Uetendorf | SVP-Präsident Albert Rösti im Interview
«Mich stört, wenn man mich als nett abzuqualifizieren versucht»
Seit einigen Monaten führt Albert Rösti die wählerstärkste Partei des Landes. Ein Interview über seine Sicht auf sich selbst, Linientreue bei der SVP, den Konflikt zwischen Stadt und Land und sein Verhältnis zu den anderen neuen Parteipräsidenten.
Albert Rösti, vergangene Woche waren Sie Gast bei der Nominationsversammlung der SVP Visp-Eyholz. Warum reist der SVP-Präsident zu einer solchen «kleinen» Parteiveranstaltung?
Es ist mein erklärtes Ziel, möglichst schnell in allen Kantonalsektionen unserer Partei präsent zu sein, besonders dort, wo Wahlen anstehen. Nach dem Erfolg bei den nationalen Wahlen im letzten Herbst geht es für uns nun darum, die Parteibasis zu pflegen. Man darf nicht vergessen, dass die zentralen Figuren in der Politik jene Leute sind, die die Arbeit in den Ortsparteien machen. Das garantiert letztendlich auch den Erfolg auf nationaler Ebene. Aus diesem Grund besuche ich eben auch einzelne Sektionen. Die Reise hat sich sehr gelohnt. Ich durfte zusammen mit Nationalrat Franz Ruppen rund 100 Personen begrüssen.
Im Oberwallis sind die C-Parteien nach wie vor stark. Ist die Arbeit an der Basis bei uns für Sie deshalb von besonderer Wichtigkeit?
Ich konzentriere mich natürlich auf die Regionen, in denen noch Wachstum möglich ist. Und im Oberwallis ist dies sicher der Fall. Im Wallis spüren wir eine grosse Dynamik, die gilt es auszunutzen. Die SVP hat im Wallis ihren Zenit noch nicht erreicht.
Als Gemeindepräsident von Uetendorf sind Sie der Kommunalpolitik verbunden, als Parteipräsident und Nationalrat aber auch der grossen Bühne. Für was schlägt Ihr Herz mehr?
Mein Herz schlägt ganz grundsätzlich für die Politik. Die Frage lässt sich meines Erachtens auch nicht so trennscharf beantworten, denn die Politik lässt sich nicht in kommunale, kantonale und bundespolitische Angelegenheiten aufschlüsseln. Was in Bern entschieden wird, kommt mit etwas Verzögerung zwangsläufig in den Gemeinden an. Meine Tätigkeit als Gemeindepräsident liefert mir die Argumente für die nationale Bühne, da ich sehe, welche Probleme auf kommunaler Ebene existieren. Deshalb ist es für mich ein grosser Vorteil, dass ich in zwei «Welten» zu Hause bin.
Sie gelten als sehr umgänglich, gleichzeitig als knallhart in der Sache. Können Sie mit dieser Einschätzung Ihrer Person gut leben?
Damit habe ich kein Problem, was mich stört, ist, wenn man mich bloss als nett abzuqualifizieren versucht.
Warum? Nett ist doch positiv.
Es ist aber auch eine Herabwürdigung im Sinne von harmlos und das trifft natürlich nicht zu. Ob ich jetzt knallhart bin, sei dahingestellt. Was für mich aber wichtig ist, ist, dass ich mit Fakten arbeite und argumentiere. Mit Polemik dagegen kann ich wenig anfangen. Polemisch und emotional wird man dann, wenn einem die Fakten ausgehen. Und ich vertrete natürlich die Linie der SVP voll und ganz, sonst wäre ich nicht Parteipräsident geworden.
Bei der SVP wird viel über diese Linientreue gesprochen. Gibt es Punkte, in denen Sie nicht linientreu sind?
Sicher gibt es Punkte, in denen ich auch einmal anders abgestimmt habe als der Rest der Partei. Zum Beispiel war ich damals als Bauernsohn für die neue Raumplanung. Allerdings, wenn ich mir die jetzigen Verordnungen ansehe, hat sich meine Ansicht gedreht. Auch bei gesellschaftspolitischen Fragen bin ich vielleicht
etwas liberaler als einige meiner Parteikollegen.
Wie fällt Ihre Bilanz nach den ersten Monaten an der Spitze der SVP aus, bzw. woran merken Sie, dass Sie nun Präsident der wählerstärksten Partei im Land sind?
Die Belastung ist sicher hoch, ich muss viel präsent sein und daher auch viel reisen. Das Interesse der Medien hat natürlich auch stark zugenommen. Und ich bin verantwortlich dafür, dass es in der Partei rundläuft. Bei 90 000 Mitgliedern heisst das, dass man zum Beispiel auch die eine oder andere personelle Diskussion führen muss oder bei Unstimmigkeiten eine Vermittlerrolle wahrnimmt. Insgesamt übe ich die Funktion mit Begeisterung aus und erachte die vielen Kontakte und spannenden Themen, mit denen ich mich beschäftigen kann, als Privileg.
Was für inhaltliche Schwerpunkte wollen Sie als SVP-Präsident verfolgen?
Im Zentrum steht die Unabhängigkeit von der EU. Von einem Beitritt spricht zwar heute niemand, trotzdem gewinnt die EU zunehmend an Einfluss auf die Schweiz, beispielsweise dadurch, dass der Bundesrat mit einem neuen Abkommen eine automatische Rechtsanpassung verhandelt. Dagegen wehren wir uns vehement. Dann wird unser Fokus weiterhin auf der Migrationspolitik liegen. Es wird massiv unterschätzt, was in dieser Sache noch auf die Schweiz und Europa zukommen wird. Was wir erleben, ist keine Frage von Asyl, vielmehr haben wir es mit einer veritablen Völkerwanderung zu tun. Deshalb ist es wichtig, dass wir die richtigen Signale, insbesondere an die Schlepper, aussenden. Wirtschaftsmigranten haben bei uns keinen Platz. Als dritten zentralen Punkt sehe ich die ganze Regulierungswut im wirtschaftlichen Bereich an. Das Regelkorsett ist inzwischen teilweise so eng, dass es kaum noch möglich ist, anständig zu wirtschaften, beispielsweise im Tourismus oder der Gastronomie. Hier setzen wir uns für mehr Freiheit ein.
Auf der anderen Seite empfiehlt Ihre Partei die Annahme des neuen Nachrichtendienstgesetzes, das mehr Kontrolle der Bürger ermöglicht. Ein Widerspruch?
In der Tat bewegt man sich in dieser Angelegenheit in einem grossen Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit. Aber man muss es so sehen: Das neue Nachrichtendienstgesetz ermöglicht keine Überwachung der Bürger, wie man sie noch aus der Fichenaffäre kannte, es gibt genug Sicherungsmechanismen, die den Missbrauch verhindern. Aber das Gesetz ermöglicht allfälligen Terroristen, rechtzeitig auf die Spur zu kommen. Sicherheit ist wichtig, um eine gesellschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Wer will schon in etwas investieren, wenn er nicht weiss, ob seine Investition morgen noch existiert, weil gewisse Leute alles versuchen, die Stabilität des Landes zu unterminieren? Daher brauchen wir das Gesetz, um die nötige Sicherheit zu garantieren und somit die Freiheit der Menschen in unserem Land zu gewährleisten.
Lassen Sie uns über das politische Klima im Land sprechen. Oft wird gesagt, dass die Gräben zwischen Stadt und Land immer grösser würden. Wie erleben Sie das?
Diese Konflikte zwischen Stadt und Land gibt es schon lange, allerdings habe ich schon das Gefühl, dass sich die Gräben öffnen. Die Städte sehen sich als Motor für die Entwicklung der Schweiz, die ländlichen Regionen werden als Reservate gesehen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Diskussion um den Wolf. Die Haltung, dass die Wertschöpfung ausschliesslich in den Städten stattfinden sollte, finde ich jedoch gefährlich und es ist sicher die Aufgabe unsere Partei, dem entgegenzuwirken. Wir finden beispielsweise, dass die Raumplanung nicht so restriktiv sein darf, dass den ländlichen Regionen jeglicher Handlungsspielraum genommen wird. Auch die Randregionen müssen die Möglichkeit haben, Wertschöpfung zu generieren. Für die SVP, die in diesen Regionen traditionell stark ist, ist dies auch aus politischer Sicht wichtig. Denn wenn die Menschen zunehmend in die Städte, die ja oft Mitte-links stehen, abwandern, würde dies unsere Wählerbasis schwächen.
Spüren Sie diesen Konflikt auch innerhalb Ihrer Partei?
In vielen Fragen sind wir uns einig. Aber es gibt natürlich schon auch Differenzen, zum Beispiel wenn Interessen von Industrie und Gewerbe mit jenen der Landwirtschaft kollidieren. Hier gilt es natürlich, eine Balance zu finden. Die SVP unterstützt ja traditionell die Anliegen der Landwirtschaft, was beispielsweise in der Frage nach Freihandelsabkommen zu Konflikten mit dem Gewerbe und der Industrie führen kann. Das ist aber ein Phänomen, das nicht nur die SVP betrifft, alle Parteien kennen solche Differenzen.
Sie sagen, dass Sie für die Wertschöpfung im ländlichen Raum eintreten wollen. Nun spielen Sie jedoch mit dem Gedanken, das Referendum zur Energiestrategie 2050 zu ergreifen. Widerspricht sich das nicht, da ja die Wasserkraft für die Gebirgskantone eine wichtige Einnahmequelle darstellt?
Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind der Meinung, dass die finanziellen Mittel aus der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) vollständig der Wasserkraft zur Verfügung stehen sollten. Die Energiestrategie 2050 stellt der Wasserkraft nur einen Bruchteil dieser Mittel zu Verfügung. Es ist völlig widersinnig, Solar- und Windenergie
zu fördern, die die Wasserkraft enorm unter Druck setzt. Hinzu kommt das Energielenkungssystem der Energiestrategie. Dieses sieht vor, dass die Benzinpreise massiv steigen, was für den ländlichen Raum sehr problematisch wäre, da hier das Auto von zentraler Bedeutung für die Mobilität und somit die Wertschöpfung ist.
Neben Ihnen haben auch bei der FDP und der CVP neue Leute in den letzten Monaten die Parteiführung übernommen. Am Anfang sah es nach eitel Sonnenschein aus, vor Kurzem warf Ihnen FDP-Präsidentin Petra Gössi jedoch vor, Sie seien das Sprachrohr von Christoph Blocher. Ist es schon wieder vorbei mit der Einigkeit im bürgerlichen Lager?
(lacht) Diesen Vorwurf mussten schon Ueli Maurer und Toni Brunner ertragen und beides waren gute Präsidenten. Nein im Ernst, mein Verhältnis zu den Parteipräsidenten der anderen beiden bürgerlichen Parteien ist gut. Wichtig ist, dass wir uns an Abmachungen halten. Aber auch im bürgerlichen Lager gibt es einen Konkurrenzkampf, das ist klar. Alle haben ja immer von einem bürgerlichen Schulterschluss gesprochen. Wir haben uns aber darauf geeinigt, Geschäft für Geschäft einzeln zu betrachten und entsprechende Allianzen zu bilden oder eben nicht. Schliesslich sind wir eigenständige Parteien. Und diesem Prinzip wollen wir weiterhin folgen. Es kommt für uns daher nicht infrage, dass wir nur um der Einheit willen nach links rutschen. Die Frage der Unabhängigkeit, der konsequenten Steuerung der Zuwanderung oder eine konsequente Asylpolitik sind für uns unverhandelbar, alles andere wäre unglaubwürdig. Aber um nochmals auf das Verhältnis zu Petra Gössi und Gerhard Pfister zurückzukommen, ich denke, dass wir politisch näher beisammen sind als unsere Vorgänger, aber am Schluss entscheiden nicht die Präsidenten, sondern die Fraktionen.
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Kommentare
franz - ↑6↓4
Ist die RZ neuerdings das Parteiblatt der SVP?
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