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«Mein Mann sagte: Du singst aber auch nicht mehr so sicher wie früher»

Anita Zenklusen
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Nach 40-jähriger Mitgliedschaft im Jodlerklub «Balfrin» ist Anita Zenklusen seit einem Jahr im gesanglichen Ruhestand. Im Interview spricht die «Grande Dame» des Oberwalliser Jodelns über die Entwicklung des Jodelns, junge Talente und grosse Jodlerfeste.

Anita Zenklusen, seit einem Jahr jodeln Sie nach 40 Vereinsjahren nicht mehr beim Jodlerklub «Balfrin». Fehlt Ihnen das Jodeln?
Nein, ich fühle mich sehr wohl. Durch meinen Ausstieg beim Jodlerklub «Balfrin» stehe ich nicht mehr so unter Druck. Ich muss nicht mehr an den Proben und Auftritten teilnehmen und habe einfach nicht mehr diese ganzen Verpflichtungen.

Das Singen fehlt Ihnen nicht?
Nein, denn ich kann ja schliesslich auch ohne den Klub singen, zum Beispiel zu Hause wenn ich den Haushalt mache. Dann kann es schnell einmal vorkommen, dass ich spontan ein Jodellied anstimme. (lacht). Sehen Sie, ich bin 73 Jahre alt, da geniesse ich es, dass ich weniger Verpflichtungen habe. Es ist auf keinen Fall so, dass ich meinen Austritt aus dem Jodlerklub bereue. Die 40 Jahre waren eine tolle Zeit, die ich nie missen möchte. Wir hatten ein tolles Verhältnis untereinander, waren wie eine Familie. Aber irgendwann muss auch einmal Schluss sein. Ich bin ja schliesslich Ehrenmitglied, und kann so immer, wenn ich Lust habe, in Kontakt mit dem Jodlerklub «Balfrin» treten, das ist sehr schön.

Also kann man doch sagen: Einmal Jodlerin, immer Jodlerin?
Das ist auf alle Fälle so, Jodeln ist eine Leidenschaft, die man nicht mehr los wird.

Wie sind Sie denn zu dieser Leidenschaft gekommen?
Schon meine Mutter hat immer gejodelt, als wir noch Kinder waren. Meine Mutter war sehr musikalisch und hat gerne einmal einfach ein Lied angestimmt. Natürlich nicht nach Noten, einfach nach Gefühl. So sind meine beiden Schwestern und ich in Kontakt mit dem Jodeln gekommen. Es war Stegreifjodeln, aber es war schön.

Ihr musikalisches Talent haben Sie also von Ihrer Mutter.
Ja, so ist das. Sie war die Person, die mir einerseits das Talent mitgegeben und mich andererseits zur Musik und zum Jodeln geführt hat.

Wie kam es, dass Sie Jodlerin in einem Klub wurden?
Nach meiner Heirat bin ich mit meinem Mann nach Basel gezogen. Zuvor hatte ich immer Duette mit meiner Schwester gesungen. Eines Tages sagte mein Mann zu mir: «Du singst aber auch nicht mehr so sicher wie früher.» Kunststück, wenn man keine Übung mehr hat. Und dann kam mein Mann plötzlich mit zwei Adressen von örtlichen Jodlerklubs. Ich habe mich für einen Frauenjodlerklub entschieden und wurde direkt gut aufgenommen. Es war eine schöne Zeit.

«Jodeln ist etwas für das Herz»

Und wie kamen Sie zum Jodlerklub «Balfrin» in Visp?
Als ich aus Basel zurück war, hat mir das Jodeln sehr gefehlt. Schon als Jugendliche habe ich im Oberwalliser Volksliederchor gesungen. Darum fand ich, dass ich dies doch wieder tun könnte. Also wurde ich wieder Mitglied des Chors unter dem Dirigenten Felix Schmid. Dieser war gleichzeitig auch der Dirigent des Jodlerklubs «Balfrin». Nachdem ich bei einem Jodlerfest als Einzelsängerin sehr erfolgreich war, fragte mich Felix Schmid an, ob ich nicht Mitglied im Jodlerklub «Balfrin» werden wollte. Ich sagte zu und blieb 40 Jahre (lacht).

Dort waren Sie dann bald auch bekannt als «Balfrin-Mutter». Wie kam es dazu?
Nun, ich war ja zwölf Jahre im Vorstand des Klubs, davon sechs Jahre als Präsidentin. Und in diesem Amt habe ich mich halt um die Jodlerinnen und Jodler gekümmert, sie unter meine Fittiche genommen. Und eines Tages hiess es dann immer: «Jaja, schon gut ‹Balfrin-Mutter›.» Natürlich immer mit einem Augenzwinkern.

Noch heute ist die Jodlerklublandschaft in Bewegung, es werden tatsächlich noch neue Klubs gegründet, so wie im vergangenen Jahr im Lötschental. Wie erklären Sie diesen Boom des Jodelns?
Ich denke, das hat damit zu tun, dass die Menschen sich vermehrt nach einer gemütlichen und familiären Atmosphäre sehnen. Und genau das findet man in einem Jodlerklub und im Jodeln selbst. Jodeln ist etwas für das Herz, davon gibt es heute viel zu wenig. Beim Jodeln fühlt man sich einfach wohl, die kontrollierte Atmung hat gar etwas Meditatives. Ich denke, viele Menschen kommen zum Jodeln, weil sie etwas suchen, das ihnen innere Ausgeglichenheit verschafft.

«Eine gute Jodelstimme reicht heute nicht mehr»

Inwieweit tragen Stars wie die junge Carina Walker ­dazu bei, dass Jodeln wieder im Trend ist?
Das hat sicher einen Einfluss, vor allem auf die jüngeren. Sie sehen Jodler wie Carina Walker und denken, warum nicht auch ich? Das habe ich übrigens oft erlebt. Meistens, wenn jemand neu in den Klub kam, dann hat er gleich noch jemanden mitgebracht.

Wie hat sich denn das Jodeln selbst in den letzten Jahren­ verändert? Oder jodelt man immer noch so wie früher?
Oh nein, ganz und gar nicht. Früher war das Jodeln etwas, das recht spontan und gefühlsmässig gemacht wurde. Das ist heute anders. Jodeln ist heute viel professioneller als noch vor einigen Jahrzehnten.

Wie äussert sich das?
Heute wird viel mehr Wert auf die Stimmbildung und die Atmung gelegt. Man achtet auch auf eine kontinuierliche Weiterbildung der Sängerinnen und Sänger. Eine gute Jodelstimme reicht heute nicht mehr, Technik und Stimmlage sind genauso von Bedeutung geworden.
Und die Lieder, haben die sich mitentwickelt?
Ja, das haben sie. Heute wird bei einem Jodellied viel mehr auf den Text geachtet. Man versucht, gewisse Sachen herauszuheben. Sicher wurde auch früher richtig gesungen, heute sind Jodellieder aber viel feiner, was Tempo und Tonlage betrifft. Das ist aber eben nur möglich, weil das Niveau der Jodler so gestiegen ist. Das Jodeln ist viel variantenreicher geworden.

An diesem Wochenende findet nun das Westschweizer Jodlerfest in Saas-Fee statt. Werden Sie dabei sein?
Auf jeden Fall. Ich freue mich schon sehr darauf, ein Jodlerfest als Zuhörerin im Publikum zu erleben und nicht auf der Bühne zu stehen.

Haben Sie nie daran gedacht, noch eine gewisse Zeit aktiv zu bleiben, schliesslich findet ja in zwei Jahren das Eidgenössische Jodlerfest in Brig statt?
Nein, das habe ich nicht. Ich weiss noch, dass ich als junge Frau einmal Frauen in meinem Alter auf der Bühne stehen sah und dachte:«Ich diesem Alter wirst du das nicht mehr tun.» Daran halte ich mich und ich bereue meinen Entscheid keine Sekunde. Ich habe den richtigen Zeitpunkt für meinen Ausstieg gefunden. Eigentlich wollte ich schon mit 70 aufhören, habe dann aber noch zwei Jahre drangehängt und das war gut so. Nun fühle ich mich als Zuhörerin sehr wohl.

Passen denn so grosse Feste wie das Westschweizer oder das Eidgenössische mit fast Tausenden von Besuchern überhaupt noch zum Jodeln. Schliesslich stammt das Jodeln ja aus den einsamen Bergen, wo es keine Massen gab und man sich über grosse Distanzen verständigen wollte?
Ich denke, diese Feste passen sehr gut zum Jodeln. Die Jodler sind eine grosse Gemeinschaft. Man duzt sich und geniesst die gemeinsame Zeit. Ich habe auf den grossen Festen viel Schönes erlebt. Auf Jodlerfesten verschwimmen die gesellschaftlichen Unterschiede. Alle sind Freunde des Jodelns. Ich erinnere mich an ein Fest, auf dem der damalige Bundesrat Kurt Furgler zu Gast war. Wir Walliser waren gerade dabei, etwas aus dem «Boutilli» zu trinken und boten dem Bundesrat einen Schluck an. Und er nahm einen kräftigen Schluck. Das ist die Gemeinschaft an einem Jodlerfest.

«Die Jodler sind eine grosse Gemeinschaft»

Eine weitere grosse Leidenschaft von Ihnen ist das Radio. Seit 25 Jahren bringen Sie mit Ihrer Sendung «Volkstümliche Fiierabund» auf rro den Menschen traditionelle Klänge und Melodien ins Haus. Wie erklären Sie den Erfolg der Sendung?
Ich werde immer wieder auf die Sendung angesprochen, das macht viel Freude. Die Menschen interessieren sich offensichtlich für volkstümliche Lieder. Ich denke, dass es hier ähnlich ist wie bei den Jodlerklubs. Viele der Lieder lassen eine unbeschwertere und leichtere Welt erahnen. Den Menschen scheint dies offensichtlich zu fehlen und darum hören sie sicher gerne die Lieder des «Volkstümlichen Fiier­abunds».

Werden Sie die Sendung weiterführen oder sich auch hier bald zur Ruhe setzen?
Das bleibt noch mein Geheimnis (lacht).

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Anita
Name Zenklusen
Geburtsdatum 2. Februar 1942
Familie verheiratet, 2 Kinder
Beruf Jodlerin, Verkäuferin
Hobbies Jodeln, Wandern, Moderieren

Nachgehakt

Früher war das Niveau beim Jodeln höher. Nein
Jodeln ist die einzige wahre Musik der Alpen. Ja
Frauenstimmen eignen sich besser zum Jodeln als Männerstimmen. Joker
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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