Frontal | Sebastian Arnold, Gemeindepräsident Simplon-Dorf
«Wir lassen uns nicht zum Sündenbock stempeln»
Gegen das geplante VBS-Projekt auf der «Spittelmatte» laufen Umweltverbände und Hüttenbesitzer Sturm. Jetzt nimmt der Simpiler Gemeindepräsident Sebastian Arnold (33) Stellung zum Projekt und sagt: «Es ist nicht Aufgabe der Gemeinde, als Vermittler aufzutreten.»
Sebastian Arnold, in einer Woche steigt die Heimattagung in Simplon Dorf. Werfen die Ausbaupläne des VBS einen Schatten auf das grosse Fest?
Nein. Sicher ist das Armeeprojekt auch unter der Bevölkerung ein Thema. Aber das wird in Umweltkreisen und anderen interessierten Gruppen weit heftiger diskutiert als unter der Simpiler Bevölkerung. Der Grundsatzentscheid über den Naturpark vor ein paar Jahren hat viel mehr Diskussionen im Dorf ausgelöst als das geplante Projekt des VBS.
Konkret: Wie ist die Stimmung im Dorf?
Die Stimmung ist sehr gut. Es sind bis heute auch keine Einsprachen aus der Dorfbevölkerung gegen das Projekt eingegangen. Aber es gibt sicher ein paar Kritikpunkte. Das ist auch wichtig, weil dadurch das Projekt verbessert werden kann. Die Mehrheit der Bevölkerung steht aber hinter den Ausbauplänen und hat ein gutes Einvernehmen mit der Armee. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die grossen Schiessübungen auf der Passhöhe stattfinden. Das bekommen wir im Dorf praktisch nicht mit ausser vielleicht beim Nachtschiessen, wenn das ganze Gebiet beleuchtet wird. Aber das hat sogar eine gewisse Attraktivität. (lacht)
Wie wichtig ist das Militär für Simplon Dorf?
Die Armee ist für uns sehr wichtig und bringt eine grosse Wertschöpfung in die Region. Ich denke an die Arbeitsplätze und die ganzen Ressourcen. Darum ist die Bevölkerung dem Militär gutgesinnt. Die Militaristen sind während dem WK im Dorf untergebracht und die Offiziere in einem Hotel. Zudem bezieht die Armee die Produkte aus der Region. Sofern die Qualität und der Preis stimmen, werden die Waren in Simplon Dorf eingekauft. Das heisst, die Sennerei, die örtliche Bäckerei und die Wirte profitieren von dieser Abmachung. Dazu kommen viele positive Nebeneffekte, die man nur schwer messen kann. Ich denke da in erster Linie an die Armeeangehörigen, die ihren Dienst auf dem Simplon absolvieren und später einmal auf der Durchfahrt nach Italien mit ihren Familien einen Halt in Simplon Dorf einlegen. Ganz einfach darum, weil die Artillerie ihre Wiederholungskurse immer auf dem Simplon macht. Dadurch entsteht eine gewisse Bindung zum Ort.
Seitdem das VBS die Pläne zum Ausbau der «Spittelmatte» veröffentlicht hat, ist der verbale Krieg ausgebrochen. Umweltverbände und Anrainer in «Gampisch», «Sike» und «Niwe» gehen auf die Barrikaden. Wie nehmen Sie die Auseinandersetzung wahr?
Alle Schreiben und Einsprachen gegen das Projekt gehen an die Gemeinde und wir können diese auch sichten, behandelt werden sie aber vom Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Wir werden als Gemeinde diesbezüglich auch eine Stellungnahme zuhanden des VBS verfassen, in der unsere Interessen und das Verbesserungspotenzial am Projekt aufgezeigt werden. Dass die Anrainer versuchen, ihre Rechte zu wahren, ist legitim. Was mich persönlich ein bisschen stört, ist der Umgangston und die Art und Weise in der ganzen Sache. Es wird nicht eine Kompromisslösung angestrebt, sondern es wird versucht, das Projekt zu stoppen. Einige Einsprachen sind dabei nachvollziehbar und völlig berechtigt, andere hingegen sind fragwürdig. Ich möchte hier aber festhalten, dass sich die Gemeinde von den Einsprechern distanziert und nicht viel mit ihnen zu tun hat.
Sondern?
Die Einsprecher sind in erster Linie die Ferienhausbesitzer, die in den Sommermonaten einige Wochen die Natur und Ruhe auf dem Simplonpass geniessen. Was die meisten von ihnen vergessen, ist die Tatsache, dass die Lärmbelastung durch die Armee nicht zunehmen wird. Den Sommer hindurch wird es auf dem Simplonpass auch in Zukunft keine Schiessübungen geben und das soll auch so bleiben. Dazu kommen Sachen, die stark vermischt werden. Einerseits gibt es das Bauprojekt, gegen das viele Hüttenbesitzer auf die Barrikaden gehen und Rechtsmittel ergreifen. Das andere sind die Verhandlungen mit Dienstbarkeitsverträgen. Hier sind den Zweitwohnungsbesitzern die Hände gebunden, weil nur die Bodeneigentümer ihren Einfluss auf die Verhandlungen geltend machen können. Darum fühlen sich viele Zweitwohnungsbesitzer nicht verstanden und zu wenig informiert und es entsteht ein Missmut, der die Situation aufbauscht.
Könnte hier nicht die Gemeinde die Vermittlerrolle übernehmen?
Das Verfahren ist Sache des VBS, genauso wie die Informationen in dieser Angelegenheit. Ich habe an der Urversammlung über das Projekt informiert, was ohne Wortmeldung zur Kenntnis genommen wurde. Für die weiteren interessierten Kreise findet nun das Plangenehmigungsverfahren des VBS statt, wo sich alle dazu äussern können. Es ist nicht Aufgabe der Gemeinde, eine Informationsveranstaltung durchzuführen und alle an einen Tisch zu holen. Genauso wenig, wie die Gemeinde die Vermittlerrolle einnehmen muss.
Mountain Wilderness, Pro Natura, WWF, VCS Wallis und andere Umweltverbände haben gegen das Projekt eingesprochen. Fühlen Sie sich bevormundet?
Wir haben eigentlich ein gutes Einvernehmen mit den Umweltverbänden und bekommen viel Lob für unsere Arbeit auf unserem Gemeindegebiet. Dass sich die Umweltverbände nun in dieser Sache engagieren, liegt auf der Hand. Aber wir Simpiler sind selbstbewusst genug, um selber über unsere Zukunft zu entscheiden. Es schleckt keine Geiss weg, dass die geplante Panzerpiste landschaftlich nicht schön ist und das Betriebsgebäude relativ gross dimensioniert ist. Aber wenn sich in der Standortgemeinde Simplon kein Mensch gegen ein solches Projekt zur Wehr setzt, hat das seine Gründe. Jeder Einheimische weiss, dass es auch nach der Umsetzung des Projekts auf dem Simplon viel unberührte Natur geben wird. Ich denke ans Hochmoor auf dem Pass, das Laggintal oder die grosse Flanke, welche im BLN-Schutzgebiet liegt. Vor diesem Hintergrund muss man abwägen, inwiefern dieses Projekt den Landschaftsschutz wirklich tangiert.
In diesem Zusammenhang steht auch die Sanierung des Barralhauses. Könnte das die Gemeinde nicht selber an die Hand nehmen?
Es ist heute sehr schwer, um nicht zu sagen fast unmöglich, Gelder aufzutreiben, um geschichtsträchtige Gebäude instand zu stellen. Das zeigt in der jüngsten Vergangenheit das Beispiel vom «Büchhüs» in Ried-Brig. Das Barralhaus auf dem Simplon hat noch eine ganz andere Dimension. Wer also sollte das Barralhaus sanieren, wenn nicht ein grosser Player wie die Armee? Privatpersonen haben gar kein Interesse und öffentliche Gelder sind sehr schwer zu beschaffen. Insofern ist das sicher ein Glücksfall, wenn die Armee im Zuge des Projekts auf dem Simplon das Barralhaus sanieren will.
Was sagen Sie den Leuten, die nicht nur das kulturhistorische Erbe in Gefahr sehen, sondern auch das Naherholungsgebiet?
Nochmals: Die Simplonregion bleibt weiterhin ein Naherholungsgebiet. Wir sind die Landschaftspfleger von Brig und bewirtschaften das Naherholungsgebiet der Region. Das sind wir auch gerne. Aber wir brauchen eine Lebensgrundlage. In diesem Zusammenhang werden wir auch viel darauf angesprochen, dass die Landwirtschaft ein wichtiger Erwerbszweig für unser Dorf ist und mit dem geplanten Projekt viel Kulturland verloren gehe. Dabei darf man die Relationen nicht verlieren. Selbstverständlich geht mit dem Projekt Kulturland verloren. Aber das ist ein kleiner Teil und der Nutzen für unsere Region ist unter dem Strich viel grösser.
Haben Sie keine Angst, dass die Touristen, sollte das Projekt realisiert werden, in der Simplonregion künftig ausbleiben könnten?
Das Militär ist ja heute schon auf dem Simplonpass und macht Schiessübungen. Insofern wird sich nichts ändern. Durch das Projekt wird es zwar einen zusätzlichen Eingriff in die Natur und Landschaft geben, aber ich glaube nicht, dass es dadurch weniger Touristen geben wird. Zudem werden die Schiessübungen der Armee auch viele Schaulustige anziehen. Auch wenn es für Natur- und Landschaftsschützer absurd klingen mag: Es gibt Leute, die von weither anreisen, um sich solche Demonstrationen anzuschauen.
Wie weiter? Sind Sie zuversichtlich, dass man eine Einigung findet?
Durch die Einsprachen wird die Sache sicher verzögert. Aber ich glaube und hoffe, dass das Projekt realisiert wird. Wir sind sehr daran interessiert, zusammen mit der Armee in die Zukunft zu gehen. Es ist ja nicht so, dass der Simplonpass die einzige Alternative für einen Ausbaustandort wäre, allerdings deutlich der optimalste. Insofern ist es uns wichtig, als Standortgemeinde ein klares Signal nach Bern zu senden. Wenn sich die Armee vom Simplon zurückziehen würde, würden wir das ausserordentlich bedauern.
Wird das Armeeprojekt zu einer Zerreissprobe zwischen Gemeinde und Zweitwohnungsbesitzern?
Ich hoffe nicht. Wir haben und hatten zwar schon in der Vergangenheit ein angespanntes Verhältnis untereinander. Vielleicht müssen wir uns in Zukunft diesbezüglich ein paar Gedanken machen, wie wir den Austausch und das Miteinander verbessern können. Wer aber die Gemeinde im Zusammenhang mit dem VBS-Projekt zum Sündenbock stempeln will, der hat das Dossier nicht studiert. Schon auf der ersten Seite ist das Verfahren nämlich genau festgelegt. Und da kann man feststellen, dass die Gemeinde nichts verbrochen hat. Wir lassen uns nicht aufgrund eines Projekts, bei dem wir nicht federführend sind, alles schlechtreden.
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