Frontal-Interview | Tänzerin Cosima Grand

«Manchmal sage ich einfach, ich sei Architektin»

Cosima Grand aus Leuk ist Tänzerin und Choreografin.
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Cosima Grand aus Leuk ist Tänzerin und Choreografin.
Foto: RZ

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Cosima Grand aus Leuk ist Tänzerin und Choreografin.
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Tänzerin Cosima Grand (29) aus Leuk erhielt 2015 den des Walliser Kulturförderpreis. Ein Interview über ihre Arbeit, ihr Selbstverständnis, Kritik und warum die Tänzerin viel am Schreibtisch sitzen muss.

Cosima Grand, wie würden Sie Ihren Beruf beschreiben?

Ich bin von Beruf Tänzerin und Choreografin.

Berufe, die nicht gerade alltäglich sind. Denken Sie, dass die Leute verstehen, was Sie tun?

Ich frage mich in der Tat oft, ob die Menschen das gleiche Bild im Kopf haben wie ich, wenn ich sage, dass ich Tänzerin bin.

Und?

Ich glaube, das hängt sehr davon ab, mit wem ich spreche. Menschen aus der Kunstszene verstehen denke ich sehr gut, was ich tue. Spreche ich dagegen mit jemandem, der vielleicht nicht so oft in Kontakt mit Tanz und Kunst steht, so wird es schwieriger. Gleichzeitig hat wohl jeder Mensch ein Bild von einer Tänzerin im Kopf. Dieses Bild ist allerdings oft recht einseitig.

Unternehmen Sie denn dann den Versuch, die Leute aufzuklären?

Manchmal. Aber das ist nicht immer ganz einfach. Teilweise weil das stereotype Bild der Tänzerin ziemlich zementiert ist, andererseits weil meine Arbeit recht komplex und vielseitig ist. Manchmal habe ich dann nicht die Zeit oder den Nerv, alles zu erklären. So habe ich auch schon einfach gesagt ich sei Architektin, um einer langwierigen Diskussion aus dem Weg zu gehen (lacht).

Nun, wir wollen es genau wissen. Was tun Sie konkret?

Ich tanze und choreografiere. Ich habe mal in einem Wörterbuch gelesen, Tanzen sei ein rhythmisches Bewegen zu Musik. Diese Definition ist natürlich nicht sehr zeitgemäss. Es gibt zahlreiche Tanzformen. Ich mache Kunst- und Bühnentanz. Dieser Rahmen, also die Orte, wo ich tanze, im Theater zum Beispiel, ist schon einmal etwas, das meinen Tanz vom Tanzen beispielsweise von dem in einem Club unterscheidet. Natürlich steht bei meiner Arbeit die Bewegung im Vordergrund. Allerdings fussen diese Bewegungen nicht unbedingt auf Musik. Das Endprodukt, also das, was der Zuschauer zu sehen bekommt, basiert sehr stark auf anderen Einflüssen, wie zum Beispiel Philosophie, Literatur oder anderen theoretischen Konstrukten. Aus diesen Grundlagen heraus entsteht dann das, was meine Arbeit ausmacht. Die körperliche Performance und der damit einhergehende Austausch mit dem Publikum.

Tönt ziemlich theoretisch. Erklären Sie doch, was Ihre Arbeit beispielsweise von der einer Balletttänzerin unterscheidet.

Mein Ansatz als zeitgenössische Tänzerin ist sicher viel freier als der einer Balletttänzerin. Im Ballett geht es um Konventionen und relativ definierte Bewegungsformen. Im Ballett versucht man einem Ideal zu entsprechen. Bei mir geht es darum, ein Thema körperlich umzusetzen, und dazu kann für jedes Projekt ein anderer Ansatz gewählt werden. Der zeitgenössische Tanz bewegt sich weniger stark in einem fixen Normkodex.

Wie gehen Sie es an, ein Thema körperlich umzusetzen, sprich wie sieht ein Arbeitstag für Sie aus?

Ich spreche lieber von Arbeitszeiträumen als von Arbeitstagen. Wenn ich eine Performance im Studio erarbeite, was in der Regel so um die acht Wochen dauert, bin ich natürlich körperlich sehr aktiv. Das heisst, der Tag beginnt mit Aufwärmen. Danach werden die jeweiligen Themenfelder des Stückes körperlich und performativ erarbeitet. Ich persönlich gehe dabei meistens von Improvisationen aus, das heisst, ich stecke einen mehr oder weniger konkreten Rahmen ab, innerhalb dessen dann frei experimentiert wird. Dazu kommen viele Gespräche, in denen die Bewegungen besprochen und reflektiert werden.

Wie sieht die Zeit zwischen den «körperlichen» Phasen aus?

Da sitze ich viel am Schreibtisch. Wie gesagt basiert meine Kunst auch auf theoretischen Grundlagen. Diese gilt es natürlich zu erarbeiten. Bevor ich überhaupt eine erste Bewegung mache, schreibe ich ein Konzept nieder. Einerseits um eine Basis für meine Performance zu schaffen, aber natürlich auch um das Projekt überhaupt realisieren zu können.

Wie meinen Sie das?

Nun, um Projekte realisieren zu können, braucht es ja finanzielle Mittel. Diese kommen von der öffentlichen Hand, Stiftungen oder anderen kulturellen Förderfonds. Wer aber Geld für ein Projekt spricht, der will natürlich wissen, was er bekommt. Daher geht ohne Konzept gar nichts.

Oft hört man zu Auftritten wie den Ihren, das Ganze sei wirr, das könne doch jeder. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?

Solche Aussagen ignoriere ich einfach. Denn sie kommen meistens von Leuten, die nichts von dem, was ich tue, verstehen oder verstehen wollen. Allerdings sind solche Kritiken eher selten, da Menschen, die so denken, zeitgenössische Performances meist gar nicht besuchen. Dies birgt natürlich auch die Gefahr eines gewissen Elitarismus. Aber natürlich geht Kritik, auch gerade von «Leuten vom Fach», nicht spurlos an mir vorbei.

Warum?

Wenn ich auf der Bühne stehe, gebe ich unglaublich viel von mir. Ich stelle nicht nur meinen Körper ins Rampenlicht, sondern auch teilweise meine Seele, bin gewissermassen nackt. Ich arbeite eher selten mit Fiktion, vieles, was ich zeige, hat daher auch einen autobiografischen Charakter. Es gilt dann, sich die Kritik nicht zu nahe gehen zu lassen, nicht zu persönlich zu nehmen. Aber das gehört in meinem Beruf dazu, man muss lernen, damit umzugehen. Kritik ist wichtig. Sie ermöglicht es, dass man das eigene Schaffen analysiert und so die persönliche Entwicklung vorantreibt.

Anerkennung für Ihre Arbeit gab es im vergangenen Jahr mit dem Walliser Kulturförderpreis. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?

Die Auszeichnung hat mich sehr gefreut, es ist immer toll, wenn man Anerkennung erhält. Es freut mich auch, dass man meine Arbeit im Wallis verfolgt, auch wenn ich nur noch wenig in Leuk bin.

Was ist Ihr grösster Erfolg bis anhin?

Dass ich auf Anhieb das Permis bestanden habe (lacht). Nein im Ernst, ich hatte schon einige Performances und Projekte, die ich als grosse Erfolge bezeichnen würde. Einen Favoriten auszumachen ist allerdings schwer.

Sie wohnen in Zürich, studieren noch teilweise in Bern, waren längere Zeit in Frankreich und in Genf und reisen für Ihre Arbeit viel herum. Haben Sie noch eine Heimat?

Meine Heimat ist die Schweiz.

Und was ist mit dem Wallis, mit Leuk?

Das ist ein Teil meiner Identität. Ich spreche ja Walliserdeutsch, auch wenn ich das Wallis schon länger verlassen habe. Andere Dialekte nehme ich irgendwie nicht an. Daher bin ich dann oft «die Walliserin». Ich glaube, dass sich dies auch nicht ändern wird.

Bei aller Kunst müssen auch Sie Rechnungen bezahlen. Wie lebt es sich als professionelle zeitgenössische Tänzerin?

Hier in der Schweiz noch relativ gut. Vor allem wenn man Vergleiche mit dem Ausland zieht. Hier bei uns gibt es Richtlöhne und Richtgagen. An diese hält man sich im besten Fall. Neben den Tanzprojekten arbeite ich auch immer wieder in Bereichen, die meistens auch irgendwie mit Tanz zu tun haben. So co-organisiere ich zum Beispiel das diesjährige Tanzfest in Bern oder mache Übersetzungen für Reso, das Schweizer Tanznetzwerk, Ich lebe aber auch bescheiden, Geld bedeutet mir nicht allzu viel. Aber es ist klar, reich wird man im Tanz nicht. Dieser eher einfache Lebensstil passt aber gut zu mir. Allerdings darf man nicht blauäugig sein. Auch Tänzerinnen müssen sich beispielsweise um eine Altersvorsorge kümmern. Alles in allem widme ich den finanziellen Aspekten meiner Tätigkeit die nötige Aufmerksamkeit, aber nicht mehr.

Was heisst die nötige Aufmerksamkeit?

Ich schaue sehr darauf, dass ich richtig bezahlt werde. Nicht nur in der Höhe sondern auch bezüglich Sozialleistungen und so weiter.

Nächstes Jahr werden sie dreissig. Beschäftigt Sie das?

Nein. Im zeitgenössischen Tanz ist Jugend nicht so von zentraler Bedeutung. Mit dem Alter wird man reifer, das macht das Tanzen auch besser.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Cosima
Name Grand
Geburtsdatum 1. Mai 1987
Familie ledig
Beruf Tänzerin und Choreografin
Hobbies Lesen, Musik

Nachgehakt

Meine Kunst bringt mir in der Disco nichts Ja
Männer sollten mehr tanzen Joker
Für eine Tänzerin ist die Schweiz 
nicht das ideale Pflaster
Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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