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«Jeder FC-Sitten-Spieler ist mit dem Cup-Virus infiziert»
Er ist ein halber Oberwalliser und streift seit der Rückrunde das T-Shirt des FC Sitten über. Reto Ziegler spricht über sein grösstes Erlebnis als Sportler, seine neue Chance beim FC Sitten und über den grossen Traum, den 13. Cupsieg zu gewinnen.
Reto Ziegler, können wir das Gespräch auf Oberwalliser Dialekt führen?
(lacht) Ich verstehe den Oberwalliser Dialekt sehr gut, aber selber sprechen kann ich ihn nicht.
Sie haben Wurzeln in Zeneggen. Erzählen Sie.
Meine Mutter (eine geborene Kenzelmann, die Red.) ist in Zeneggen aufgewachsen. Demnach darf ich mich halber Oberwalliser nennen und darauf bin ich wirklich stolz.
Haben Sie denn heute noch einen Bezug zum Dorf Zeneggen?
Ich war persönlich erst zweimal in Zeneggen, doch ich habe die Region in sehr guter Erinnerung. Das ist ein toller Fleck. Damals hätte ich natürlich nie gedacht, dass ich eines Tages beim FC Sitten spielen werde.
Wollten Sie schon damals Fussballprofi werden?
Ja. Schon als kleiner Junge war es immer mein grösster Traum, einmal Fussballprofi zu werden. Ich weiss, das tönt merkwürdig, doch ich habe schon damals gespürt, dass ich das Potenzial habe, um es bis ganz oben zu schaffen. Dafür habe ich sehr viel investiert und enorm hart gearbeitet. Für mich ging als Fussballspieler ein Bubentraum in Erfüllung. Dabei gilt zu sagen, dass ich in dieser Zeit von meinem Bruder viel profitieren und lernen konnte.
Es gibt Leute aus Zeneggen, die in den letzten Wochen nur wegen Ihnen ins Tourbillon gepilgert sind. Was bedeutet Ihnen das?
Ja, die gibt es tatsächlich. Zum Teil waren es sogar ganze Familien, die mich im Dress des FC Sitten spielen sehen wollten. Das bedeutet mir sehr viel und macht mich glücklich und stolz. Im Stadion in Sitten haben wir das Glück, dass wir nahe bei den Leuten sind, deshalb habe ich davon auch erfahren. Es ist etwas vom Schönsten, wenn man Leute durch solche Kleinigkeiten glücklich machen kann. Ich hoffe natürlich, dass noch mehr Leute aus Zeneggen und dem Oberwallis ins Tourbillon strömen.
Bevor Sie beim FC Sitten landeten, spielten Sie bei Vereinen aus grossen Metropolen. Moskau, Istanbul, London oder Turin, um einige zu nennen. Welche Stadt hat Ihnen am besten gefallen?
Während der Zeit mit Tottenham durfte ich London kennenlernen, dieses Stadt hat mir sehr gut gefallen, obwohl das Wetter nicht immer so toll war. Doch am Wohlsten fühlte ich mich in der Türkei.
In Istanbul?
Ja. Die Leute haben zwar nicht alle Englisch gesprochen, doch sie waren stets herzlich und hilfsbereit. Das war eine tolle Zeit, die ich in bester Erinnerung behalten werde.
Mit Ihrem Verein Fenerbahce Istanbul feierten Sie zudem einen Ihrer grössten sportlichen Erfolge, als Sie im Stadtderby gegen den grossen Rivalen Galatasaray ein Tor erzielten.
Das war der Wahnsinn! Als ich den Vertrag unterzeichnet habe, sagten mir die Verantwortlichen, dass ich die Herzen der Fans erobere, wenn ich einen Treffer gegen Galatasaray erziele. Direkt nach dem Treffer im Derby stiess mir dieser Gedanke durch den Kopf, und ich drückte mit einer Hand auf die Adern des anderen Arms, um den Fans zu sagen, «mein Blut ist nun Gelb und Blau, ich bin einer von euch.» Seither haben mich die Fans in ihr Herz geschlossen.
«Ich bin ein halber Oberwalliser – und sehr stolz darauf»
Juventus Turin, Tottenham Hotspur, Fenerbahce Istanbul. Und nun sind Sie beim FC Siten gelandet. Das war so nicht geplant.
Nein, es war nach zehn Jahren im Ausland generell nicht geplant, zurück in die Schweiz zu kommen. Denn ich bin weiterhin überzeugt, dass ich die Qualität habe, um in einer ausländischen Liga zu bestehen. Doch es war nach einem schwierigen Herbst ohne Spielpraxis nicht einfach, überhaupt einen Verein zu finden, deshalb bin ich Christian Constantin und dem FC Sitten dankbar, dass sie mir das Vertrauen geschenkt haben. Denn man darf nicht vergessen; der FC Sitten wusste nicht, in welchem Zustand ich mich befinde, obwohl ich während des Herbsts stets hart an mir gearbeitet habe.
Ihr Zustand scheint glänzend zu sein. Kaum ein anderer Spieler macht auf dem Terrain derart grosse Laufwege wie Sie. Legen Sie Sonderschichten im Training ein?
Das zeichnet mein Spiel aus. Im Ausland wurde in jedem Spiel eine Analyse erstellt, wie viele Kilometer jeder gelaufen ist. Dort war ich stets bei den Besten. Das liegt jedoch nicht nur an den Trainings, sondern auch in meiner Natur. Solange meine Muskeln rennen, werde ich keine Stopps machen.
Wo sehen Sie den Hauptgrund, dass es beim FC Sitten in der Rückrunde bisher so gut läuft.
Mit Zverotic, Salatic und mir ist wohl mehr Deutschschweizer Agressivität auf dem Platz. Das Allerwichtigste ist jedoch immer, dass wir Freude an dem haben, was wir machen. Das sind kleine Sachen: Wir freuen uns bei einem Ballverlust auf die Chance, den Ball wiedererobern zu können. Wir wollen als Team Freude daran haben und sind derzeit in der glücklichen Situation zu wissen, dass wir gewinnen werden, wenn wir hinten keinen Treffer zulassen. Denn: Konaté ist eine Bombe im Sturm. Ein unglaublich effizienter Spieler.
Im FC Sitten war früher oft eine Unruhe festzustellen. Von dieser ist derzeit nichts zu sehen. Was ist das Geheimrezept von Trainer Didier Tholot?
Tholots grösster Trumpf ist es, dass er früher selber aktiver Fussballspieler war. Er ist ein sehr schlauer Trainer, vor allem im taktischen Bereich. Deshalb gibt die Mannschaft auch stets 100 Prozent, weil wir für ihn gewinnen wollen, das hat Tholot so verdient. Es braucht Stabilität in den Resultaten, im Staff und überall im Verein. Deshalb ist es wichtig, dass alle am selben Strick ziehen und Tholot dem FC Sitten noch lange erhalten bleibt.
«Wegen mir kommen Familien aus Zeneggen ins Tourbillon»
Mit der Stabilität der Resultate würde man bestimmt auch das Publikum wieder in grösseren Massen anziehen können.
Das hoffe ich sehr. Der Verein hat diesbezüglich ein sehr grosses Potenzial.
Obwohl morgen Freitag (20.30 gegen GC, die Red.) ein Heimspiel im Tourbillon ansteht, steigt im Wallis die Vorfreude auf den Cup-Halbfinal in Zürich am Dienstag. Sind Sie mit dem Cup-Virus bereits infiziert?
Jeder Spieler des FC Sitten ist mit diesem Virus infiziert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht an den Cup-Halbfinal denken. Die Leute auf den Strassen sprechen nur noch darüber, dabei sind wir erst im Halbfinal.
Was kennen Sie sonst noch von der Cup-Geschichte des FC Sitten?
Das ist eine grosse Geschichte und setzt uns unter Druck. Doch dieser positive Druck ist ein Mittel, um die beste Leistung abzurufen. Ich bin überzeugt: Wir sind stärker als der FC Zürich. Doch der Cup hat seine eigenen Gesetze, einfach wird es nicht.
Wissen Sie was los ist, wenn der FC Sitten die Trophäe ins Rhonetal holt?
Ich habe nur davon gehört...
Ein ganzer Kanton ist im Ausnahmezustand. Die «Planta» in Sitten droht zu explodieren und der Fendant fliesst in Strömen.
Es muss unglaublich sein. Wir haben Spieler im Kader, die bereits Cupsieger geworden sind und das alles schon erlebt haben, sie alle beschreiben dieses Erlebnis als einzigartig. Ich hoffe, ich darf das erleben.
«Ich will wieder das Shirt der Schweizer Nati tragen»
...und zudem bedeutet ein Cupsieg die automatische Qualifikation für den europäischen Wettbewerb in der nächsten Saison.
Genau. Davon träumt jeder. Doch es gilt zu sagen: Der Cup ist in der Kabine noch kein Thema, wir wollen fleissig Punkte für den Ligaerhalt sammeln.
Reto Ziegler, Sie waren an der WM 2014 in Brasilien im Kader der Schweizer Nati. Mit 29 Jahren muss es ein Ziel sein, dort wieder dazuzugehören.
Ja, ich spiele sehr gerne in der Schweizer Nati und bin stets sehr stolz, wenn ich das Shirt mit unseren Landesfarben überstreifen darf. Doch eines führt zum anderen. Nati-Trainer Petkovic hat mir im Dezember in einer SMS geschrieben, dass ich wieder zum Stamm der Nati gehören werde, wenn ich regelmässig spiele.
Können Sie den ganzen Wirbel verstehen, der gerade in diesen Tagen über die Schweizer Nati entstanden ist bezüglich «echten» Schweizern und «Secondos»?
Ich weiss, dass es intern in der Mannschaft keine solchen Probleme gibt. Ich kenne jeden einzelnen Spieler und weiss zu 100 Prozent, dass jeder mit Stolz die Schweizer Farben trägt und auch nach aussen vertritt. Das ist ein Thema, welches die Medien hochgepusht haben. Denn gerade wegen den Secondos ist auch das Niveau in der Schweizer Nati höher als noch früher. Das ist ein Aspekt, den die Leute oft nicht wahrhaben wollen.
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