Zermatt | Frontalinterview mit Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser
«In zehn Jahren bade ich im öffentlichen Schwimmbad»
Sie steht vor grossen Herausforderungen und wegweisenden Entscheiden. Gleichzeitig ist Romy Biner-Hauser (49) als Gemeindepräsidentin noch Chefin von 130 Gemeindemitarbeitern und ist in ihrer Freizeit viel in der Natur anzutreffen.
Frau Biner-Hauser, Ihnen wird sicher nicht langweilig. In Zermatt stehen viele wichtige Projekte an und zahlreiche zukunftsweisende Entscheide müssen getroffen werden. Wie schaffen Sie es, bei der Fülle an Aufgaben noch den Überblick zu haben?
Es läuft tatsächlich sehr viel. Aber es geht sehr gut. Wir haben eine Projektstandsliste, welche halbjährlich im Gemeinderat besprochen und laufend entschieden wird, wie es weitergeht. Dann haben wir ein gutes Team und eine grosse Verwaltung, in welcher jeder seine Aufgaben hat. Wir sind wie ein KMU. Auch dort funktioniert es nur gemeinsam als Team.
Reden wir also über die einzelnen Projekte. Vor einiger Zeit kam es bei einem Dorfbach, dem Triftbach, zu Hochwasser und im Dorf wurden einige Kellergeschosse überflutet. Zermatt hat somit mitten in der touristischen Hochsaison turbulente Tage hinter sich. Wie haben Sie diese erlebt?
Sehr ruhig. Aus Sicht der Bewohner und Gäste haben wir meiner Meinung nach gut informiert und haben entsprechend gute Rückmeldungen erhalten. Aus Sicht der Einsatzkräfte ist es ebenfalls sehr ruhig abgelaufen, da die Zusammenarbeit gut klappte und jeder wusste, was zu tun war. Glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden und wir kamen mit einem blauen Auge davon.
Oberhalb des Dorfes gibt es für den Triftbach für den Fall eines Ereignisses ein Frühwarn-
alarmsystem. Wie hat dieses funktioniert?
Das hat nicht so funktioniert, wie es sollte. Im Falle eines Anstiegs des Wasserpegels sollte dieses sofort Alarm auslösen. Das ist aber nicht passiert. Der Schuttpegel ist auf beiden Seiten des entsprechenden Detektors vorbeigeflossen und er hat deshalb nicht reagiert. Dafür hat der Telefonalarm funktioniert.
Telefonalarm?
Ein Wirt, welcher oberhalb des Dorfes im «Trift» in der Nähe des Triftbachs ein Restaurant betreibt, hat uns telefonisch gewarnt, und die Einsatzkräfte waren sofort vor Ort.
Was für Massnahmen werden aufgrund der gemachten Erfahrungen in Zukunft ergriffen?
Zuerst muss gesagt werden, dass der Triftbach keine permanente Gefahr darstellt, aber auf den Gefahrenkarten aufgeführt ist. Darum wurden in der Vergangenheit einige bauliche Schutzmassnahmen umgesetzt, die sich beim Ereignis bewährt haben. Nun gilt es diese auszuwerten und weitere Schutzmassnahmen anzudenken. Die diversen Möglichkeiten sind derzeit in der Erarbeitung und werden zeitnah dem Gemeinderat vorgelegt. Dabei sind Dämme als Geschiebesammler oberhalb des Dorfes denkbar, oder auch weitere Sicherungsmassnahmen bei der Kurve des Bachbetts im Dorf müssen überdacht werden.
Dabei geht es ja auch um die Sicherheit, welche auch bei der Zufahrt nach Zermatt ein Dauerbrenner ist. Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie und ob die Strasse nach Zermatt wintersicher gemacht werden soll. Gemäss einer von Ihnen kürzlich verschickten Medienmitteilung scheint sich eine Lösung in Form einer Vereinbarung zwischen Bund, Kanton und der Gemeinde Zermatt abzuzeichnen. Besagter Vertrag soll die Zufahrt per Bahn und Strasse nachhaltig regeln. Werden Sie das zukunftsträchtige Papier dem Souverän vorlegen?
Das ist noch nicht abschliessend definiert, aber durchaus denkbar. Sicher wird es Infoveranstaltungen geben, um die Bevölkerung miteinzubeziehen.
Wird das vor der Unterzeichnung geschehen?
(überlegt). Ich denke ja. Aber wie gesagt, das ist noch nicht abschliessend definiert und ist derzeit in Diskussion.
Im Zusammenhang mit der Zufahrt ist auch der Aus- bzw. Umbau des Bahnhofs ein Thema. Inwiefern wird sich die Gemeinde in die Planungen einbringen?
Vollumfänglich. Innerhalb der kürzlich veröffentlichten Destinationsstrategie ist der Bahnhof als Subprojekt aufgeführt. So wie auch die gesamte Verkehrsthematik wie beispielsweise der Innerortsverkehr oder die Quartierplanung beim Dorfeingang im «Spiss». Das sind alles zukunftsweisende Projekte, welche zusammenhängen und entsprechend ganzheitlich angegangen werden müssen. Sobald alle notwendigen Unterlagen auf dem Tisch sind, werden Arbeitsgruppen unter dem Lead der Gemeinde zum Einsatz kommen.
«Das Frühwarnsystem beim Triftbach hat nicht funktioniert, wie es sollte»
Stichwort Planungen. Am 25. August stimmt die Zermatter Bevölkerung über einen Verpflichtungskredit zum Neubau der Schulhäuser ab. Diese sind in die Jahre gekommen und müssen ersetzt werden. Dabei geht es um gut 46 Millionen Franken. Was passiert bei einem Nein, sprich haben Sie für diesen Fall einen Plan B?
Es gibt keinen Plan B. Bei einem Nein müssen wir mit den Planungen zurück auf Feld eins und dabei wiederum alternative Möglichkeiten ins Visier nehmen, welche bereits im Vorfeld schon einmal zur Diskussion standen. Die Lösung, welche sich dann herauskristallisieren sollte, würde wiederum zur Abstimmung gebracht.
Parallel dazu sind bekanntlich die Planungen für eine Installation einer Privatschule im Gang. Wie stehen Sie dazu?
Konkurrenz belebt zweifellos das Geschäft. Ich sehe darin sogar eine Chance für Familienzuwachs, da das Thema Schule viele Eltern bewegt. Schliesslich entscheiden aber die Eltern, in welche Schule sie die Kinder schicken wollen. Ich bin überzeugt, dass unsere öffentliche Schule eine sehr gute Arbeit leistet.
Inwiefern glauben Sie, hat diese Entwicklung Einfluss auf das Abstimmungsresultat?
Das ist Kaffeesatzlesen.
Und auf die kantonalen Subventionen für den Schulhausneubau?
Das hat keinen Einfluss, da der Kanton Wallis bekanntlich Privatschulen nicht finanziell unterstützt. Zudem reden wir bei der Privatschule von rund 50 Schülern, was in etwa zwei Schulzimmern entspricht. Das fällt auf unseren geplanten Neubau für rund 400 Kinder nicht ins Gewicht.
«Das Thema Schwimmbad ist ein ewiges Politikum»
Ein weiteres Thema, welches den Zermatter Gemeinderat seit Jahren beschäftigt und der Bevölkerung schon lang unter den Nägeln brennt, ist ein fehlendes öffentliches Schwimmbad. Seit Jahren wird darüber geredet, gebaut wurde aber bisher nicht. Wo steht der jetzige Gemeinderat mit den Planungen?
Das Thema ist in der Tat ein ewig langes Politikum, und bei den nächsten Gemeinderatswahlen wird das bestimmt wieder grosszügig thematisiert. Nüchtern betrachtet kann ich sagen: Ich begleite das Thema mittlerweile, seit ich im Gemeinderat bin, sprich seit elf Jahren. Wir haben Dutzende Varianten geprüft. Als einzige, mit einem einigermassen vernünftigen Kosten/Nutzen-Verhältnis, ist die Möglichkeit im angedachten Naherholungsgebiet «Zen Stecken» (südlicher Dorfrand, Anm. Red.) übrig geblieben. Dort besteht trotz Gefahrenzone die Möglichkeit, ein Schwimmbad in den Hang zu bauen.
Sind Sie einen Schritt weiter?
Genau gesagt konnten wir während vier Jahren nicht weiterplanen, weil wir sämtliche Gefahrenkarten neu erarbeiten mussten. Und weil sich besagtes Gebiet in der Lawinenzone befindet, kamen die Planungen des Naherholungsgebiets mit möglichem Schwimmbad ins Stocken. Nun sind die geforderten Karten erarbeitet, sodass wir, wenn alles klappt, ab diesem Herbst weiterplanen können. In unserer Finanzplanung ist das Projekt vorgesehen.
Trotz Sommer reden wir schon über den Winter. Dabei lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Strassenzustand immer wieder für viel Emotionen sorgt. Die Strassen sind voll brauner Brühe und als Gegenmassnahme hat sich der Gemeinderat vor Kurzem weiterhin für die Schwarzräumung ausgesprochen. Ist das Problem damit vom Tisch?
Keinesfalls. Wir haben letzten Winter schwarz geräumt und hatten dadurch zwar keine vereisten Strassen, dafür aber die von Ihnen angesprochene braune Brühe. Fest steht: Der Dreck entsteht durch den Abrieb des Strassenbelags durch Spikes. Diese zu verbieten könnte im Prinzip per Reglement geschehen, doch dann steht wiederum die Sicherheit der Fahrzeuge auf dem Spiel. Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, werden wir nächsten Winter wiederum schwarz räumen. Und schliesslich darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die klimatischen Bedingungen nicht jeden Winter gleich sind und wir ein hochalpiner Tourismusort sind. Das macht die Sache nicht einfacher.
Peter Abgottspon
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