, in rund zwei Monaten steigt in Brig-Glis das Eidgenössische Jodlerfest. Sind Sie nervös?
Es ist eine Achterbahn der Gefühle. Zeitweise bin ich sehr nervös, weil plötzlich Themen auftauchen, an die man bis jetzt nicht gedacht hat und für die es eine Lösung zu finden gilt. Auf der anderen Seite bin ich beruhigt, weil ich merke, dass es vorwärtsgeht und die wichtigsten Fragen und Dinge geklärt sind.
Was sind das für Dinge, an die man bis jetzt nicht gedacht hat? Können Sie ein Beispiel nennen?
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Beispielsweise kam letzte Woche das Schweizer Fernsehen vorbei und fragte nach der Frequenzabstimmung während des Fests. Zuerst wussten wir gar nicht, was damit gemeint war. Es stellte sich heraus, dass, weil so viele Medien über das Fest berichten werden, geklärt werden muss, wer auf welcher Frequenz sendet, damit es nicht zu Störungen kommt. Das ist zum Beispiel ein solches Detail, um das wir uns kümmern müssen. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass man sich acht Wochen vor einem solchen Anlass mit solchen Angelegenheiten auseinandersetzen muss.
Wie sieht denn der Fahrplan für die kommenden zwei Monate aus, vor allem, wann beginnt der Aufbau für das Eidgenössische Jodlerfest?
Die Intensität, mit der über das Fest berichtet wird, wird ab jetzt stetig zunehmen, das wird die Bevölkerung sicher spüren. Mitte Mai treffen sich dann auch die über 150 Jurymitglieder, um die technischen Abläufe während des Fests zu besprechen. Ab dem 6. Juni beginnen wir dann mit dem Aufbau der Infrastruktur für das Fest. Am gleichen Tag stellen wir das Eidgenössische Jodlerfest auch in Bern dem Bundesparlament vor. Das heisst, spätestens ab Anfang Juni wird man in Brig-Glis spüren, dass es mit riesen Schritten Richtung Jodlerfest geht, dann wird ja auch schon bald die Armee vor Ort sein und tatkräftig mithelfen.
Sie sind der Generalsekretär bei diesem Megaevent. Allein schon das Organisationskomitee (OK) besteht aus 95 Leuten. Was tun Sie in Ihrer Funktion konkret?
Für die einen bin ich der General, der Themen vorantreibt und Arbeitsgruppen führt. Dann bin ich aber auch oftmals der Sekretär, der den vielen Kleinigkeiten hinterherläuft (lacht). Der Begriff Generalsekretär ist daher sehr treffend. Grundsätzlich sorge ich dafür, dass die Abstimmungen zwischen den verschiedensten internen und externen Akteuren funktionieren. Ich sehe die Geschäftsstelle als Scharnier zwischen all denen Leuten, die dafür sorgen, dass wir in Brig-Glis ein gelungenes Eidgenössisches Jodlerfest durchführen können.
Spricht man über das Eidgenössische Jodlerfest, so hört man immer wieder den Ausdruck «Anlass der Superlative». Was heisst das in Zahlen?
Wir erwarten über 10 000 aktive Jodlerinnen und Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger. Das sind 20 Prozent mehr, als vor drei Jahren in Davos mitgemacht haben. Dazu haben wir bisher 20 000 Unterkünfte vermittelt. Auch hier liegen wir bereits jetzt rund 50 Prozent über den Zahlen des letzten Eidgenössischen Jodlerfests. Wir rechnen damit, dass wir mit dem Fest 30 000 Logiernächte in der Region generieren.
Und wie viele Besucher kommen nach Brig?
Es steht die Zahl von 150 000 bis 200 000 Besuchern im Raum. Das ist Erfahrungswert und man wird nachher auch nicht zu 100 Prozent wissen, wie viele Leute effektiv nach Brig-Glis gekommen sind. Es wird aber auf alle Fälle ein beeindruckender Anlass. Zum Vergleich – wir werden rund doppelt so viele Leute in Brig-Glis haben als Leute ans Open Air Gampel gehen. Das schlägt sich auch in den Zahlen aus der Festwirtschaft nieder. Wir rechnen damit, dass 30 000 Liter Bier ausgeschenkt und 10 000 Bratwürste gegessen werden. Was dabei auch zu sagen ist, ist, dass es, um so einen Anlass organisieren zu können, natürlich unzählige freiwillige Helfer braucht. Wir rechnen damit, dass die 1300 Helfer am Eidgenössischen Jodlerfest 10 500 Arbeitsstunden leisten werden, mit den Angehörigen der Armee, des Zivilschutzes und der Blaulichtorganisationen werden es 40 000 Arbeitsstunden sein.
Wie sieht es aus finanzieller Sicht aus?
Das Budget für das Fest beträgt etwa 5,3 Millionen Franken. Das heisst, wir investieren pro Tag mehr als 1,5 Millionen Franken, was enorm ist. Auf der anderen Seite gehen wir von einer Wertschöpfung von 20 Millionen aus. Geld, das fast ausschliesslich in der Region bleibt.
Ein grosses Thema bei so vielen Menschen ist die Unterbringung. Wo werden all die Jodler/innen und Besucher schlafen?
Wir haben uns bereits früh darum bemüht, möglichst viele Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung stellen zu können. Das sind Hotels, Ferienwohnungen und private Unterkünfte. Dann spielen die Massenunterkünfte eine sehr zentrale Rolle. Dazu werden bis zu 26 Turnhallen und Zivilschutzanlagen in Massenlager umgewandelt. In diesem grossen Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten sehen wir einen Mitgrund dafür, dass sich mehr Aktive angemeldet haben als vor drei Jahren in Davos. Wenn viele Leute in der Region übernachten können, macht dies das Fest natürlich attraktiver. Es war uns aber auch wichtig, unschöne Auswüchse zu verhindern.
Wie meinen Sie das?
Wir hatten verschiedene Fälle, bei denen versucht wurde, über Airbnb eine Wohnung für drei Tage für bis zu 3000 Franken zu vermieten. Davon distanzieren wir uns natürlich vehement. Wir wollen nicht, dass sich Leute mit Wucherpreisen an der Jodlergemeinschaft bereichern. Darum war es für uns wichtig, dass wir vom OK eine umfassende Unterkunftsvermittlung garantieren. Es ist klar, dass die Unterbringung ein Riesenthema ist. Wir gehen auch davon aus, dass wir in der Nacht einige Leute darauf werden hinweisen müssen, dass sie nicht im Schlossgarten zelten dürfen (lacht).
Bei solchen Grossanlässen stellt sich heutzutage auch immer die Frage nach der Sicherheit. Wie sieht ihr Konzept aus?
Sicherheit ist ein zentraler Aspekt. Grundsätzlich steht natürlich die Prävention im Vordergrund. Wir haben Massnahmenpläne für viele unterschiedliche Ereignisfälle. Das beginnt bei einem Handgemenge...
... und endet bei einem Terrorangriff?
Ja. Die Blaulichtorganisationen spielen dabei natürlich eine enorm wichtige Rolle. Wir wollen das Thema Sicherheit aber sehr diskret behandeln. Das heisst, wir sind gut vorbereitet, die Besucher des Jodlerfests sollen aber so wenig wie möglich davon mitbekommen.
Was für Anekdoten haben Sie als Generalsekretär des Jodlerfests im Vorfeld erlebt?
Das gibt es einige. Zum Beispiel rief ein Mann an und erkundigte sich, ob der Ortsbus die ganze Nacht durchfährt, denn er gedenke in Ermangelung einer Unterkunft im fahrenden Bus ein paar Stunden zu schlafen. Dann wollte eine Frau wissen, ob es auf dem Festgelände die Möglichkeit gibt, ein Kind zu stillen und zu wickeln, da sie wohl 10 Tage vor dem Fest ein Baby zu Welt bringen werde, aber nicht auf das Jodlerfest verzichten wolle. Und dann wollte auch noch jemand wissen, ob am Freitagabend des Jodlerfests der Gartenplausch auf dem Stadtplatz stattfindet (lacht.)
Und?
Bedaure, an dem Tag findet leider kein Gartenplausch statt. Dann meldete sich auch eine Gruppe, die am grossen Umzug des Fests mit einem Dampfschiff teilnehmen wollte und wir hatten viele Anfragen von Gruppen aus der ganzen Welt, die am Umzug mitmachen wollten, zum Beispiel Cowboys aus Kanada.
Auf was freuen Sie sich am meisten am Eidgenössischen Jodlerfest? Darauf, dass es vorbei ist?
Ich blicke natürlich der Eröffnung mit grosser Vorfreude entgegen, wenn dann endlich die Fahne übergeben wird. Sicher wird es auch ein schöner Moment sein, wenn das Fest Geschichte ist, alles funktioniert hat und es keine Zwischenfälle gegeben hat. Dann freue ich mich aber auch sehr auf die Vorträge der Jodlerinnen und Jodler. Zum Beispiel hat sich eine Japanerin qualifiziert. Auf ihren Auftritt bin ich sehr gespannt.
Was bereitet Ihnen am meisten Bauchschmerzen?
Das ist das, was wir nicht kontrollieren können, für das Gelingen des Fests aber sehr wichtig ist – das Wetter. Wenn wir gutes Wetter haben, wird die Stimmung halt eine ganz andere sein, als wenn es in Strömen regnet. Wir sind aber auch auf das vorbereitet, wünschen uns aber natürlich strahlenden Sonnenschein.
Was wird das Jodlerfest in Brig-Glis zu einem ganz speziellen Fest machen, im Vergleich zu Festen in Davos, Luzern oder Basel?
Es wird ein Fest auf dem Land, «hinter den Bergen» werden. Das heisst, dass die Organisation natürlich deutlich komplizierter ist, als wenn man auf die Infrastruktur einer grossen Stadt zurückgreifen kann. Das Ländliche wird den Charakter des Fests prägen. Was uns vielleicht etwas an Infrastruktur fehlt, machen wir mit unserer Herzlichkeit und einer grossen Portion Unkompliziertheit wett. Ich bin sicher, dass alle das Jodlerfest in Brig-Glis in sehr guter Erinnerung behalten werden.
Trotz aller Vorfreude, gibt es den Moment, in dem Sie das Wort Jodlerfest nicht mehr hören können?
Solche Momente gibt es – ganz klar. Das Fell der OK-Mitglieder ist dünner geworden, man spürt die Anspannung und man ist auch mal gefrustet. Dann motiviert man sich aber gegenseitig wieder und macht weiter. Ganz nach dem Motto: Augen zu und durch.
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Kommentare
Markus Imbodu, Visp - ↑27↓27
An solchen Grossevents - siehe auch in Raron/Visp beim Eidgenössisches Schützenfest oder beim Openairgampel profitiert das Lokale Gewerbe kaum...
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