Frontal-Interview | Roberto Schmidt zu seiner Kandidatur für den Staatsrat
«Wir müssen an der Zweisprachigkeit arbeiten»
Nationalrat Roberto Schmidt will im März in den Walliser Staatsrat einziehen. Im Interview spricht er über seine Wahlchancen, die Herausforderungen für den Kanton und warum er sein Amt als Nationalrat bei einer Wahl abgeben wird.
Roberto Schmidt, sollten Sie in die Regierung gewählt werden, wofür würde ein Staatsrat Schmidt stehen?
Ich würde für den ganzen Kanton einstehen, auch für das Welschwallis und insbesondere für das Chablais, das wie das Oberwallis eine Randregion ist. Man fühlt sich dort vernachlässigt, vom Wallis abgehängt und zur Genferseeregion nicht dazugehörig. Kommt hinzu, dass das Chablais keinen Vertreter in der Regierung hat. Gerade Minderheiten muss man besonders pflegen. Darum möchte ich ein Staatsrat für alle Kantonsteile sein.
Dazu müssen Sie den berühmten Raspille-Graben überspringen. Was qualifiziert Sie dafür?
Ich bin jemand, der beide Kulturen ziemlich gut kennt. Ich habe 28 Jahre in Sitten gearbeitet. Für mich ist die Raspille kein trennender, sondern ein verbindender Fluss. Ich möchte Brücken statt Mauern bauen und denke, dass wir mit konkreten Projekten, zum Beispiel in den Bereichen Kultur, Sport und Bildung, eine bessere Verbindung der beiden Kantonsteile erreichen könnten. In der Ausländerdiskussion spricht man immer davon, wie wichtig die Sprache für eine gute Integration ist. Das ist bei uns Wallisern nicht anders. Die beiden Kantonsteile werden nur zusammenwachsen, wenn sie einander besser verstehen. Es ist darum sehr wichtig, dass möglichst viele, insbesondere junge Walliser, Deutsch und Französisch beherrschen. Die Zweisprachigkeit ist ein grosser Trumpf. Daran müssen wir im Wallis arbeiten.
Wofür würde ein Staatsrat Roberto Schmidt politisch stehen?
Das kommt stark darauf an, welches Departement ich führen würde. Letztlich geht es immer darum, diesen Kanton wirtschaftlich vorwärtszubringen.
Welches hätten Sie gerne?
Diese Diskussion ist heute verfrüht. Der Staatsrat besteht aus fünf Personen, alle mit unterschiedlichen Kompetenzen. Man sollte darum die Departemente so verteilen, dass dem Wallis am besten gedient ist. Aber klar habe ich gewisse thematische Präferenzen. Das sind sicher die Landwirtschaft, dann natürlich die Energiepolitik, die Kultur und der Tourismus. Selbstverständlich liegen mir als Gemeindepräsident auch die Institutionen am Herzen. Ich interessiere mich also für einige Bereiche, die heute in unterschiedlichen Departementen angesiedelt sind. Die Zusammensetzung der Departemente ist ja auch nicht in Stein gemeisselt. Die verschiedenen Dienststellen könnte man auch anders verteilen.
Mit Ihnen würde nach vielen Jahren wieder ein «Gelber» in den Staatsrat ziehen. Wie würde sich die politische Positionierung der Regierung dadurch verändern?
Nicht allzu stark. Ich denke in vielen Dingen nicht anders als beispielsweise Jean-Michel Cina und werde in meinen Ratings auch immer als Mitte-rechts eingestuft, mit gewissen Affinitäten für soziale Fragen. Ich denke nicht, dass es im Wallis möglich wäre, eine rein linke oder eine rechte Regierung zu haben. Man kann auch nicht immer alles in ein Links-rechts-Schema einordnen. Menschenwürde, Menschlichkeit oder soziale Gerechtigkeit sind nicht eine Frage von links oder rechts, sondern eine Frage des Herzens. Auf der anderen Seite kann man der Arbeiterschaft am besten helfen, wenn wir die Wirtschaft fördern und Arbeitsplätze schaffen. Nur ein starker Arbeitgeber kann auch ein sozialer Arbeitgeber sein. Soziale Fragen hängen also stark mit Wirtschaftsfragen zusammen. Alles trifft sich letztlich in der Mitte. Mal etwas weiter rechts, mal etwas weiter links. Wir werden daher hoffentlich weiterhin eine Mitte-Regierung haben. Die Walliserinnen und Walliser wissen zu gut, dass sie in den letzten Jahrzehnten mit einer bürgerlichen Regierung, in der Parteien links und rechts der Mitte auch Platz hatten, sehr gut gefahren sind. Was zurzeit in Amerika abgeht, wollen die Walliser sicher nicht.
Staatsrat Freysinger sieht das anders.
Es ist Humbug, wenn Staatsrat Freysinger behauptet, die jetzige Walliser Regierung sei links. Mit solchen Aussagen will er nur von eigenen Problemen und eigenem Unvermögen ablenken.
Sie gelten als sehr volksnaher Politiker, streichen an Anlässen auch gerne mal selbst ein Raclette. Wäre eine solche Volksnähe weiterhin möglich, wenn Sie Staatsrat würden?
Politik ist Dienst am Volk. Damit man diesen Dienst tun kann, sollte man immer auch den Volkswillen mit in die Waagschale werfen und wissen, was das Volk beschäftigt und denkt. Das erfährt man am besten im persönlichen Kontakt. Zuhören ist für mich sehr wichtig, auch wenn man nicht immer helfen kann. Deshalb werde ich auch in Zukunft den Kontakt zur Bevölkerung wann immer möglich suchen. Freilich sollte ein Staatsrat bei offiziellen Auftritten ein gewisses staatsmännisches Auftreten an den Tag legen, was heute nicht bei allen immer der Fall ist. Aber in der Freizeit darf auch ein Staatsrat, sofern er Zeit hat, einmal Raclettes streichen.
Sie sind sehr engagiert. Zum Beispiel als Co-Präsident des Eidgenössischen Jodlerfests 2017 in Brig-Glis, als Chorleiter oder künstlerischer Leiter der Operette Leuk. Als Staatsrat müssten Sie Abstriche machen, oder?
Sicher müsste ich als Staatsrat bei meinem kulturellen und sozialen Engagement gewisse Abstriche machen. Aber ich hoffe schon, dass ich mich noch ein wenig kulturell engagieren könnte. Musik ist für mich ein wichtiger Ausgleich. Bei der Operette könnte ich mir vorstellen, weiterhin als Dirigent mitzumachen, nicht mehr jedoch in der Projektleitung. Für Grossprojekte wie das Eidgenössische Jodlerfest würde die Zeit wohl nicht mehr reichen. Auf gewisse Sachen würde ich aber auch als Staatsrat nur ungern
verzichten.
Zum Beispiel?
Die jährliche Lourdes-Wallfahrt als Krankenträger. Dieses soziale Engagement würde ich auch als Staatsrat gerne weiterführen. Ich denke, mit ein bisschen Organisation wird es sicher möglich sein, mir diese Woche freizuhalten.
Wir sprechen hier stark hypothetisch. Viele in der Bevölkerung sehen Sie aber bereits als gewählt an. Was halten Sie von dieser Haltung?
Ich finde solche Aussagen etwas gefährlich. Es ist sicher richtig, dass ich im Moment im Oberwallis eine gute Ausgangslage habe, weil mich die C-Parteien offiziell unterstützen und diese im Oberwallis immer noch stark verankert sind. Auch von den anderen Parteien wurde ich bisher bei Wahlen immer getragen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass sich 13 Personen um fünf Sitze bewerben.
«Es ist wichtig, nach dem ersten Wahlgang unter den ersten fünf zu sein»
Jede und jeder nimmt dem Oberwallis Stimmen weg. Umso wichtiger ist es, dass Esther Waeber-Kalbermatten und ich im ersten Wahlgang ein gutes Resultat machen, sprich unter den ersten fünf sind. Wenn wir «unter ferner liefen» abschneiden, kann es durchaus sein, dass im zweiten Wahlgang die Karten neu gemischt werden und dass das Oberwallis einen Sitz verliert. Gewisse Kandidaten haben ja bereits gesagt, dass ein Staatsrat für das Oberwallis reiche.
Worin sehen Sie die grossen Herausforderungen für das Wallis in den kommenden vier Jahren?
Ein Wort sticht bei dieser Frage heraus: Strukturwandel. In mehreren Bereichen müssen wir die Strukturen ändern und uns der Entwicklung anpassen. Ich denke an die Energie und die Wasserkraft, die in dieser schwierigen Zeit gezielte Unterstützung braucht. Ich denke aber auch an die Herausforderungen in der Raumplanung und im Tourismus, der sich in einigen Regionen ebenfalls neu aufgleisen muss, wie das vor Jahren die Bauwirtschaft erfolgreich getan hat. Dann wird sicher wichtig sein, die Finanzflüsse zwischen Bund und Kanton zu stabilisieren, die in den nächsten Jahren weiter unter Druck geraten werden, so zum Beispiel der Finanzausgleich oder der Wasserzins. Und schliesslich werden wir gerade im Wallis die Auswirkungen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung spüren.
Sollten Sie Staatsrat werden, wie geht es mit Ihrem Nationalratsmandat weiter?
Das Wallis hat mit Doppelmandaten schlechte Erfahrungen gemacht. Ich würde also mein Nationalratsmandat im Verlaufe des Jahres niederlegen. Trotzdem würde der Kanton gewinnen – gleich doppelt. Erstens weil Thomas Egger aus Visp als mein Nachfolger im Nationalrat die Probleme des Berggebietes bestens kennt, und zweitens weil ich auch als Staatsrat mein politisches Beziehungsnetz, das ich in den letzten Jahren in Bern aufgebaut habe, immer wieder anzapfen könnte. Das Wallis sollte ohnehin in Bern aktiver Lobbyarbeit betreiben, weil viele Entscheide, die in Bundesbern gefällt werden, grossen Einfluss auf das Leben und die Menschen in unserem Kanton haben.
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar