Zermatt | Frontalinterview mit Heinz Julen

«Mein Stil lebt von seiner Eigenständigkeit»

Heinz Julen.
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Heinz Julen.
Foto: RZ

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Mit seinen Ideen, Visionen und seiner Kunst erregt Heinz Julen (52) Aufsehen weit über die Walliser und Schweizer Grenzen hinaus. Im RZ-Interview spricht der Zermatter über vergangene, aktuelle und zukünftige Projekte.

Heinz Julen, Sie wurden schon als Künstler, Hotelier, Designer, Architekt, Unternehmer oder Tüftler bezeichnet. Was ist Ihnen am liebsten?
(Überlegt lange) Eine sehr schwierige Frage. Ich habe keinen Anspruch, mich als irgendetwas zu betiteln.

Anders gefragt, in welchen Bereich investieren Sie am meisten Zeit?
Ich mache verschiedene Sachen. Da ist der Hotelbetrieb mit Gastronomie, das Atelier mit sieben Angestellten, der Heinz Julen Design Shop und ein Architekturbüro, das ich zusammen mit einem Partner in Zürich betreibe. Im weitesten Sinn bin ich Unternehmer, obwohl ich mich nicht als Unternehmer sehe, der möglichst eine hohe Rendite erwirtschaften will. Das Unternehmertum ist dazu da, damit ich meine Projekte vorantreiben kann.

Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Ein Projekt, welches mir täglich irgendwie im Kopf umhergeistert, ist der Bau eines neuen Hotels im Zermatter Quartier Winkelmatte. Inspiriert durch und angepasst an die Umgebung, plane ich dort ein Chalethotel. Das Projekt existiert auf dem Papier und ist jetzt in der Eingabephase. Die Pläne liegen schon seit einem Jahr auf, allerdings führen Einsprachen zu Verzögerungen. Etwas einfacher geht das Projekt in Stalden voran, wo ich ein altes Wohnhaus gekauft habe, das ich umbauen will. Im Februar/März soll es losgehen.

Wieso gerade in Stalden?
Jeder Ort hat seine speziellen Qualitäten. Über die Architektur können diese Qualitäten hervorgehoben und in Szene gesetzt werden. Beim Projekt in Stalden ist es der unmittelbare Blick auf den alten Dorfkern, die alte Kirche und den Friedhof, den man vom Haus aus hat. So erzeugen beispielsweise die zahlreichen brennenden roten Kerzen auf dem Friedhof mit angestrahlter Kirche nachts eine ganz spezielle Stimmung.

Auf was legen Sie besonders Wert, wenn Sie etwas Neues planen?
Meine Projekte baue ich grundsätzlich immer so, dass ich mich selbst darin wohlfühlen würde. Ich sage mir, wenn es mir entspricht, so wird es Leute geben, denen das auch gefällt.

So wie Ihr Backstage Hotel, wo Sie mit Ihrer Familie in der obersten Etage wohnen.
Ja. Ich habe eine Slogankarte kreiert: «My home is your home». Mit dem Backstage Hotel habe ich mir mein eigenes Haus gebaut mit allem, was wir uns zum Wohnen wünschen: eine hochstehende Gastronomie, wobei ich natürlich am liebsten die Kochkunst meiner Frau bei uns privat mag, ein Kino, Kunstausstellungen, ein spezieller Wellnessbereich. Dazu profitiere ich vom Service, der ein solches Hotel bietet.

Stichwort hochstehende Gastronomie. In Ihrem Restaurant kocht jetzt schon in der fünften Wintersaison Starkoch Ivo Adam. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Ivo Adam hatte die Idee, in meinem Hotel ein Restaurant zu betreiben. Adam suchte eine Möglichkeit, um seine Topcrew aus Ascona im Winter beschäftigen zu können. Das hast sich sehr bewährt und findet heute zahlreiche Nachahmer. Pro Abend werden im Restaurant After Seven nur 20 bis 30 Gäste empfangen. Das Restaurant in Zermatt ist jetzt sogar noch höher prämiert als das Stammlokal in Ascona.

Heinz-Julen-Ambiente gibt es aber nicht nur in Lokalen in Zermatt, sondern auch in der Deutschschweiz.
Ja, die Baracca Zermatt, eine Art Fondue-Hütte, die es in Basel und Zürich gibt und deren Inneneinrichtung ich konzipiert habe. Für viele Leute verkörpert mein Stil zu 100 Prozent Zermatt. Dazu stammen die Produkte, der Wein, die Fonduemischung, das Trockenfleisch und die Matterhörnli der Bäckerei Biner alle aus dem Wallis. Diese Baraccas Zermatt sind ein Riesenerfolg und gleichzeit beste Werbung für die Destination Zermatt. Neuerdings gibt es auch eine Baracca Zermatt im deutschen Heidelberg und hat auch dort wie eine Bombe eingeschlagen.

«Musik ist meine versteckte Leidenschaft»

Was ist das Besondere an Ihrem Stil?
Meine Arbeit folgt keinem Modetrend. Sie ist nicht trendfähig. Trends kommen und gehen. Mein Stil lebt von einer Eigenständigkeit, die aus der Geschichte entstanden ist.

Sehr besonders ist der Wellnessbereich im Hotel Backstage, der symbolisch den Schöpfungsbericht abbildet. Wie kam es dazu?
Die meisten Wellnessanlagen haben einen Asia­touch oder die Dampfbäder sind einem türkischen Bad nachempfunden. Für mich ist dies der Disneyworld-Ansatz: Man nimmt eine Geschichte aus dem Kontext und baut sie in irgendein Hotel ein. Im Backstage habe ich nach einer Geschichte gesucht, die zur Örtlichkeit passt. Die Schöpfungsgeschichte ist ein dankbares Thema. Gott erschuf die Welt in sieben Tagen und jeden Tag kam ein Element dazu. Licht, Trennung von Luft und Wasser, Pflanzenwelt, Kosmos, Tiere usw. Dies gab mir die Inspiration, wie ich die Räume im Wellnessbereich gestalte. Zum Beispiel Tiere: der Gast liegt in einem Floatingbecken und hört unter Wasser die Stimmen von Walen, Delfinen und Meerestieren. Kombiniert mit dem Zwitschern der Vögel entsteht ein animalischer Soundmix. Die Feed­backs der Besucher sind sehr positiv. Manche Gäste kommen nur wegen der Wellnessanlage in unser Hotel.

Wieso spielt Religion in Ihrem Schaffen so eine wichtige Rolle?
Das Christentum ist in meinen Augen das Wertvollste, das uns umgibt. Der Katholizismus trägt in seinen Wurzeln neben den fundamentalen Kernaussagen Jesu den Anspruch an gutes Design und Kunst in sich. Grosse Künstler und Musiker wurden von der Kirche massgeblich geprägt, inspiriert und gefördert. Mir ist der Ansatz sehr sympathisch, wenn die Menschheit, um Gott zu ehren, die besten Künstler engagieren will, um die gross­artigsten Kirchen zu bauen oder die schönste Musik zu komponieren.

Apropos Musik, Zermatt Unplugged entstand ja gewissermassen auf der Bühne in Ihrem Lokal Vernissage. Welche Musik bevorzugen Sie?
Musik ist meine versteckte Leidenschaft. Ich mag das Programm, welches Unplugged im weitesten Sinn repräsentiert, also vor allem melodiöse oder melancholische singsongwriter Musik. Hard Rock oder Punk ist weniger mein Ding.

Das Vernissage ist aber nicht nur Konzertbühne, sondern gleichzeitig auch ein Kino, in dem heute noch Naturfilme gezeigt werden, die Ihr Vater gedreht hat. Macht Heinz Julen eines Tages auch einen Film?
Ich habe Anfang der 1980er-Jahre zusammen mit meinem Vater seine Filme neu vertont und bekam dadurch einen Zugang. Als ich seinerzeit das Vernissage gebaut hatte, war mein erklärtes Ziel, alles, was im Vernissage möglich ist, zu inszenieren. Gut möglich, dass irgendwann der Moment kommt, wo ich mir sage: Jetzt mache ich einen Film. Bis jetzt hat es sich noch nicht ergeben.

Sie lassen sich von den Walser inspirieren . . .
Die Walserbewegung ist mir sehr sympathisch. Die Walser waren sehr selbstständig und innovativ, geprägt durch die harten Lebensumstände. Sie machten alles selber und warfen nichts weg. Das unkonventionelle Denken und der Recyclinggedanke, das ist ein Walsergut. Dieser Spirit ist auch in mir tief verankert.

Sie haben ja sozusagen den alten Zermatter Bahnhof recycelt und mit ihm Ihr Atelier kons­truiert.
Mich faszinieren Materialien, die schon einmal gelebt haben. Diese zu verwenden und ihnen eine neue Geschichte einzuhauchen, das ist ein grosses Thema meiner Arbeit. So ist mein Brunnen entstanden mit alten Siphons oder meine Kronleuchter mit Musikinstrumenten oder alten Filmrollen. Der Recyclinggedanke in der Architektur ist gerade top aktuell. So läuft zurzeit in der ETH Zürich eine spezielle Ausstellung zu diesem Thema.

Das Thema Recycling spielt ja auch in Ihrem neusten Projekt eine Rolle.
Ich wurde kürzlich angefragt für eine Wanderausstellung anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Unterzeichnung der Versailler Friedensverträge 1919 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Das Thema ist Konfliktbewältigung. Der Kurator geht vom Ansatz aus, dass heutzutage viele Politiker verlernt haben, politische Konflikte zu bewältigen. Verschiedene Künstler sollen durch ihr Schaffen der Politik sozusagen einen Spiegel vorhalten. Ich wurde auch angefragt mitzumachen, weil der Kurator meine Arbeit mit den Bergwürfeln kennt, wo ich auf einen Berg steige, den Würfel hinunterwerfe und mit den zertrümmerten Teilen wieder etwas Neues schaffe. Mit den Bruchteilen, die ich neu zusammensetze, entsteht eine neue Geschichte und dies ist im weitesten Sinn Konfliktbewältigung. Die Idee ist, dass ich in Basel, London oder New York auf eine Müllhalde gehe und mit dem angelieferten Alteisen etwas Neues schaffe.

Frank O. Salzgeber

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Infos

Zur Person

Vorname Heinz
Name Julen
Geburtsdatum 29. Februar 1964
Familie verheiratet, zwei Kinder
Hobbies Beruf und Hobbies verschmelzen

Nachgehakt

Wie mein Vater will ich auch einmal einen Film realisieren. Ja
Ich besitze auch Ikea-Möbel. Nein
Irgendwann werde ich mein Projekt am Kleinen Matterhorn realisieren. Joker
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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