Sitten/Martinach | Interview mit FC Sitten Sportchef
«Mein Wunschtrainer für den FC Sitten ist Jürgen Klopp»
Er polarisiert und wird oft mit seinem berühmten Vater verglichen. Doch als Sportchef des FC Sitten will Barthélémy Constantin (25) seine eigenen Wege gehen und verfolgt dabei ambitiöse Ziele. Ein Gespräch über Motivation und Leidenschaft und sein spezielles Verhältnis zu seinem Vater.
Barthélémy Constantin, wann werden Sie Präsident des FC Sitten?
(lacht lange). Das wird die Zukunft zeigen. Präsident eines Fussballvereins zu sein, bedeutet viel Verantwortung in verschiedenen Bereichen zu übernehmen. Zurzeit könnte ich den Verein nicht führen. Dafür fehlt mir schlicht die Reife und Erfahrung.
Aber es ist doch zumindest Ihr langfristiges Ziel?
Eines Tages sicher. Aber derzeit stellt sich die Frage nicht. Fakt ist: Der FC Sitten ist derzeit klar strukturiert und verfügt über einen Präsidenten, der sein Amt hoffentlich noch so lange wie möglich ausüben wird. Was danach kommt, wird sich früh genug zeigen.
Reden wir über die doch eher ungewöhnliche Konstellation. Christian Constantin ist Ihr Vater und gleichzeitig Ihr Chef. Wie gehen Sie beide damit um (just in diesem Moment kommt Christian Constantin um die Ecke. Er grüsst alle freundlich und für Barthélémy gibt es eine herzliche Umarmung, Anm. Red.)
Sie konnten soeben unschwer feststellen, dass wir ein ausgezeichnetes Verhältnis pflegen. Trotz allem gab es in früheren Tagen auch Krisen. Ich hatte während meiner Pubertät keine einfache Zeit. Ich hatte mit der Trennung meiner Eltern und dem Heranwachsen in die Erwachsenenwelt zu kämpfen. In die Schule ging ich nie gerne und ich wollte Schauspieler werden. Ich war in ständiger Aufruhr. Das hat logischerweise auch das Verhältnis zu meinem Vater beeinflusst. Aber heute funktionieren wir einwandfrei miteinander. Wir spüren uns sehr gut und wissen immer ganz genau, was der andere denkt. Immerhin arbeiten wir mittlerweile seit bald zehn Jahren zusammen.
Erzählen Sie uns, wie Sie vor eben diesen zehn Jahren zum FC Sitten gestossen sind.
Angefangen habe ich quasi als «Mädchen für alles». Dann kam es zum Bruch mit meinem Vater, und ich arbeitete in der Folge als Gemeindearbeiter von Martinach. Während dieser Zeit stand ich aber mit verschiedenen Vereinen in Kontakt und hatte dann ein Angebot eines damaligen Serie-B-Vereins auf dem Tisch. Mein Vater gab mir dann auch als sein Sohn und Mensch eine neue Chance und fragte mich, ob ich nicht eher beim FC Sitten als Teammanager einsteigen möchte.
Und dann?
Es wurde gleich turbulent. In den ersten neun Monaten meiner Tätigkeit kam es zu drei Trainerwechseln (lacht ausgiebig)
Entschuldigung. Warum lachen Sie?
Ich lache gerne. Lachen gehört zum Leben und ist wichtig. Spass beiseite. Nach dem damaligen Abgang von Admir Smajic Mitte Dezember 2014 sagte mir dann mein Vater, dass ich einen neuen Trainer und neue Spieler suchen solle – ab jetzt sei ich Sportchef des FC Sitten. Seither mache ich diese Arbeit und kann für all das, was bisher passiert ist, nur eines sagen: danke. Es ist ein grosses Privileg, was ich machen darf, und ich arbeite jeden Tag motiviert und mit vollem Einsatz.
Zurzeit könnte ich den Verein nicht führen
Zu einem Sportchef gehört auch dazu, dass Entscheidungen getroffen werden müssen. Hand aufs Herz. Was können Sie tatsächlich selbst bestimmen?
In der Regel entscheiden mein Vater und ich zusammen. Wenn es dann um die letzten Verhandlungen geht, sagt mein Vater, wo es langgeht. Schliesslich hat er die Hauptverantwortung und deshalb gehört ihm auch das letzte Wort. Neben Entscheidungen zu treffen, sind aber noch andere Elemente wichtig. Dazu gehört täglich seriöse Arbeit abzuliefern. Mein Vater hat viel Vertrauen in seine Mitarbeiter und tut alles, damit diese gute Arbeit abliefern können. Er verlangt viel, gibt aber auch viel zurück. Schliesslich sind wir aber alle nur Menschen, die Fehler machen.
Nehmen wir das aktuellste Beispiel des neuen Trainers Ricardo Dionisio. Im Zusammenhang mit seinem Engagement war immer nur die Rede von Ihrem Vater. Welche Rolle haben Sie als Sportchef dabei gespielt.
An diese Wahrnehmung habe ich mich in der Zwischenzeit gewöhnt: Wenn es gut kommt, so ist es der Verdienst des Klubs bzw. des Präsidenten Constantin, wenn nicht, bin ich schuld. Das lässt mich mittlerweile kalt. Ich wirke lieber im Hintergrund.
Das steht jedoch im Widerspruch mit ihrem «Einsatz» am Spielfeldrand. Dort sieht man Sie oft gestikulieren und mit den Schiedsrichtern diskutieren. Sportchefs sind doch gewöhnlich besonnen und wirken eher im Hintergrund…
So bin ich halt. Ich bin immer mit vollem Engagement dabei und fiebere jeweils intensiv mit. Der FC Sitten und der Fussball sind meine grosse Leidenschaft, und ich setze mich täglich in den Dienst des Vereins und meiner Arbeit.
Das erinnert stark an Ihren Vater, der auch immer wieder in der Nähe der Spielerbank auftaucht…
So sind wir eben. Für uns steht Familie und der FC Sitten im Mittelpunkt unseres Lebens. Entsprechend verhalten wir uns auf und neben dem Platz. Wir geben jeden Tag vollen Einsatz und tun alles, damit es gut kommt.
Als Sportchef sind Sie Chef einer hoch bezahlten Mannschaft, gleichzeitig sind Sie noch jung und Kritikern zufolge für den Job zu unerfahren. Wie kommunizieren Sie mit Ihrem Personal?
Wir unterhalten einen exzellenten Austausch und wir respektieren uns gegenseitig. Ob meine Meinung schliesslich immer eins zu eins respektiert wird, kann ich nicht beurteilen. Wichtiger erscheint mit aber, dass es auf der persönlichen Ebene funktioniert. Jeder im Team oder Staff weiss, dass ich rund um die Uhr für sie da bin und sie unterstütze, wo ich kann. Ich stelle mich immer hinter jeden Einzelnen.
Wenn etwas schlecht läuft, ist es meine Schuld
Kommen wir zur Aktualität. Die Rückrunde beginnt mit einem Duell gegen einen direkten Konkurrenten der hinteren Tabellenhälfte, den FC Thun. Die Vorrunde war ernüchternd und die Leistungen waren miserabel. Was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft?
Wir nehmen Spiel für Spiel. Zuerst geht es einmal darum, den Match gegen Thun gewissenhaft vorzubereiten, und dass wir das Spiel gewinnen. Ich habe absolutes Vertrauen in den neuen Trainer und die Mannschaft, dass sie das gemeinsam hinkriegen. Wir wollen die drei Punkte, was uns etwas Luft verschaffen würde. Danach schauen wir weiter.
Machen wir das. Was ist Ihre konkrete Strategie?
Wir sind ein junger Verein, mit jungen Spielern, einem jungen und ambitionierten Trainer, einem jungen Sportchef (lacht) und einem jung gebliebenen Präsidenten. Wir wollen mit der jungen Truppe den Verein stabilisieren und an der nationalen Spitze etablieren.
Dafür braucht es aber Ruhe und Konstanz auf allen Ebenen des Vereins…
Sie haben recht. Daran arbeiten wir auch jeden Tag. Von aussen betrachtet ist das Ganze aber immer einfach zu beurteilen. Es sind auch nicht immer nur sportliche Aspekte, die über einen Spieler- oder Trainerwechsel entscheiden. Was in einem Verein tagtäglich abgeht, wissen nur die wenigsten. Deshalb kann die Aussenwahrnehmung gar nicht objektiv sein. Ich verstehe aber, dass die Fans lieber sportliche Erfolge feiern, als sich mit dem Geplänkel neben dem Platz auseinandersetzen zu müssen. Darum tue ich tagtäglich alles, was in meiner Macht steht, damit wir sportlich erfolgreich sein können und vielleicht eines Tages im «Tourbillon» die Champions-League-Hymne hören können.
Mit welchem Wunschtrainer würden Sie diese Ziele gerne erreichen?
Jürgen Klopp.
Peter Abgottspon
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