Frontal | Laura Schmid und Ralf Kreuzer im Streitgespräch

Soll das Wallis für Olympia kandidieren?

Ralf Kreuzer: «Olympische Spiele sind eine grosse Chance.»
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Ralf Kreuzer: «Olympische Spiele sind eine grosse Chance.»
Foto: Andrea Soltermann

Laura Schmid: «Das IOC ist kein glaubwürdiger Partner.»
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Laura Schmid: «Das IOC ist kein glaubwürdiger Partner.»
Foto: Andrea Soltermann

Quelle: RZ 0

Der 10. Juni wird zum Schicksalstag für «Sion 2026». Ralf Kreuzer (35), Delegierter des Kantons Wallis für die Olympischen Spiele, und Laura Schmid (33), Geschäftsführerin WWF Oberwallis, über Chancen und Risiken von Olympischen Spielen.

Aufgrund der letzten Umfragen des Westschweizer Fernsehens sagen 58 Prozent Nein zur Olympiakandidatur «Sion 2026». Nur gerade 42 Prozent wollen dem Vorhaben zustimmen. Herr Kreuzer, beunruhigen Sie diese Zahlen knapp zehn Tage vor der Abstimmung?
Ich setze ein Fragezeichen hinter diese Zahlen. Abgerechnet wird erst am 10. Juni, und ich bin nach wie vor optimistisch, dass die Leute die Chance von Olympischen Spielen erkennen und an das Projekt glauben.

Laura Schmid, haben Sie diese Zahlen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen?
Nimmt man die Umfragen des Westschweizer Fernsehens und der Walliser Zeitungen zur Hand, so fällt auf, dass beide Umfragen zu einem sehr unterschiedlichen Ergebnis kommen. Insofern ist es schwierig zu sagen, welche der beiden Umfragen glaubwürdiger ist. Aber es würde mich überraschen, wenn es innerhalb so kurzer Zeit einen so klaren Meinungsumschwung gegeben hätte. Ich glaube eher, dass die Abstimmung sehr knapp ausfallen wird.

Ralf Kreuzer, wieso soll die Schweiz Milliarden für einen Spiel- und Spass-Event ausgeben?
Olympische Spiele sind eine grosse Chance für unser Land und unseren Kanton. Wir können uns einer weltweiten Öffentlichkeit präsentieren und unsere Landschaft und unsere Gastfreundschaft zeigen. Zudem wird Olympia eine grosse Dynamik für die heimische Wirtschaft auslösen und für den Sport im Speziellen. Olympische Spiele sind ein Sportprojekt, von dem auch verschiedene Nachwuchsprojekte profitieren könnten.

Laura Schmid, warum tun Sie sich mit dem Grossereignis Olympische Spiele so schwer?
Olympische Spiele sind für Sportler ein grosses Ereignis. Mit der Austragung der Spiele sind aber auch viele Risiken verbunden. Angefangen beim Internationalen Olympischen Komitee IOC, das sich bisher noch nie um Nachhaltigkeit gekümmert hat. Das IOC ist kein glaubwürdiger Partner, sondern eine korrupte Organisation. Zudem haben Olympische Spiele in der Vergangenheit grosse Narben hinterlassen, sowohl was die Umwelt angeht wie auch in finanziellen Dingen. Auch die verantwortlichen Walliser Politiker, die für Olympia lobbyieren, bremsen in Bundesbern Umweltanliegen oft aus. Insofern sind das für mich keine glaubwürdigen Vertreter, wenn sie bei Olympia von Nachhaltigkeit reden.
Ralf Kreuzer: Bei der Austragung der Olympischen Spiele hat es in der Vergangenheit tatsächlich viele Defizite gegeben. Allerdings immer nur in Zusammenhang mit der Infrastruktur und nicht mit der Organisation der Spiele. Hier bei uns sind alle Infrastrukturen vorhanden, sodass das Risiko eines Defizits sehr klein ist. Zum Thema Ökologie: Die Olympischen Spiele finden auch ohne uns statt. Darum ist es besser, wenn wir die Zügel in die Hand nehmen und die Spiele umweltfreundlich gestalten. Mit bestehender Infrastruktur und dem öffentlichen Verkehr.

Ein Teil der Bevölkerung will keine Spiele organisieren, die vom Internationalen Olympischen Komitee diktiert werden und das Risiko eines Schuldenbergs tragen. Ralf Kreuzer, können Sie diese Ängste und Unsicherheiten nachvollziehen?
Wir haben im Vorfeld der Spiele die Kosten sehr genau kalkuliert. Dabei sind genug Reserven vorgesehen, um das Budget einzuhalten. Letztlich ist es eine Glaubens- und Vertrauensfrage in die Organisatoren der Spiele.
Laura Schmid: Man darf nicht vergessen, dass die Olympischen Spiele in der Vergangenheit immer und überall rote Zahlen geschrieben haben. Wenn man nun sagt, wir organisieren neue Spiele und es wird alles besser, dann ist das töricht. Es gibt keinen Grund zu glauben, warum im Wallis alles anders sein wird. Auch die Infrastruktur muss angepasst werden. Die Curlinghalle muss umgebaut werden, für die Pisten sind grosse Anpassungen vorgesehen und für die Eisschnelllaufwettbewerbe gibt es noch keinen Austragungsort. Zudem sind die Sicherheitskosten viel zu tief budgetiert.
Ralf Kreuzer: Natürlich muss man aus der Vergangenheit lernen und darum haben wir auch ein Konzept ausgearbeitet, das auf die Schweiz und das Wallis abgestimmt ist. Wir haben zwar keine Eisschnelllaufbahn, aber wir müssen kein einziges Eisstadion, keine Skipisten oder eine Bobbahn konstruieren. Wir haben dann verschiedene Weltcup-Wettkämpfe, die zum gleichen Zeitpunkt stattfinden. Das ist durchaus machbar, sowohl von der sportlichen wie verkehrstechnischen Infrastruktur. Zum Thema Sicherheit: Sowohl sämtliche Polizeidirektoren der Kantone wie auch der Bundesrat und der Walliser Grosse Rat kommen zum Schluss, dass die vorgesehenen Sicherheitskosten von 303 Millionen ausreichen werden.

Laura Schmid, für Sie stehen die Umweltverträglichkeitsbedenken der geplanten Spiele im Vordergrund. Was beanstanden Sie?
Das bestehende Dossier ist recht gut. Aber es ist ein Vorschlag ans IOC. Und die Details werden erst im Host-City-Vertrag geregelt. Darum stimmen wir über einen unverbindlichen Vorschlag ab. Auch Oslo wollte nachhaltige Spiele mit bestehenden Infrastrukturen organisieren. Weil das IOC in seinem Vertrag so hohe Anforderungen stellte, die nicht mehr der Norweger Vorstellung von Nachhaltigkeit entsprachen, zogen sie die Kandidatur zurück. Ich will nicht den Veranstaltern von «Sion 2026» unterstellen, dass der Wille fehlt, um Spiele mit einer bestehenden Infrastruktur zu organisieren. Aber noch fehlt der Vertrag mit dem IOC. Und da habe ich grosse Bedenken, dass das Wallis seine Kandidatur zurückzieht, wenn die Vorstellungen des IOC anders ausfallen als geplant.
Ralf Kreuzer: Oslo ist das perfekte Beispiel. Wenn der Host-City-Vertrag nicht unseren Vorstellungen entspricht, dann ziehen wir die Kandidatur zurück. Wir haben ein Konzept mit bestehender Infrastruktur und wir stimmen am 10. Juni darüber ab, ob das Wallis 100 Millionen in die Spiele investieren will. Wenn das IOC von diesen Vorschlägen abweicht, dann ziehen wir die Kandidatur zurück.

In der Agenda 2020 kündigt das IOC zukunftsweisende Veränderungen für die Austragung der Olympischen Spiele an. Die Transparenz soll erhöht, Kosten gesenkt und ethisches Verhalten gestärkt werden. Das muss doch wie Musik in Ihren Ohren klingen, Frau Schmid?
(lacht) Das tönt in der Tat sehr gut. Aber trotz Agenda 2020 wurden mit Peking und Pyeongchang die Olympischen Spiele an Orte vergeben, die nicht diesen Kriterien entsprechen. Zudem sind bei der Vergabe dieser Austragungsorte schon wieder Korruptionsskandale ans Licht gekommen. Damit ist der Beweis erbracht, dass die Agenda 2020 nichts weiter ist als ein Papiertiger. Darum sehe ich keinen Grund, warum im Hinblick auf die Spiele 2026 plötzlich alles besser werden soll.
Ralf Kreuzer: Die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris sind die ersten Spiele mit der Agenda als Leitfaden und basieren auf bestehenden Infrastrukturen und Nachhaltigkeit. Auch der WWF Frankreich arbeitet da mit. Das finde ich sehr gut und wir würden es begrüssen, wenn der WWF in der Schweiz die Spiele zusammen mit uns gestalten würde. Die Umweltverbände machen es sich in diesem Punkt sehr einfach. Vielleicht wäre es sinnvoller, aktiv bei der Gestaltung der Spiele mitzuarbeiten, anstatt dagegen zu poltern.
Laura Schmid: Ich bin der Überzeugung, dass Olympische Winterspiele in der Grössenordnung und mit den Anforderungen, die das IOC stellt, nicht auf nachhaltige Weise durchführbar sind. Und zwar weder hier noch anderswo. Sollte sich das Walliser Stimmvolk für die Kandidatur entscheiden und das IOC die Spiele ins Wallis vergibt, dann werden wir uns sicher einbringen. Aber bei der Grundsatzfrage Olympische Spiele ja oder nein stimme ich Nein.

6000 Jobs in sieben Jahre, eine Milliarde vom Bund, null Franken Schulden. Der Werbebanner der Olympia-Befürworter tönt vielversprechend. Ralf Kreuzer, stehen Sie für die Jobgarantie und die Durchführung von schuldenfreien Spielen mit Ihrem Namen?
Das Budget ist seriös kalkuliert. Eingerechnet aller Infrastruktur und Sicherheitskosten ist das Risiko extrem klein, dass wir ein Defizit generieren. Zudem haben wir auch Reserven eingebaut. Dass Olympische Winterspiele einen wirtschaftlichen und touristischen Aufschwung bringen, liegt auf der Hand. Von den zwei Milliarden im Budget werden viele Gelder ins Wallis fliessen und Arbeitsplätze schaffen. Dahinter kann ich voll stehen.
Laura Schmid: Das sind unglaublich schöne Versprechen. Aber die Realität sieht leider anders aus. Es gibt viele Studien, die belegen, dass Olympische Spiele langfristig keine oder wenig Auswirkungen auf den Tourismus haben. Man schürt viele Hoffnungen mit Olympia. Wenn es Investitionen gibt, auch touristischer Natur, die das Wallis braucht, dann kann man diese realisieren. Dafür brauchen wir keine Olympischen Winterspiele.
Ralf Kreuzer: Aber wenn wir Olympische Spiele austragen, dann können wir unsere Region vermarkten, positionieren und einem weltweiten Publikum zeigen. Das ist ein unbezahlbarer Werbeeffekt. Schon allein das ist ein Grund, eine Olympia-Kandidatur einzureichen.

Wäre die Austragung der Spiele nicht eine riesige Chance, um dem Wallis den dringend notwendigen touristischen und wirtschaftlichen Aufschwung und der Jugend eine Zukunftsvision zu geben?
Laura Schmid: Was den touristischen und wirtschaftlichen Aufschwung angeht, bin ich mir nicht so sicher. Es gibt mehrere Studien, die besagen, dass es keinen langfristigen Aufschwung gibt und dass es bei einem Strohfeuer bleibt. Olympische Spiele würden sicher viele Leute begeistern. Die Frage bleibt: Ist uns ein zweiwöchiges Spektakel 2,4 Milliarden Franken wert?
Ralf Kreuzer: Olympische Spiele sind ein Projekt, dass über sieben Jahre eine grosse Dynamik auslöst. Von der Vergabe der Spiele bis zur Austragung als eigentlichem Höhepunkt und auch darüber hinaus. Nicht zu vergessen die Paralympics, welche Menschen mit einer Behinderung eine grosse Chance bieten werden. Es wird eine ganze Generation davon profitieren. Ein solches Projekt hat einen Leuchtturmcharakter für die Region und die ganze Schweiz.
Laura Schmid: Die Vergangenheit der olympischen Austragungsorte spricht leider eine andere Sprache. In Lillehammer mussten in den Jahren nach der Austragung der Spiele nicht weniger als 40 Prozent der Hotellerie- und Gastronomiebetriebe bankrott anmelden. Ganz einfach darum, weil alles auf die Spiele fokussiert wurde und der langfristige Aufschwung ausblieb.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Kreuzer
Name Ralf
Geburtsdatum 5. April 1983
Familie verheiratet, zwei Kinder
Beruf Delegierter Kanton Wallis für die Olympischen Spiele
Hobbies Skifahren, Biken, Outdoorsport
Vorname Laura
Name Schmid
Geburtsdatum 15. September 1985
Familie ledig
Beruf Geschäftsführerin WWF Oberwallis
Hobbies Tanzen, Outdoorsport

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