Interview | Der Grossvezir des Türkenbunds zum bevorstehenden «Gätsch»

«Manchmal fällt das Aufstehen nicht ganz so leicht»

Seit sechs Jahren steht Thomas Stefan Bregy dem Türkenbund als Grossvezir vor.
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Seit sechs Jahren steht Thomas Stefan Bregy dem Türkenbund als Grossvezir vor.
Foto: zvg

Quelle: RZ 0

Thomas Stefan Bregy, alias Ben Tradi Medizinali, steht seit sechs Jahren der Briger Fasnachtsgesellschaft Türkenbund als Grossvezir vor. Im Interview spricht er über die Vorbereitung des «Gätsch», die Begeisterung für die Fasnacht und über Traditionen.

Grossvezir Ben Tradi Medizinali, heute Abend geht es los mit der Briger Fasnacht, der dreitägige «Gätsch» steht an. Wie geht es Ihnen kurz vor dem Startschuss? Sind Sie eher voller Vorfreude oder nervös?

Es ist von beidem etwas. Auf der einen Seite bin ich natürlich nervös und auch etwas angespannt. Man hofft, dass alles gut geht und dass alle die Fasnacht gesund überstehen. Andererseits ist da natürlich eine gewaltige Vorfreude, denn schliesslich stehen drei rauschende Fasnachtsnächte bevor. Für mich als Grossvezir ist das natürlich etwas, worauf ich mich das ganze Jahr freue.

Der dreitägige «Gätsch» ist das längste der Oberwalliser Fasnachtsfeste. Wie lange dauert es, bis alles organisiert ist, sprich wann beginnen die Vorbereitungen für den «Gätsch» 2020?

Die Vorbereitungen für die nächste Ausgabe des «Gätsch» beginnen eigentlich ziemlich bald nach Aschermittwoch. Sachen, die nicht wunschgemäss geklappt haben, versucht man direkt für das nächste Mal besser aufzugleisen. Allerspätestens im ­Oktober wird dann mit der Detailplanung und der Organisation für die neue Ausgabe begonnen. Ein gutes halbes Jahr braucht es also, um die Briger ­Fasnachtssause zu organisieren.

Welches ist die grösste Herausforderung dabei?

Was am meisten Zeit in Anspruch nimmt, ist zu ­klären, welche Bar welchen Platz bekommt. Gewisse Plätze sind beliebter als andere und darum muss man mit den Barbetreibern eine Lösung finden, die für alle stimmt. Viele Bars sind seit Jahren Bestandteil des Fests und diesem Fakt versuchen wir bei der Vergabe der Plätze gerecht zu werden. Dann gibt es aber natürlich auch immer Wechsel bei den Betreibern. Deshalb ist die Frage, wer welchen Platz bekommt, nicht ganz so leicht zu klären und es braucht auch immer ein gewisses Verhandlungsgeschick, damit am Schluss alle zufrieden sind.

Das tönt, als wäre das Interesse, am «Gätsch» eine Bar zu betreiben, nach wie vor gross.

In der Tat. Im Moment haben wir sogar Wartelisten.

Heute gibt es viel mehr Zelte am «Gätsch» als früher. Warum eigentlich?

Das liegt daran, dass Lokalitäten, die früher für ­Barbetreiber zu Verfügung standen, heute dauerhaft genutzt werden. Darum mussten wir vermehrt auf Zelte setzen.

Ist das nicht ein Problem? Schliesslich wird es dadurch auf der Strasse lauter.

Das haben wir ganz gut im Griff. Heutzutage ist das Thema Lärm streng reguliert. Zum Beispiel müssen die Betreiber die Lautstärke in ihren Lokalitäten ab einer gewissen Zeit herunterfahren. Das war früher nicht der Fall. Das Verhältnis zu den Anwohnern ist gut, worüber ich natürlich sehr froh bin, und wir bemühen uns auch, dass dies so bleibt. Klar: Es sind drei laute Nächte und wenn man direkt im Epizentrum wohnt, wird es mit dem Schlaf schwierig. Ich glaube aber, dass, gerade weil der «Gätsch» zeitlich begrenzt und planbar ist, sich die Anwohner gut mit dem Lärm arrangieren. Das ist bei einem Etablissement, das das ganze Jahr über offen hat, halt anders. Während des «Gätsch» kann man aber im ­Notfall sogar «flüchten», was manche ­Anwohner auch tun.

Der Lärm ist das eine. Aber auch andere Auf­lagen wie feuerpolizeiliche Vorschriften und der Schallschutz der Besucher wurden in den ­letzten Jahren verstärkt. Haben Sie Angst, dass es eines Tages zu viele, zu strenge Vorschriften gibt, um noch einen anständigen «Gätsch» zu ­organisieren?

Viele Vorschriften, die wir heute einhalten müssen, sind sicher sinnvoll. Gerade die, die die Sicherheit der Besucher gewährleisten, wie die angesprochenen feuerpolizeilichen Massnahmen. Eine Über­regulierung ist aber sicher etwas, über das man nachdenkt. Der Trend geht halt schon in die Richtung, dass wir es mit den Regeln übertreiben. Das wäre für die Fasnacht natürlich fatal, denn die ­fünfte Jahreszeit lebt natürlich von einer gewissen Regellosigkeit.

Sie haben zu Beginn gesagt, dass Sie hoffen, dass alles glattgeht. Was wäre denn das Schlimmste, das passieren könnte?

Dass Personen zu Schaden kommen, sei es durch Unfälle oder Streitereien.

Täuscht der Eindruck, dass gerade körperliche Auseinandersetzungen während des «Gätsch» abgenommen haben?

Der Eindruck täuscht nicht. Zum grossen Teil liegt der Grund dafür darin, dass in den letzten Jahren das Sicherheitsdispositiv massiv verstärkt wurde. Ich glaube, dass die Leute dadurch besonnener ­geworden sind, was natürlich die Zahl der Vorfälle senkt.

Sicherheit ist aber nicht gratis. Die Organisation des «Gätsch» wurde und wird also teurer?

Das ist so. Die Ausgaben für die Sicherheit steigen, allerdings ist es das wert. Wie gesagt: Das Wichtigste ist, dass alle die Fasnacht gesund überstehen und dass möglichst wenig kaputtgeht.

Auf was freuen Sie sich in den kommenden Tagen am meisten?

Sicher auf den heutigen Tag. Der Kinderumzug heute Nachmittag ist für mich immer ein ganz ­grosses Highlight, denn bei Kindern spürt man die Begeisterung für die Fasnacht und die Freude am Verkleiden ganz ungeschminkt. Dann ist der heutige Abend zudem sicher der schönste Abend am «Gätsch».

«Wenn man ein ­gutes Fest bietet, kommen auch die Leute»

Am Donnerstag sind nämlich erfahrungsgemäss vor allem die «wahren» Fasnächtler unterwegs und es ist auch nicht ganz so voll. Zudem muss mir Stadtpräsident Louis Ursprung den Schlüssel zur Stadt überreichen. Das macht mir ­natürlich auch grossen Spass.

Woher kommt bei Ihnen eigentlich die Begeisterung für die fünfte Jahreszeit?

Die Fasnacht hat mich schon als Kind fasziniert, besonders die Guggenmusiken. Später reifte dann der Wunsch, selbst in einer solchen Formation mitzuspielen, was ich dann auch viele Jahre getan habe. Danach habe ich der Fasnacht für zwei Jahren den Rücken gekehrt, doch das Fieber hat mich nicht losgelassen und so dachte ich, ich könnte mich doch in einer Zunft engagieren. Und nun ­stehe ich dem Türkenbund schon seit sechs Jahren vor, was für mich als «Fasnächtler» natürlich eine grosse Ehre ist.

Wie erleben Sie denn die Begeisterung für die Fasnacht allgemein. Nimmt diese ab?

Ich glaube nicht, zumindest was die Briger Fasnacht betrifft. Wenn man ein gutes Fest bietet, kommen die Leute nach wie vor. Aber, und dass stimmt schon, man muss dafür arbeiten, dass die Leute weiterhin kommen. Die Fasnacht ist kein Selbst­läufer mehr, dafür ist das Angebot schlicht zu gross, und man muss die Qualitätsbedürfnisse der Leute befriedigen können.

Was heisst denn Qualität in Bezug auf Fasnacht?

Das Ambiente muss stimmen, man ­muss die ­Begeisterung der Organisatoren für ihr Fest spüren können. Das führt dann dazu, dass das Fest attraktiv erscheint und entsprechend viele Leute kommen. Dies wiederum hat zur Folge, dass das Fest weiter an Attraktivität gewinnt, denn nichts lockt mehr Leute an, als die Aussicht, viele Bekannte in einer tollen Atmosphäre treffen zu können. Reisst einer dieser Punkte ein, so erlebt man dann einen Rückgang. Uns vom Türkenbund ist es bis jetzt aber gelungen, dies zu vermeiden.

Nachwuchssorgen kennen Sie auch nicht.

Nein, im Gegenteil. Wir haben so viele Anfragen, dass wir sogar Bewerber abweisen können.

Woran liegt es, dass der Türkenbund so attraktiv erscheint?

Die Fasnacht begeistert nach wie vor, wie gesagt. Doch den Hauptgrund sehe ich vor allem darin, dass bei uns wahre Freundschaften entstehen. Wir nehmen ja immer mehrere Leute gleichzeitig auf und diese müssen dann während ihrer ersten Fasnacht als «Türken» ständig zusammen den Grossvezir begleiten. Ich habe schon oft erlebt, dass ­Leute, die sich bis zur Aufnahme in den Türkenbund nicht kannten, so zu besten Freunden geworden und es über viele Jahre geblieben sind. Das ist sicher eines unserer Erfolgsrezepte.

Frauen bleibt der Zugang zum Türkenbund aber weiterhin verwehrt.

Ja, daran halten wir fest. Ich möchte aber betonen, dass dies nicht bedeutet, dass wir vom Türkenbund deshalb gegen Gleichberechtigung oder so sind. Aber wir wollen auch eine über hundertjährige ­Tradition nicht einfach aufweichen. Natürlich wird das in der heutigen Zeit teilweise kritisch betrachtet, doch mit Kritik muss man leben können (lacht).

Zum Schluss noch die Frage, wie schaffen Sie es neben Ihrem anspruchsvollen Job als Urologe die anstrengende Fasnachtszeit zu überstehen?

Ich nehme natürlich Ferien. Eine Woche für die ­Fasnacht und eine Woche für die Erholung. Dann schaue ich darauf, dass ich jede Nacht zumindest ein bisschen Schlaf bekomme, durchmachen ist nicht drin. Beim Feiern ist es wichtig, den Alkoholkonsum in Massen zu halten und regelmässig zu essen.

Also keine Anzeichen des Älterwerdens.

Die Erholungsphase dauert heute sicher länger als früher und manchmal fällt das Aufstehen am Morgen nicht mehr ganz so leicht (lacht). Sobald ich aber dann wieder unterwegs bin, ist alles wieder gut und ich geniesse die Zeit mit den «Brüdern» in vollen Zügen.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Thomas Stefan
Name Bregy
Geburtsdatum 14. August 1982
Familie ledig
Beruf Urologe
Funktion Grossvezir Türkenbund
Hobbies Fasnacht, Golf

Nachgehakt

Eigentlich mag ich Kamele nicht. Nein
Eines Tages wird eine Frau
den Türkenbund führen.
Nein
Zu viele Leute haben das Feiern verlernt. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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