St.Niklaus / Naters | Jean-Paul Brigger, Sportchef FC Naters Oberwallis
«Ich will den Erfolg zurück auf den Stapfen bringen»
Jean-Paul Brigger (61) soll als neuer Sportchef den FC Naters Oberwallis wieder auf Kurs bringen. Im Frontalinterview spricht er über Juniorenförderung, wie seine eigene Karriere in die richtigen Bahnen gelenkt wurde und dass er wegen seiner Hochzeit beinahe aus dem Kader des FC Sitten geworfen wurde.
Jean-Paul, vor rund 25 Jahren waren Sie als Spielertrainer schon einmal in Naters engagiert. Jetzt die Rückkehr als Sportchef – was hat man da so für Gedanken?
Der Kreis schliesst sich immer im Leben. 1992 feierte ich mit dem FC Sitten den ersten Meistertitel der Klubgeschichte und wurde zum Schweizer Fussballer des Jahres gewählt. Danach beendete ich meine Karriere als Spieler und dachte: Das wars. Anfang 1993 fragte mich dann FC Naters-Coach Peter Troger an, ob ich nicht einspringen und helfen könnte. Und ich sagte zu, denn Troger hat mir damals auch geholfen, als ich noch ein junger Spieler war.
Erzählen Sie…
In den 1970er-Jahren hat Peter Troger als Trainer beim FC Visp genau die richtigen Worte gefunden für den jungen, wilden Jean-Paul Brigger und hat mir geholfen, meine Karriere zu lancieren.
In der Saison 1993/94 arbeiteten Sie dann als Spielertrainer beim FC Naters.
Genau. Später wurde ich dann zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt. Eine gewisse Affinität zum Verein ist schon da. Ich pflege auch schon länger Kontakt mit Präsident Hans Ritz. Wir haben uns immer wieder ausgetauscht.
Und jetzt sind sie Sportchef – weshalb haben Sie zugesagt?
Ich bin dankbar für das, was ich in meiner Karriere alles erleben durfte bei den verschiedenen Stationen als Spieler, Trainer und Funktionär in St. Niklaus, Visp, Sitten, Servette, Naters, Luzern, GC und bei der Fifa. Ich habe dies geschafft, weil im richtigen Moment die richtigen Leute um mich herum waren, die meine Karriere in die richtigen Bahnen gelenkt haben: Neben dem schon erwähnten Peter Troger ist da etwa Istvan Szabo, der mich als FC-Sitten-Trainer seinerzeit überzeugte, nach Sitten in die die NLA zu wechseln. Auch Daniel Jeandupeux, Szabos Nachfolger bei Sitten, spielte eine wichtige Rolle.
Was ist passiert?
Ich habe mich 1979 beim Verein erkundigt nach einem Zeitfenster, wann ich heiraten und in die Flitterwochen fahren durfte. Wir einigten uns auf die Sommerpause Anfang Juni. Also legte ich meinen Hochzeitstermin auf den 4. Juni fest. Dann gab es in Sitten einen Trainerwechsel. Daniel Jeandupeux übernahm und legte den Trainingsbeginn neu auf den 1. Juni fest.
Und Sie mussten die Hochzeit verschieben?
Das habe ich natürlich nicht getan. Ich habe am 4. Juni geheiratet und anschliessend ging es ab nach Tunesien in die Flitterwochen. Als ich zurückkam, begegnete ich im Tourbillon dem damaligen FC-Sitten-Präsidenten. Der war fuchsteufelswild und wollte mich rausschmeissen. Ich antwortete: «Wenn ich jetzt gehe, so komme ich nie wieder.» Trainer Jeandupeux hat unseren Disput mitbekommen, ist hinzugekommen und hat gesagt: «Jean-Paul, geh jetzt trainieren, alles ist in Ordnung.»
«Es muss wieder Ruhe in den Verein einkehren»
Kommen wir zurück zu Ihrer Motivation, Sportchef beim FC Naters Oberwallis zu werden.
Ich will etwas zurückgeben. Seit Raphael Wicky gab es keinen Topspieler mehr aus dem Oberwallis. Vielleicht kann ich hier etwas bewirken und mithelfen, dass junge Oberwalliser es wieder nach oben, vielleicht so-
gar in die Nationalmannschaft schaffen. Ich will den jungen Oberwalliser Junioren helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Das ist die Hauptmotivation meines Engagements beim FC Naters Oberwallis.
Wie ist Ihr erster Eindruck vom Verein und wo wollen Sie den Hebel ansetzen?
Auch wenn in letzter Zeit viel Negatives geschrieben wurde, ich finde, es ist schon viel Gutes da, die Strukturen sind vorhanden. In erster Linie muss jetzt wieder Ruhe in den Verein einkehren. Eine Einheit muss her. Alle müssen am selben Strick ziehen. Dafür will ich sorgen. Zusammen können wir etwas erreichen. Bei den Matchberichten habe ich oft gelesen: gut gespielt, aber durch Pech verloren. Das muss sich ändern. Ich will den Erfolg zurück auf den Stapfen bringen.
Das Zuschauerinteresse ist recht gering. Für viele sind die Oberwalliser Derbys in der 2. Liga ja viel attraktiver als Spiele in der 1. Liga gegen Gegner wie Bulle oder Echallens.
Die Derbys sind bei den Zuschauern sehr beliebt, das stimmt. Aber wie viele Zuschauer einen Match besuchen, hängt auch von der sportlichen Leistung ab. Wenn beispielsweise Sitten in den Top 3 steht und um den Titel spiele würde, so kämen wieder 15 000 und mehr ins Tourbillon. Dasselbe Prinzip gilt auch in Naters: Wenn wir erfolgreich sind, einen tollen Fussball spielen und gewinnen, dann kommen die Leute auch wieder zu uns. Als Erstes müssen wir jetzt eine gute Rückrunde spielen.
Auf diese Saison hin wurde der Fokus wieder vermehrt auf Naters gelegt, der Name geändert zu FC Naters Oberwallis. Ist das Konzept einer starken Zusammenarbeit innerhalb der Oberwalliser Vereine damit gescheitert?
Es ist klar, der Spagat zwischen den Interessen der Einzelklubs ist gross. Ich werde mit den Präsidenten der anderen Oberwalliser Vereine reden und versuchen sie zu überzeugen.
Der Verein will ja den Erfolg mit Einheimischen erreichen. Gibt es im Oberwallis überhaupt genug Spieler, um in der 1. Liga vorne mitzuspielen?
Mittelfristig sicher. Wir wollen den Jungen die Möglichkeit geben zu träumen. Ich bin selber ein Beispiel dafür. Ich kam aus der Fussballprovinz St. Niklaus und träumte davon, irgendwann einmal für den FC Sitten zu spielen – und dieser Traum wurde Wirklichkeit. Wir müssen auch stolz sein, wenn jemand wechselt und in einer höheren Liga spielen kann. Das ist der Werdegang eines Fussballers.
«Ich will den Junioren helfen, ihre Träume zu verwirklichen»
Ist es nicht auch ein Mentalitätsproblem: Die Junioren heutzutage haben häufig nicht mehr diesen absoluten Willen, dem Erfolg alles unterzuordnen – sie wollen gar nicht in höheren Ligen spielen?
Das glaube ich nicht. Es gibt immer Leute, die mit dem Fussballvirus infiziert sind. Was ich wichtig finde: Die Jungen müssen mehr begleitet werden. Und genau dafür bin ich da. Viele talentierte Spieler hören früh auf. Wenn man diesen gut zuspricht und sie motiviert, so kann viel erreicht werden. Auch ich hatte als Junior viele Flausen im Kopf.
Wie sehen Sie die Chancen, dass der FC Naters Oberwallis eines Tages in der 1. Liga Promotion spielen wird?
Das liegt an uns. Vieles ist auch eine Frage des Selbstvertrauens. Wenn wir eine gute Truppe haben in Naters, dann mache ich sie stark, das garantiere ich. Wie ich schon gesagt habe, es muss eine Einheit her, der Teamspirit ist wichtig. Der Wille kann Berge versetzen. Das habe ich selber erlebt, unter anderem bei meinen Cupsiegen.
Liegt es denn nur am Mentalen, dass es für den FC Naters Oberwallis nicht besser läuft?
Es ist wie ein Puzzle. Alle Teile müssen richtig zusammengesetzt werden.
Sie hatten viele Erfolge. Bedauern Sie auch Entscheidungen, beispielsweise Ihre Funktion als Delegierter des Verwaltungsrates beim FC Basel, wo Sie nach weniger als einem Jahr zurückgetreten sind?
Jede Station hat mich weitergebracht. Wenn etwas dich reizt, so musst du es auch machen. FCB-Präsident Bernhard Burgener hat mir gesagt: «Jean-Paul, ich brauche jemanden wie dich.» Also habe ich es gemacht. Das Angebot kam genau im richtigen Moment. Ich war am Überlegen, ob ich weiterhin für die Fifa in der ganzen Welt herumreisen will, oder ob es nicht langsam Zeit wäre, heimzukehren. Ich erlebte grosse Momente beim FCB.
Vor allem ja eine hervorragende Champions-League-Saison.
Nicht hervorragend, sondern extraordinaire. Kein Schweizer Klub wird in den kommenden Jahren in der Champions League diese Resultate von Raphi erreichen. Wicky wird unterschätzt, er hat ein Wunder vollbracht. Er ist ein hervorragender Coach und ich bin überzeugt davon, dass er seinen Weg als Trainer machen wird. Besonders an diesen Champions-League-Abenden waren auch die Begegnungen mit Fussball-Legenden wie Bobby Charlton aus dem englischen Weltmeisterteam von 1966 oder dem langjährigen ManU-Trainer Alex Ferguson. Ich habe allerdings nach einem Jahr beim FCB auch gespürt, dass es Zeit ist zu gehen.
Apropos Trainer, einer Ihrer alten Weggefährten, Alain Geiger, arbeitet seit dieser Saison sehr erfolgreich in Genf. Servette liegt an der Tabellenspitze der Challenge League. Würde es Sie auch reizen, wieder an der Seitenlinie zu stehen?
Was ich gelernt habe im Leben: Sag niemals nie. Der Fussball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft.
Frank O. Salzgeber
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