Interview | Schauspielerin Barbara Terpoorten
«Ich vergeude meine Lebenszeit nicht mit blöden Menschen»
Schauspielerin und Regisseurin Barbara Terpoorten setzt sich am morgigen Frauenstreiktag für bessere Chancen ihrer Kolleginnen in der Unterhaltungsbranche ein. Vieles laufe schief, sagt die 45-Jährige.
Barbara Terpoorten, morgen streiken die Frauen in der Schweiz am Frauenstreiktag für mehr Gleichstellung, bessere Löhne und so weiter. Werden auch Sie in den Streik treten?
Ja, das werde ich.
Was sind Ihre Gründe dafür?
Ich bin Mitglied der Organisation «Female Act», eine Gruppe von Schauspielerinnen aus der Schweiz. Wir setzen uns dafür ein, den Frauen in der Unterhaltungsbranche eine Stimme zu geben. Es ist nämlich so: Frauen sind auf der Leinwand und so weiter deutlich unterrepräsentiert. In Animationsfilmen zum Beispiel, das hat eine deutsche Studie ergeben, kommt auf neun männliche Figuren eine weibliche. In der Schweiz ist die Situation noch prekärer. Für den morgigen Frauenstreiktag habe ich deshalb einen roten Teppich gekauft, den wir als Zeichen für die Missstände in der Unterhaltungsindustrie vor einem Zürcher Kino ausrollen werden. Ziel ist es, diesen Teppich künftig auch an anderen Events wie beispielsweise den Filmfestivals auszurollen, um auf Themen wie Lohnungleichheit oder Altersdiskriminierung aufmerksam zu machen, die in unserer Branche immer noch nicht geklärt sind.
Ist denn die Diskriminierung von Frauen im Film- und Theaterbereich besonders frappant?
Ich denke schon, denn es gibt viel weniger Rollen für Frauen als für Männer. Das ist das Hauptproblem. Dementsprechend herrscht bei den weiblichen Darstellern ein gewaltiger Verdrängungskampf. Deshalb ist es wichtig, dass wir Schauspielerinnen uns solidarisieren und uns bei unserem Kampf für Chancengleichheit unterstützen. Wir brauchen eine bessere Lobby.
Sie sprechen von Altersdiskriminierung. Wie äussert sich diese?
Man weiss, auch dies aus Untersuchungen, dass ab 35 nur noch eine Frauenrolle auf drei Männerrollen kommt. Das spüre ich am eigenen Leib. Ich muss mich viel mehr um Rollen bemühen, der Kampf ums Einkommen wird immer härter.
Es zählt also nur jung und hübsch?
Plakativ gesprochen kann man dies so ausdrücken. Es handelt sich dabei um eine Form von Sexismus, die auf einer merkwürdig verzerrten Darstellung der Realität beruht.
Wie sieht diese Verzerrung aus?
Es hat sich irgendwie eingebürgert, dass im Film und Fernsehen Frauen im Schnitt zehn Jahre jünger sind als ihre Partner. Das entspricht natürlich in keiner Weise dem echten Leben. Folglich braucht es mehr junge Darstellerinnen. Leider erkennen sich so viele Frauen in den Geschichten aber auch nicht wieder. Wie wahrscheinlich ist es, dass eine 38-Jährige eine 28-jährige Tochter hat? In den Produktionen kommen aber solche Besetzungen immer wieder vor. Das ist absurd. Dieser «Unrealismus» fällt aber auch dem Publikum auf und lässt es etwas ratlos zurück. Dass man Erfolg haben kann, wenn man dieses Muster durchbricht, zeigt der schwedische Film. In Schweden gibt es Gesetze, die vorschreiben, dass die Besetzung der Rollen die Realität abbilden muss, was Alter, Geschlecht und Ethnie betrifft. Diese Produktionen sind äusserst erfolgreich.
Sie sagen, diese Verzerrung der Realität führe auch dazu, dass Frauen als weniger lustig als Männer empfunden werden. Warum das?
Eine Gegenfrage: Wie soll Frau lustig sein, wenn Mann sie in eine unrealistische Rolle presst? Frauen haben genauso viel Humor wie Männer, nur gesteht man ihnen in der Regel nicht zu, diesen auszuleben. Wenn überhaupt dürfen Frauen der «Weisse Clown» sein, also die Rolle des Mahners haben, während der Mann als «Schwarzer Clown» herumblödeln darf. Humor zeichnet sich aber zum grossen Teil dadurch aus, dass eine Natürlichkeit vorherrscht. Da gibt es noch viel Arbeit zu leisten.
Sie haben den Sexismus angesprochen. Viele Ihrer Berufskolleginnen haben in den letzten Jahren weltweit auf eklatante Missstände in der Unterhaltungsindustrie aufmerksam gemacht. Darunter sexuelle Ausbeutung, Erpressung oder Nötigung. Mussten Sie solche Erfahrungen auch machen?
Mit dem Älterwerden nimmt dieses Problem etwas ab. Als ich jünger war, gab es aber durchaus solche Situationen, zum Beispiel dass mir gesagt wurde, dass ich doch die Bluse etwas mehr aufknöpfen soll und so weiter. Weil gerade junge Frauen davon betroffen sind, ist es umso wichtiger, dass die erfahrenen Kolleginnen dieses Problem angehen. Wer jung ist, glaubt viel zu verlieren, wenn er sich wehrt. Was in der Tat auch so sein kann. Deshalb ist hier Solidarität über die Generationen hinweg besonders wichtig.
Sie haben eine Tochter. Würden Sie dieser davon abraten, beruflich in Ihre Fussstapfen zu treten?
Nein würde ich nicht. Ich bin überzeugt, dass man im Leben immer das machen soll, was man gerne tut. Wer das Bedürfnis hat, diesen oder jenen Job zu machen, sollte das tun. Ansonsten wird man depressiv.
Apropos depressiv. Sie befinden sich derzeit in den Proben für ein Stück, in dem Sie ab Herbst mit Sven Furrer auf der Bühne stehen werden. «Man Sieht Rot» heisst das Werk, in dem Sie eine Psychiaterin verkörpern. Erzählen Sie doch etwas darüber.
Es handelt sich um eine Komödie des Schweizer Autors Igor Bauersima. Ich spiele darin die Rolle der Psychiaterin Dr. Frauke Man, die einen Preis für ihre Arbeit erhält. Bei der Preisverleihung soll sie dann ihr Können unter Beweis stellen und auf der Bühne einen Schauspieler (Sven Furrer) therapieren. Allerdings handelt es sich überraschenderweise bei ihm um ihren Ex-Geliebten, von dem sie eigentlich gehofft hat, ihn nie mehr sehen zu müssen. Entsprechende Wirren sind da natürlich vorprogrammiert.
Wie kam es dazu, dass Sie eine Theaterproduktion mit Sven Furrer realisieren?
Ich habe einen Anruf von Kan&Sol bekommen, der Produktionsfirma von Igor und Sven. Sie haben eine Darstellerin für die Rolle der Psychiaterin gesucht und sind zum Schluss gekommen, dass ich das sein muss. Nach dem ersten gemeinsamen Gespräch hatte ich den Eindruck, dass ich helfen kann. So einfach ist das manchmal.
Derzeit laufen die Proben. Wie muss man sich diese Arbeit vorstellen? Blödeln Sie viel herum oder wird nüchtern gearbeitet?
Im Moment ist alles noch ziemlich lustig. Wir arbeiten uns derzeit in das Stück ein, da wird natürlich viel gelacht, und Sven und ich plaudern auch gerne über alte Zeiten und gemeinsame Bekannte. Glücklicherweise führt der Autor des Stücks auch Regie. Er bringt uns immer wieder zurück auf Kurs, wenn wir zu stark abschweifen. Das ist enorm wichtig, denn eine Komödie ist immer eine Fleissarbeit. Man muss viel üben, denn gerade dieses Stück ist von einem hohen Tempo in den Handlungen geprägt. Es ist pures Training, allerdings mit vielen lustigen Momenten.
Liegen Ihnen als Schauspielerin Komödien oder Tragödien grundsätzlich mehr?
Das ist schwer zu sagen, denn jeder guten Komödie liegt ja immer auch eine gewisse Tragik zugrunde. Im Moment sprechen mich Komödien sehr an, ich hätte aber auch nichts gegen ein tragisches Stück einzuwenden.
Einzuwenden haben Sie aber etwas gegen Arbeitskolleginnen und -kollegen, mit denen die Chemie nicht stimmt.
Das ist so. Ich vergeude meine Lebenszeit nicht mit blöden Menschen. Ich ziehe viel Kreativität und Produktivität daraus, wenn die Zusammenarbeit und das Verhältnis mit meinen Arbeitskollegen gut sind. Das war beim «Bestatter» so, dass ist auch jetzt bei Kan&Sol wieder der Fall. Stimmt die Chemie nicht, so ist die Arbeit die Hölle, darauf habe ich keine Lust mehr.
Martin Meul
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Kommentare
Peter Fux, St. Niklaus VS - ↑8↓16
pas male gonflée chère madame!!
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