Frontal | Karl Roth, Präsident der Oberwalliser Bergbahnen
«Uns wurde gedroht und Prügel angeboten»
Die jüngste Werbung der Oberwalliser Bergbahnen, die mit Kokain in Verbindung gebracht wurde, sorgte für Aufsehen. Karl Roth (63), Präsident der Oberwalliser Bergbahnen, über die provokative Werbekampagne und die Ausrichtung der Bergbahnbranche.
Herr Roth, am vergangenen Wochenende hat es in höheren Lagen geschneit. Ein Vorweihnachtsgeschenk für die Bergbahnen?
Ja, ganz bestimmt. Der Schnee ist zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Der grösste Teil der Bergbahnen wird ab diesem Wochenende einen durchgehenden Skibetrieb anbieten, daher ist der Zeitpunkt der Niederschläge als optimal zu bezeichnen.
Ist damit das Weihnachtsgeschäft gerettet?
Das Weihnachtsgeschäft ist gerettet. Es hat breitflächig praktisch in allen Skigebieten doch recht viel Schnee gegeben. Das ist eine grosse Erleichterung für die einzelnen Unternehmungen und andererseits wird das Winterfeeling erst jetzt richtig bei den Schneesportgästen geweckt. Diese beiden wichtigen Faktoren tragen zum Erfolg bei.
Die Oberwalliser Bergbahnen haben mit der jüngsten Werbekampagne für Aufsehen gesorgt. Mit dem Slogan «Zieh dir 980 Kilometer Pisten rein» wurde das Wintersportvergnügen mit Kokainkonsum in Verbindung gebracht. War es im Nachhinein ein Fehler, diese Kampagne zu starten?
Nein. Wir sind uns innerhalb der Branche einig, dass die Kampagne ihr Ziel erreicht hat. Werbung hat immer einen grossen Spielraum und jeder kann sie so interpretieren, wie er will. Natürlich waren wir uns im Vorfeld bewusst, dass diese Werbung provozieren wird. Aber dass sogar die nationalen Zeitungen daraus eine Schlagzeile machen, hat uns dann doch etwas überrascht. Die Werbung war nur ein erster Teil und sollte systematisch weiter Richtung Winter aufgebaut werden.
Sie sprechen es an: Das Medienecho auf die Kampagne war riesig. Der mediale Zerriss auch. Hat diese Kampagne auch Sympathien gekostet?
Grösstenteils haben wir positive Feedbacks bekommen. Die Leute waren mehrheitlich der Meinung, dass die Werbung gelungen ist. Aber wir haben auch negative Meldungen erhalten und sogar Droh-Mails, wo uns Prügel angedroht wurde. Auch die Organisationen gegen Suchtgefahren hatten natürlich keine Freude an unserer Werbung. Diese Kritiken haben wir ernst genommen. Wir wollen und wollten nicht die Drogenproblematik bagatellisieren. Unser Ziel war es ganz einfach, auf unsere schönen Wintersportgebiete aufmerksam zu machen. Und das ist uns gelungen. Wie sich das letztendlich auf das Geschäft niederschlägt, kann ich jetzt noch nicht beantworten. Aber wir hatten eine grosse Resonanz und viele Anfragen aus der Deutschschweiz, die sich für den Oberwalliser Skipass interessieren.
Kommen wir weg von der Werbung zu den eigentlichen Problemen der Branche. Viele Bergbahnen haben mit finanziellen und strukturellen Problemen zu kämpfen. Wie gut ist die Branche aufgestellt?
Der Bergbahnbranche im Oberwallis geht es im Grossen und Ganzen gut. Natürlich gibt es kleinere Unternehmen, die ums Überleben kämpfen und deren Daseinsberechtigung fraglich ist. Letztlich ist es aber eine Frage jedes einzelnen Unternehmens, was für Mittel und Möglichkeiten es einsetzt, um Synergien zu schaffen und rentabel zu arbeiten. Im Vergleich mit anderen Bahnen in der Schweiz ist die Bergbahnbranche im Oberwallis gut aufgestellt. Aber der Spielraum für Neuinvestitionen ist relativ klein. Darum muss man Aktienkapitalerhöhungen machen und andere Wege suchen, um sich nötige finanzielle Mittel zu beschaffen.
Trotzdem sind viele Betriebe in existenziellen Schwierigkeiten. Wie gross ist der Investitionsbedarf?
Im Wallis müssten die Bahnen rund 100 Millionen Franken investieren. Im Oberwallis liegt der Investitionsbedarf zwischen 40 und 50 Millionen Franken. Allein im letzten Jahr haben die Oberwalliser Bergbahnen eine ähnliche Summe investiert. Allen voran Zermatt. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Kleinere Bergbahnen sind natürlich nicht so liquid und darum wird es für diese Unternehmen kritisch.
Inzwischen sind schon mehrere ausländische Investoren am Markt, um den Bahnen unter die Arme zu greifen. Ich denke an die Schröcksnadel-Gruppe bei den Saastal Bergbahnen oder an den tschechischen Investor Radovan Vitek beim Bergbahnunternehmen Crans-Montana-Aminona. Wie sehen Sie dieser Entwicklung entgegen?
Ich finde es eine falsche Strategie, sich vollumfänglich in die Hände von ausländischen Investoren zu begeben. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Der Grund ist ganz einfach: Jeder Investor will Kapital aus dem Unternehmen schlagen und wird entsprechende Massnahmen ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen. Darum bin ich der Meinung, dass sich ein Bergbahnunternehmen breiter abstützen muss und eigene Mittel beschaffen sollte. Hier sind auch einheimische Betriebe und Unternehmen gefordert. Das ist eine nachhaltige Strategie. Schlussendlich muss aber jede einzelne Unternehmung selbst ihre Strategie festlegen, weil sie auch die Verantwortung trägt.
Die Saaser Bergbahnen haben mit dem Hammerdeal vor zwei Jahren die ganze Branche unter Druck gesetzt. Heute ist die Anfangseuphorie ein bisschen verblasst. Wie beurteilen Sie die momentane Situation?
Der Hammerdeal hat zu reden gegeben, keine Frage. Und er hat der ganzen Branche insofern geschadet, weil wir schon seit Jahren keine Preiserhöhung mehr machen können. Aber langsam zeigen sich die Nachwehen. Nach der Billig-Preisstrategie ist es sehr schwierig, die Preise wieder anzuheben. Innerhalb der Branche sind wir uns einig, dass wir keine Billigpreispolitik wollen. Unser langfristiges Ziel muss es sein, nicht billiger zu werden, sondern mehr Leistungen zum gleichen Preis anzubieten.
Ski fahren ist in der Schweiz gerade für Familien fast nicht mehr erschwinglich. Wie rechtfertigen Sie die Preise für den Wintersport?
Ich möchte vorausschicken, dass die Schweiz teuer ist. Da macht der Wintersport keine Ausnahme. Dazu kommt, dass jede neue Investition der Bergbahnen wie zum Beispiel der Ersatz einer Anlage schnell an die Millionengrenze geht. Man muss sich aber vor Augen halten, dass der Skitourismus nicht einzeln betrachtet werden darf. Es ist eine ganze Wertschöpfungskette, die der Wintersport nach sich zieht. Eine schweizweite Studie belegt, dass von jedem Franken, den der Gast liegen lässt, gerade mal ein Fünftel den Bergbahnen zugute kommt. Der Rest verteilt sich auf Hotellerie, Parahotellerie, Zubringer usw. Letztlich profitieren alle Leistungsträger von einem Skigebiet.
Ist Ski fahren überhaupt noch in?
Der Wintersport ist nach wie vor sehr beliebt. Es ist aber schwierig, vor allem junge Leute auf die Piste zu bringen. Darum sind wir auf die Hilfe von Kanton und Bund angewiesen, um Kampagnen zu lancieren, damit der Wintersport wieder populärer wird. Das betrifft nicht nur das Ski- oder Snowboardfahren, sondern den Wintersport ganz allgemein. Hier sind auch die Bahnen gefordert, um ein günstiges Angebot zu schaffen, damit die Jugendlichen dem Wintersport frönen.
Wie sieht es aus beim Gästeklientel? Viele ausländische Gäste sind wegen des harten Frankenkurses in den letzten Jahren ausgeblieben. Hat sich das in der Zwischenzeit geändert?
Jein. Aufgrund der harten Währung haben die Oberwalliser Bergbahnen bis zu 30 Prozent an ausländischen Gästen eingebüsst. Vor allem die deutschen Wintersportgäste blieben aus. Inzwischen hat sich der Markt leicht erholt. Aber noch sind wir nicht auf dem Niveau der besten Zeiten. Darum ist es umso wichtiger, dass wir nach wie vor auf eine treue Schweizer Stammkundschaft zählen können.
Müssten sich die Bahnen aufgrund der schwierigen Marktverhältnisse beim Wintersport nicht breiter aufstellen oder nach Alternativen suchen?
Natürlich machen wir uns auch diesbezüglich Gedanken. Viele Stationen haben Schlittelbahnen oder setzen auf Winterwanderwege. Auch sogenannte Schneeschuhtrails stehen im Angebot. Aber trotz dieser Ergänzungsangebote ist der Skisport nach wie vor die bevorzugte Wintersportart.
Über allen Entwicklungen und Massnahmen rund um den Wintersport steht der Klimawandel wie ein Damoklesschwert. Macht Ihnen diese Entwicklung zu schaffen?
Sicher macht man sich seine Gedanken. Bis jetzt spüren wir die direkten Auswirkungen aber glücklicherweise nur am Rande. Glaubt man den Prognosen, dann werden vor allem Skigebiete in tieferen Lagen in den nächsten Jahren grosse Probleme bekommen. Da sind wir hier im Oberwallis in einer eher glücklichen Lage.
Die Politik hat mit dem Gesetz zur Förderung der Bergbahnen und dem Tourismusfonds ein Instrument geschaffen, um die Bahnen wieder auf Kurs zu bringen. Sind Sie zufrieden mit diesen Massnahmen?
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und eröffnet uns neue Möglichkeiten. Einerseits ist es wichtig, dass wir zinslose Darlehen für eine längere Laufzeit bekommen und andererseits, dass wir rund 50 Prozent Investitionsgelder bekommen. Damit sind wir zwar gegenüber den ausländischen Bergbahnanbietern, die bis zu 80 Prozent staatliche Unterstützung erhalten, immer noch benachteiligt, aber es erlaubt uns, die dringend notwendigen Investitionen an die Hand zu nehmen.
Der Schneemangel in tieferen Lagen, der finanzielle Druck und die ausstehenden Gäste machen vielen Anbietern zu schaffen. Wird es in den nächsten zehn Jahren weniger Bergbahnen geben?
Sollte die klimatische Entwicklung anhalten, dann befürchte ich, dass vor allem Bergbahnen in tieferen Lagen eingehen werden. Wie bereits erwähnt, sind wir diesbezüglich aufgrund der Höhenlage im Oberwallis sehr gut aufgestellt. Darum glaube ich, dass sich auch kleinere Anbieter, wenn auch nicht alle, in Zukunft halten können.
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