Frontal | François Seppey, Direktor der Fachhochschule Wallis

«Wir haben zu wenig Oberwalliser an der Fachhochschule»

François Seppey, Direktor der Fachhochschule Wallis.
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François Seppey, Direktor der Fachhochschule Wallis.
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François Seppey: «Wir sind ein wichtiges Instrument für die Walliser Wirtschaft.»
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François Seppey: «Wir sind ein wichtiges Instrument für die Walliser Wirtschaft.»
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François Seppey: «Wenn es der Fachhochschule gut geht, gehts auch dem Kanton gut.»
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François Seppey: «Wenn es der Fachhochschule gut geht, gehts auch dem Kanton gut.»
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Er ist der Chef von 2400 Studierenden und 600 Angestellten. François Seppey (50), Direktor der Fachhochschule Wallis, über ein Ausbildungszentrum der Walliser Wirtschaft und die Vor- und Nachteile eines zweisprachigen Kantons.

Herr Seppey, erinnern Sie sich an Ihre Studienzeit?
Daran kann ich mich sehr gut erinnern. Nach der Matura in Sitten habe ich mich für einen Studiengang in Betriebswirtschaft an der Hochschule in St. Gallen entschieden. Das war eine sehr spannende und lehrreiche Zeit. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich mich als französischsprachiger Student für einen deutschsprachigen Lehrgang entschieden habe.

Wie sind Sie dazu gekommen, diese sprachliche Herausforderung anzunehmen?
Schon im Gymnasium in Sitten hatte ich Deutsch­unterricht mit dem damaligen Professor Fux. Er war ein sehr strenger Lehrer und sein Unterricht war für alle Studenten ein Horror (lacht). In dieser Zeit habe ich einen kurzen Sprachaufenthalt in Deutschland gemacht und schliesslich habe ich mich dazu entschieden, den Studiengang in St. Gallen zu absolvieren. Ich habe mir gesagt, die Mehrheit in der Schweiz spricht Deutsch und ich will diese Sprache lernen. Aber es war nicht einfach. Ich war der einzige französischsprachige Student in meiner Klasse.

Waren Sie ein guter Student?
Doch, ich glaube schon. Ich musste nur einmal eine Prüfung in Privatrecht wiederholen. Aber beim zweiten Anlauf hats dann geklappt. Ich muss zugeben, dass ich immer sehr schnell gelernt habe. Das ist mir natürlich auch zugute gekommen. Dadurch blieb mir mehr Zeit, um das Studentenleben auch aus­serhalb der Studiensäle zu geniessen. Ich habe viel und gerne Fussball gespielt und habe ab und an auch mal ein Bier getrunken.

Die Fachhochschule Wallis bietet auch zweisprachige Studiengänge an. Wird diese Möglichkeit von vielen Studierenden wahrgenommen?
Sehr unterschiedlich. Wir haben proportional zur Bevölkerung gesehen zu wenig deutschsprachige Studierende. Das heisst, momentan studieren rund 17 Prozent aus dem deutschsprachigen Wallis bei uns und 83 Prozent kommen aus der Westschweiz, inklusive Mittel- und Unterwallis. Dazu kommen unterschiedliche Voraussetzungen. Beim Studiengang Pflege beispielsweise gibt es zwei Kulturen in der Schweiz. Die französischsprachige Kultur setzt bei der Ausbildung auf Fachhochschulen, während die Deutschschweiz auf höhere Fachschulen setzt. Diese unterschiedlichen Ausrichtungen spüren wir auch bei uns an der Fachhochschule, weil ein Teil der Oberwalliser Jugend­lichen lieber in die Deutschschweiz geht, um dort zu studieren. Das bedauern wir natürlich sehr, aber hier sind uns leider die Hände gebunden. Darum ist die Politik gefordert, entsprechende Massnahmen zu ergreifen und die Ausbildungsmöglichkeiten zu prüfen.

«Im Studiengang Physiotherapie haben wir den Numerus clausus»

Glauben Sie, dass die französische Sprache einige Studierende davon abhält, sich an der Fachhochschule Wallis einzuschreiben?
Das glaube ich eher weniger, weil wir die Studiengänge in Betriebswirtschaft, Wirtschaftsinformatik, Tourismus, Pflege und soziale Arbeit auch in Deutsch anbieten. Wenn jemand die Ausbildung zweisprachig machen möchte, ist das natürlich auch möglich. Aber wir bieten diese Lehrgänge in der jeweiligen Muttersprache an. Bei der Physiotherapie hingegen wird nur ein zweisprachiger Studiengang angeboten. Ein Problem haben wir diesbezüglich auch bei den Ingenieurwissenschaften. Hier fehlt die sogenannte kritische Masse, das heisst, wir haben zu wenig Studierende aus dem Oberwallis, die sich für diesen Lehrgang entscheiden. Die Folge davon ist, dass wir im 2., 3. und 4. Ausbildungsjahr gemischte Klassen haben und praktisch nur auf Französisch und Englisch unterrichten.

Ist es für die Studierenden ein Vorteil, eine Fachhochschule in der Region zu besuchen?
Das nehmen wir unterschiedlich wahr. Viele Jugendliche wollen sich gerade in der sogenannten Sturm- und Drangzeit von zu Hause lösen. Sie wohnen lieber weiter weg von zu Hause in einer grösseren Stadt. Hinzu kommen die kulturellen Unterschiede. Die Oberwalliser fühlen sich mehr Richtung Deutschschweiz hingezogen, während sich die Welschwalliser mehr in Richtung Westschweiz orientieren. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Dazu kommt, dass es das Bildungssystem in der Schweiz zum Glück jedem erlaubt, seinen Ausbildungsplatz frei zu wählen. Und das ohne Mehrkosten. Diese Möglichkeit nutzen auch viele Walliser Studierende und wählen einen Ausbildungsplatz in einem anderen Kanton.

Während die Studiengänge an der HES-SO Wallis in den technischen Bereichen mässig ausgelastet sind, findet in anderen Bereichen eine Regulierung statt. Wie kommt das?
In den Bereichen soziale Arbeit, Tourismus und Physiotherapie ist die Nachfrage so gross, dass wir nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten aufnehmen können. Zum Beispiel für den Studiengang Physiotherapie in Leukerbad haben wir doppelt so viele Anmeldungen wie freie Plätze. Darum müssen wir hier eine Art Numerus clausus einführen. Das ist einerseits schade, aber andererseits werden nur die Besten zu diesem Lehrgang zugelassen. In den technischen Bereichen hingegen haben wir mehr Mühe, die freien Plätze zu besetzen. Das ist insofern schade, als dass genau in diesem Segment in der Berufswelt viele freie Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Ingenieure und Techniker sind heiss begehrt. Darum müssen wir diese Berufe attraktiver machen, sonst müssen wir in ein paar Jahren in diesen Bereichen noch mehr Fachkräfte aus dem Ausland holen.

«Wir sind ein wichtiges Instrument für die Walliser Wirtschaft»

Die Zahl der Studierenden ist seit dem Jahr 2000 von 700 auf rund 2400 Studierende angestiegen. Das entspricht einem Wachstum von über 300 Prozent, während die Zahl der Uni-Eintritte in der gleichen Zeitspanne gerade mal um 14 Prozent gewachsen ist. Wie erklären Sie sich diesen Zulauf an der Fachhochschule?
Diese Zahl muss relativiert werden, da sie die zwischenzeitlich erfolgte Integration der Ausbildungen in Gesundheit und sozialer Arbeit beinhaltet. Es ist aber Tatsache, dass die Anzahl Studenten in den Fachhochschulen schneller gewachsen ist als in den Universitäten. Das hat mit dem Bildungssystem zu tun. Früher hatte ein Schulabgänger die Möglichkeit, eine Berufslehre zu machen oder das Gymnasium und später die Universität zu besuchen. Heute gibt es viel mehr Möglichkeiten. Wer eine Berufslehre absolviert, kann berufsbegleitend die Berufsmaturitätsschule machen oder nach der Lehre studieren. Dadurch stehen den Jugendlichen viele Wege offen und die Zahl der Studierenden steigt dadurch kontinuierlich an.

Hand aufs Herz: Macht Sie das stolz, dass die Zahl der Studierenden an der HES-SO Wallis zunimmt?
Das ist die logische Folge des dualen Bildungssystems der Schweiz. Früher wurde der Schwerpunkt der Ausbildung auf die Berufsbildung gelegt. Und das war richtig so. Heute haben die Jugendlichen die Möglichkeit, parallel zur Lehre zu studieren und so relativ einfach zu Kaderstellen zu kommen. Das ist eine grosse Chance für die Gesellschaft, aber auch für die sogenannte zweite und dritte Generation von Ausländern, die sich beruflich integrieren können und somit ihren Teil zur Entwicklung der Wirtschaft beitragen können.

Wie wichtig ist die kantonale Fachhochschule für die Walliser Wirtschaft?
Wir sind ein sehr wichtiges Instrument für die Walliser Wirtschaft. Nehmen wir den Bereich Pflege. Das Spital Wallis hat ein grosses Interesse daran, dass wir zweisprachige Pflegerinnen und Pfleger ausbilden. Nicht zuletzt deshalb, weil sich sonst viele Oberwalliserinnen und Oberwalliser in ausserkantonalen Spitälern behandeln lassen. Das wiederum kostet den Kanton viel Geld. Darum muss auch der Kanton daran interessiert sein, dass das Pflegepersonal gut ausgebildet und mehrsprachig ist. Auch die Lonza oder andere industrielle Firmen müssen grosses Interesse daran haben, dass wir gut ausgebildete Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt bringen. Diese Nachfrage wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen. Darum darf die Ausbilung nicht nur mit dem Kostenfaktor in Verbindung gebracht werden, sondern es ist eine Investition in die Zukunft und hat direkte Auswirkungen für den Wirtschaftsraum Wallis. Zusammengefasst kann man sagen: Wenn es der Fachhochschule gut geht, dann geht es auch dem Kanton gut.

«Wenn es der Fachhochschule gut geht, gehts auch dem Kanton gut»

Wie steht die HES-SO Wallis im qualitativen Vergleich mit anderen Hochschulen da?
In einigen Studiengängen sind wir top, in anderen besteht Handlungsbedarf. Im Bereich Pflege und Wirtschaftsausbildungen können wir mit jedem anderen Standort problemlos mithalten. Im Tourismus hingegen haben wir Aufholbedarf, weil dieser Studiengang erst seit einigen Jahren auf Fachhochschulniveau angeboten wird. Früher war es eine höhere Fachschule. Hier braucht es noch etwas Zeit, bis wir das gewünschte Niveau erreicht haben. Allgemein lässt sich sagen, dass jeder Studiengang fortlaufend an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst werden muss. Das braucht eine gewisse Flexibilität. Denn keiner weiss, was in zehn oder fünfzehn Jahren auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Darum haben wir an den Fachhochschulen einen Beirat, der eine enge Verbindung zu den Betrieben und Unternehmen hat, um den Puls der Marktwirtschaft zu spüren.

Zurzeit bieten Sie insgesamt neun Studiengänge an sieben verschiedenen Standorten an. Ist ein weiterer Ausbau geplant?
Wir sind immer offen für Neuigkeiten. Erst vor drei Jahren haben wir mit dem Studiengang «Energie und Umwelttechnik» einen neuen Lehrgang eröffnet und im Oktober dieses Jahres die ersten Diplome vergeben. Was die Kapazität betrifft, finden wir immer Lösungen. Momentan bauen wir den neuen Campus in Sitten in Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne. Das ist eine Riesenchance für das ganze Wallis. Auch der Bau von BioArk in Visp wurde im Rahmenkredit geplant und jetzt ist diese Investition realisiert. Hier entsteht eine Ausbildungsstätte für angehende Techniker und Ingenieure. Dadurch wird die Attraktivität dieser Berufe gesteigert. Letztlich profitieren davon vor allem viele industrielle Betriebe wie die Lonza, die Scintilla, Constellium oder Synthes.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Seppey
Name François
Geburtsdatum 7. Oktober 1966
Familie verheiratet, zwei Töchter
Beruf Betriebswirtschafter
Funktion Direktor HES-SO Wallis
Hobbies Skitouren, Natur, Fussball
Die Wertschätzung der Fachhochschule Wallis ist zu gering. Nein
Früher waren die Studierenden selbstständiger. Nein
Die Mittelschulen machen zu wenig Werbung für die Fachhochschule. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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