Frontal | Pfarrer Paul Martone

«Viele Vorwürfe an mich sind ungerechtfertigt»

Paul Martone: «Manche Leute finden meinen Entscheid mutig.»
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Paul Martone: «Manche Leute finden meinen Entscheid mutig.»
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Paul Martone: «Die Zeit der Wunschkonzerte in den ­Pfarreien ist vorbei.»
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Paul Martone: «Die Zeit der Wunschkonzerte in den ­Pfarreien ist vorbei.»
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Die Nachricht vom ­vorzeitigen Abgang von Pfarrer Paul Martone (56) aus den Pfarreien Steg und Gampel sorgt für Aufsehen. Der abtretende Pfarrer nimmt ­Stellung.

Pfarrer Paul Martone, wie geht es Ihnen nach den Ereignissen der vergangenen Wochen?
Es war keine einfache Zeit. Die letzten Wochen waren sozusagen eine vorgezogene Karwoche für mich. Aber jetzt geht es auf Ostern zu.

Sie sprachen in der Tagespresse von mobbing­artigem Druck, den Sie gespürt haben. Sind Sie erleichtert, als Pfarrer von Steg und ­Gampel demissioniert zu haben?
Ja und Nein! Einerseits bin ich traurig, dass es so ausgegangen ist, andererseits bin ich froh, dass ich so entschieden habe. Viele Leute haben mich darauf angesprochen und finden meinen Entscheid mutig. Einige bedauern meinen Weggang, andere schämen sich und wieder einige sind wohl froh, dass ich gehe (lacht). Es bringt auch nichts, wenn man etwas erzwingen will. Das führt zu nichts. Damit ist den Pfarreien nicht gedient und mir selbst auch nicht.

Die Vorwürfe gegen Sie haben es in sich: Sie seien zu faul, alle Messen zu lesen, seien stur und würden eigenmächtige Entscheide fällen …
Die Vorwürfe sind tatsächlich massiv, aber grösstenteils ungerechtfertigt. Das gibt mir zu denken. Wenn man mir unterstellt, ich sei zu faul, um Messen zu lesen, so stimmt das ganz einfach nicht. Bevor ich mein Amt im September 2016 angetreten habe, waren in den Pfarreien Steg und Gampel zwei vollamtliche Priester tätig. Seit einem halben Jahr bin ich alleine für die beiden Pfarreien zuständig. Darum habe ich die Anzahl der Messen in den beiden Pfarreien, die aus fünf Ortschaften bestehen (hinzu kommt saisonal noch ein sechster Ort hinzu) halbiert. Das hat mit Faulheit gar nichts zu tun, sondern ist die logische Konsequenz daraus, dass ich jetzt allein Pfarrer bin, unterstützt durch einen ständigen Diakon, der zwar keine Messen, aber regelmässig Wortgottesdienste feiern kann. Ich kann nun mal nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Andererseits frage ich mich, ob man überall und bei jedem Event eine Messe feiern muss? Es ist zwar schön, wenn man noch nach einer Messe fragt, aber was sollen wir tun, wenn das Personal fehlt?

Mit anderen Worten, der Personalmangel an Kirchenleuten macht die Situation nicht
einfacher …

Genau! Die Kirche in Europa hat ein Problem, was den Priesternachwuchs betrifft. Dieser Realität müssen wir uns stellen. Priester sind auch in Zukunft unbedingt notwendig. Wir können aber nicht mehr in jeder Pfarrei einen Geistlichen einsetzen. Darum sind wir darauf angewiesen, mit Laientheologen und -theologinnen zusammenzuarbeiten. Nicht als Not­lösung, sondern als neuen Weg, den Gott uns aufzeigt. Was den Vorwurf der Sturheit angeht – das kann schon sein (schmunzelt). Ich kann nun mal nicht vor jedem Entscheid hundert Meinungen ein­holen, sonst kommen wir nicht weiter. Darum nehme ich mir die Freiheit, meine Verantwortung als Pfarrer wahrzunehmen und einen Entscheid zu fällen. Das kommt nicht überall gut an, und ich werde dann halt mit unfreundlichen ­Titeln «beehrt». Aber damit kann ich leben. Und dass ich an meinem freien Tag keine Beerdigungen machen will, stimmt nicht. Das können die Angehörigen von Verstorbenen, die an einem Mittwoch beerdigt wurden, bezeugen.

Die RZ titelte vor ein paar Wochen «Gampjer wollen nicht nach Steg in die Messe». Dabei ging es darum, dass die Gampjer während der Kirchenrenovation statt nach Steg zur Kirche zu gehen in der Aula des Schulhauses die Messe feiern wollen. Waren es solche ­Vorkommnisse, die Sie zermürbt haben?
Die Bereitschaft, miteinander eine heilige Messe zu feiern oder an einer Prozession teilzunehmen, war und ist auf beiden Seiten nicht gross. Man darf es natürlich nicht verallgemeinern. Es ist nur ein kleiner, aber lauter Kreis, der hier auf stur geschaltet hat. Aber es scheint tatsächlich eine traditionelle Abneigung zwischen den beiden Ortschaften zu geben, die sich bis heute gehalten hat. Da ist es natürlich schwierig, eine Vermittlerrolle einzunehmen und sich als Brückenbauer zu versuchen.

Was gab letztlich den Ausschlag, dass Sie beim Bistum um eine Versetzung gebeten ­haben?
Es waren viele Tropfen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Mehr als den beiden Pfarreien ein Angebot zu unterbreiten, die Schätze und den Wert des anderen zu ent­decken, miteinander Gottesdienste zu feiern und sich als Brüder und Schwestern der einen katholischen Kirche zu erleben, kann ich auch nicht. Meine Aufgabe als Pfarrer und Seel­sorger ist es ja nicht, die Leute zu zwingen, einen Schritt aufeinander zuzugehen. Insofern ist es wohl das Beste, wenn man sich trennt. Bleibt noch zu sagen, dass sich dieses Problem in zehn Jahren von alleine lösen wird. Ganz ­einfach darum, weil es viel zu wenig Geistliche hat. In zehn oder noch weniger Jahren werden sich nicht mehr zwei Pfarreien um einen Geistlichen streiten, sondern ganze Regionen werden sich einen Geistlichen teilen. In verschiedenen Regionen des Oberwallis funktioniert das heute schon ausgezeichnet. Aber dafür muss man flexibel und bereit sein, aufeinander zuzugehen.

Selbstkritisch betrachtet, was hätten Sie anders machen können?
Eigentlich hätte die Messordnung in den beiden Pfarreien schon vor meinem Amtsantritt neu geregelt werden sollen. Das hätte meinen Einstieg extrem erleichtert. So war es natürlich ein denkbar schlechter Einstieg für mich, gleich zu Beginn die Hälfte der Messen streichen zu müssen. Entsprechend harsch sind die Reak­tionen ausgefallen. Vielleicht hätte ich besser informieren oder mehr Leute in die Entscheide einbinden sollen, aber wie gesagt, je mehr Leute mitreden, umso schwieriger wird es, einen Entscheid zu finden. In diesem Zusammenhang darf ich sagen, dass ich sowohl vom Steger wie vom Gampjer Pfarreirat grosse Unterstützung bekommen habe.

Was für einen Ratschlag werden Sie Ihrem Nachfolger geben?
Ich möchte meinem Nachfolger beziehungsweise meinen eventuellen Nachfolgern keine Ratschläge geben. Ich will sie nicht auf die eine oder andere Weise beeinflussen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Bibel, die uns den Rat gibt: «Komm und sieh!»

In letzter Zeit hat man das Gefühl, dass sich Geistliche immer schneller aus einer Pfarrei verabschieden. Werden die Anforderungen immer höher oder haben viele Geistliche kein Durchhaltevermögen mehr?
Die Anforderungen steigen immer mehr, ganz einfach darum, weil ein Geistlicher immer mehr Pfarreien betreuen muss. Dadurch steigt der Druck. Früher konnte ein Geistlicher eine einzelne Pfarrei betreuen und hatte Zeit, den Kontakt zu den Leuten zu pflegen. Das ist heute schwieriger geworden. Dazu kommen die zahlreichen Ansprüche der Leute. Allen Anforderungen kann ein Pfarrer aber nicht gerecht werden und soll er auch nicht. Wir werden uns in Zukunft vermehrt auf das Wesentliche der Seelsorge konzentrieren müssen, der Verkündigung des Wortes Gottes. Die Zeit der Wunschkonzerte ist vorbei. Wir haben etliche Priester, die über 60 Jahre alt sind und immer noch tätig sind. Das wird in Zukunft nicht besser. Zurzeit haben wir einen Oberwalliser Seminaristen im Priester­seminar. Und es ist nicht einfach und auch nicht sinnvoll, die Abgänge durch ausländische Priester zu ersetzen.

Müsste sich die Kirche neu erfinden, um mehr junge Leute für das Priesteramt zu ­begeistern?
Die Kirche erneuert sich ständig. Sie muss es auch tun, um mit der immer aktuellen Botschaft Christi auf die Fragen von heute zu antworten. Vielleicht muss man deshalb das Problem aus theologischer Sicht angehen und sich fragen, was will uns Gott damit sagen, dass immer weniger junge Leute in den Dienst der Kirche treten? Will er uns neue Wege aufzeigen? Sollen theologisch ausgebildete Laien mehr Verantwortung übernehmen? Mit diesen Fragen müssten wir uns alle auseinandersetzen. Jeder sollte sich selbst hinterfragen, was er zu einer lebendigen Pfarrei beitragen könnte.

Sie werden neu in Raron und Ausserberg als Pfarrer tätig sein. Keine Angst, dass Sie an Ihrem neuen Standort gewissen Vorurteilen ausgesetzt sind?
Ich vertraue den Menschen in Raron und Ausserberg, dass sie mich an meinen Taten messen und nicht an den Gerüchten und all dem Gerede.

Wir stehen in der Karwoche.­ Trüben diese Vorkommnisse die Vorfreude auf die ­Osterfeierlichkeiten?
Nein. Ich habe die Osterliturgie immer sehr geschätzt und freue mich, zusammen mit den beiden Pfarreien die österliche Feier zu begehen. Denn an Ostern wird das Alte besiegt und Neues entsteht.

Die Fastenzeit neigt sich dem Ende zu. Hatten Sie Ihren Fastenvorsatz eingehalten?
Ich hatte keinen Vorsatz im eigentlichen Sinne. Aber ich habe mir vorgenommen, mir mehr Zeit für mein persönliches Gebet einzuräumen. Das ist mir mehr oder weniger gut gelungen. Andere Vorsätze wie mehr Bewegung oder Ähnliches mache ich nicht, weil ich sie nicht einhalten kann. Wenn man mir in dieser Beziehung Faulheit vorwirft, ist das richtig.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Martone
Name Paul
Geburtsdatum 13. Januar 1961
Beruf Pfarrer
Hobbies Schreiben, Reisen, Geschichtsforschung
Den Geistlichen wird zu wenig Respekt entgegengebracht. Joker
Das Zölibat sollte abgeschafft werden. Nein
Ich würde am liebsten im Vatikan arbeiten. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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