Stalden | Gemeindepräsident Egon Furrer im grossen Frontalinterview
«Wer nicht über den Tellerrand sieht, stoppt die Entwicklung»
Ein Wohnbauprojekt soll realisiert werden. Der Bahnhofumbau steht vor dem Abschluss. Mit dem Bau der Umfahrungsstrasse wurde begonnen. Stalden lebt. Mittendrin: Egon Furrer, Gemeindepräsident. Seine Zukunft ist jedoch ungewiss.
Egon Furrer, gestern feierte das Wallis Fronleichnam. Haben Sie auch die Militäruniform getragen, wie es in Stalden zur Fronleichnam-Tradition gehört?
Für mich war das früher das eine oder andere Mal ein Thema. Doch heuer gehörte ich wieder zu den «Himmelträgern.» Diese Aufgabe übernehmen in Stalden jeweils vier der insgesamt sieben Gemeinderäte.
Reden wir über die Projekte, die Stalden derzeit beschäftigen. Einerseits ist das die Umfahrungsstrasse. Was ist der Stand der Dinge?
Im vergangenen Oktober konnte mit dem Bau der Umfahrungsstrasse begonnen werden. Wir hoffen nun, dass im Juni eine weitere Etappe, welche den Felsabtrag für das Auflager der Brücke bei der Metzgerei Zuber beinhaltet, in Angriff genommen wird. Es wären dann sowohl die obere wie auch die untere Baustelle in Betrieb. Der Start ist getan. Der Kanton als Bauherr hat ein Zeichen gesetzt und zeigt damit, dass die Umfahrungsstrasse Stalden eine gewisse Priorität geniesst. In einem nächsten Schritt geht es darum, dass das «grosse Los» ausgeschrieben wird.
Welche Priorität geniesst denn das Projekt derzeit in Stalden?
Ich bin überzeugt, dass 99 Prozent der Staldner Bevölkerung hinter diesem Projekt stehen. Doch der künftige Gemeinderat wird gefordert sein, aktiv zu bleiben und sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich das Dorf Stalden nach der Realisierung der Umfahrungsstrasse positioniert. Stalden wird von der Umfahrung aus von einem anderen Blickwinkel wahrgenommen.
Wie meinen Sie das?
Die Leute, vor allem die Unternehmer im Dorf, werden gezwungen sein, sich der neuen Situation anzupassen. Es ist falsch, wenn wir denken, dass sich ausser der Reduktion des Lärms, den enormen Abgasen und dem übermässigen Verkehr mit der Umfahrung von Stalden nicht viel ändern wird. Stalden muss als Dorf auch nach der Umfahrung funktionieren. Unternehmer müssen umdenken, innovativ sein und neue Konzepte und Angebote erarbeiten, das wird eine grosse Herausforderung für das Gewerbe in unserem Dorf. Es gilt, wo es kein Angebot gibt, kann auch keine Nachfrage entstehen.
Welche Bedeutung erhält die jetzige Strasse, die durch Stalden führt?
Der meiste Verkehr wird anschliessend über die Umfahrungsstrasse geführt. Die Verkehrsflüsse durchs Dorf sollen entschleunigt werden, Stalden soll aber weiter auch verkehrstechnisch funktionieren. Zudem gilt es, sich einzubringen, wie anschliessend der öffentliche Verkehr durch unser Dorf führt. Die Strasse durchs Dorf wird mit Sicherheit im Hauptstrassennetz des Kantons verbleiben.
«99 Prozent der Staldner stehen hinter dem Bau der Umfahrungsstrasse»
Der Bau der Umfahrungsstrasse ist stark von der Mitfinanzierung des Kantons abhängig (der Kanton steuert 12 Millionen Franken bei, die Red.). Mehr Einfluss hat die Gemeinde auf das Wohnbauprojekt «Unneri Merje». Wie sehen Sie der Abstimmung am 5. Juni entgegen?
Für mich sowie den gesamten Gemeinderat ist wichtig, dass wir die Bevölkerung transparent über das Projekt informieren. Das haben wir getan. Es soll keine offenen Fragen geben. Jeder soll entscheiden, ob er das Projekt nun befürwortet oder nicht. Ich als Gemeindepräsident, aber auch der gesamte Gemeinderat finden es äusserst wichtig, dass wir in Stalden ein solches für unser Dorf zukunftsweisendes Projekt verwirklichen können.
Wie spüren Sie zurzeit den Puls der Bevölkerung?
(überlegt lange) Ich spüre den Puls nicht, bin jedoch optimistisch, dass unsere Leute dem Projekt zustimmen. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen und Teile der Bevölkerung, die nicht richtig verstehen, was wir eigentlich machen wollen. Doch für eine Gemeinde wie Stalden ist das Projekt «Unneri Merje» von enorm grosser Bedeutung. Wir dürfen nicht vergessen, dass vermutlich kaum ein Investor nach Stalden kommt und einfach so 30 Wohneinheiten baut, 20 davon in einer ersten Phase. Doch wir haben den Vorteil, dass wir den Boden bereits besitzen und die Gemeinde sechs Wohneinheiten selber kauft, um das Projekt voranzutreiben. Die Gemeinde tritt dabei nicht als Bauherr auf und investiert netto 2,7 Millionen Franken.
Weshalb sehen Sie das Projekt als derart wichtig an?
Ein Dorf wie Stalden muss sich mit verschiedenen Problemen auseinandersetzen: Die Abwanderung oder die fehlenden Familien und Kinder, um die Schule in der Region langfristig zu erhalten, sind einige davon. Deshalb müssen wir attraktiven Wohnraum schaffen und ich bin sicher, dass das Angebot seine Nachfrage findet.
Ist das die Aufgabe der Gemeinde?
Darüber kann man diskutieren. Der Gemeinde liegt jedoch viel daran, Stalden auch künftig attraktiv zu halten und zu gestalten. Deshalb werden wir aktiv.
...weil Stalden auch die nötigen finanziellen Mittel dazu hat.
Selbstverständlich, die finanziellen Mittel sind vorhanden, mit einem Pro-Kopf-Vermögen von 5600 Franken können wir die Herausforderungen der Zukunft aktiv angehen. Wir investieren in den Immobilienmarkt, indem wir sechs Wohneinheiten kaufen und diese dann den Leuten zur Vermietung anbieten. Durch das Engagement der Gemeinde kann das Projekt erst realisiert werden und es bringt für die gesamte Gemeinde einen grossen Mehrwert.
Mit dem Bau von 30 Wohneinheiten wird die Zukunft von Stalden jedoch kaum gesichert sein.
Nein, es braucht Anschlussprojekte, die Entwicklung, die Gestaltung der Zukunft ist nie abgeschlossen. Stalden soll dadurch noch lebenswerter werden. Einen Mittagstisch und eine Kita konnten wir bereits schaffen, jetzt kommt der nächste Schritt. Junge Familien beschäftigen sich mit vielen Fragen: Sie wollen wissen: Gibt es im Dorf einen Arzt, ein Lebensmittelgeschäft, eine gut funktionierende Schule, ein Naherholungsgebiet, wie steht es mit dem öffentlichen Verkehr, was gibt es für Freizeitangebote?
«Ich werde im Frühling 2017 nicht mehr als Grossrat kandidieren»
Wie ist das weitere Vorgehen, falls die Bevölkerung grünes Licht für das Wohnbauprojekt gibt?
Dann verhandeln wir mit dem Investor weiter. Dieser wird, so hoffen wir, das Wohnbauprojekt realisieren, an den Markt gehen und Wohneinheiten zum Verkaufen anbieten. Dazu braucht es ein Ja der Bevölkerung, ein Ja zur Nachhaltigkeit, zum Wachstum, ein Ja zur Zukunft, möglichst ein klares Ja.
Ein weiteres Projekt ist der Totalumbau des Bahnhofs, der im November abgeschlossen wird. Dieser stellte die Gemeinde vor einige Herausforderungen. Wie gross ist die Erleichterung, dass dieser bald fertiggestellt ist?
Dieses Projekt war ein tolles Signal seitens der MGBahn, die bereit war, in die Bahninfrastruktur in Stalden zu investieren. Für uns war es wichtig, die Gunst der Stunde zu erkennen, gut zu verhandeln und zahlreiche Anschlussprojekte zu realisieren. Deshalb waren die Umbauarbeiten am Bahnhof für unsere Gemeinde auch eine grosse Chance.
«Stalden ist ein attraktives Dorf – dies gilt es auszunutzen»
Eines dieser Anschlussprojekte bereitet Ihnen derzeit Sorgen: das Strassenbauprojekt Zufahrt West, bei dem Einsprecher bis vor das Kantonsgericht gingen.
Die Situation ist unverändert und deshalb für uns auch ein bisschen mühsam. Durch diese Einsprachen wird das ganze Projekt verteuert, denn wir können nicht mit der MGBahn zusammen bauen. Deshalb legen wir den Fokus nun darauf, alles zu bauen, das Sinn macht. Die geplante Postautohaltestelle wird es bei der Zufahrt West ohnehin geben. Zudem bin ich zuversichtlich, dass das Kantonsgericht zu unseren Gunsten entscheiden wird.
Was, wenn nicht?
Dann müssten auch wir uns hinterfragen. Doch damit beschäftige ich mich nicht. Das ganze Projekt gehört zur Entwicklung unseres Dorfes und ich finde es wichtig, dass jeder über den eigenen Tellerrand schaut und erkennt, dass er das Dorf nicht in seiner Entwicklung stoppen darf.
Eine Entwicklung ist bei der Umrüstung der Beleuchtung im Dorf derzeit im Gang. Alles wird auf LED umgerüstet. Erklären Sie.
Damit haben wir bereits begonnen und wir werden in den nächsten zwei bis drei Jahren phasenweise die gesamte Beleuchtung topmodern umgerüstet haben.
Herr Furrer, Sie sitzen seit 1997 im Staldner Gemeinderat, sind seit 2001 Gemeindepräsident. Gibt es nochmals vier Jahre?
Das ist noch offen. Es laufen derzeit noch Diskussionen mit dem Wahlausschuss.
Stalden ohne Sie ist doch unvorstellbar.
Nein, nein, das stimmt nicht. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen. Nicht vergessen darf man: Im nächsten Jahr werde ich 60-jährig und mit meinen vier Enkeln kommt ohnehin nie Langeweile auf.
Was muss ein Gemeindepräsident mitbringen?
Er muss pflichtbewusst, korrekt und selbstsicher sein und gleichzeitig muss er einen gewissen Respekt vor dem Amt des Gemeindepräsidenten haben. Von grossem Vorteil ist ein weit gestreutes Netzwerk. Aber am wichtigsten ist der gesunde Menschenverstand.
Und wie sieht es mit dem Grossratsmandat aus?
Dieser Entscheid steht fest und ist diesmal definitiv. Ich werde im Frühling 2017 nicht mehr kandidieren.
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