Frontal | Bitsch
«Ich habe auch schon Morddrohungen erhalten»
Sie ist Jägerin des Jahres und repräsentiert die Jagd an vielen Ausstellungen und Messen. Kerstin Kummer (22) über ihre grosse Leidenschaft, ihre Treffsicherheit, die Verantwortung beim Jagen und anonyme Drohungen.
Sie sind jung, attraktiv und Jägerin. Wie passt das zusammen?
(grinst) Manchmal werde ich schon ziemlich schräg angeschaut, wenn ich in der Jagdbekleidung auftrete. Aber in den letzten Jahren hat es immer mehr Frauen gegeben, die das Jagdpatent erworben haben. Mittlerweile wird das auch von der ganzen Jägerschaft akzeptiert.
Seit einem halben Jahr sind Sie die Botschafterin der Jagd. Was hat sich seither verändert?
Seit meinem Amtsantritt kennen mich viele Leute, weil ich vor allem in den Medien präsent bin. Auch in Jägerkreisen bin ich bekannt und bekomme viele Rückmeldungen, sogar aus Deutschland, Österreich und Ungarn. Ich repräsentiere die Jagd an vielen Ausstellungen. Es ist zwar immer ein grosser zeitlicher Aufwand, aber der Spass geht vor. Ich kann dabei selber entscheiden, welche Projekte ich machen will. Es ist mir wichtig, diese Chance zu nutzen und die Jagd in ein gutes Licht zu rücken.
In den Schweizer Medien werden Sie wie ein Star gefeiert. «Dieser Schuss ist ein Treffer», «Die Blondine mit den Rehaugen» oder «Kummer ist ein heisses Kaliber» titelt die Presse. Schmeicheln Ihnen solche Schlagzeilen oder finden Sie das zu sexistisch?
Über solche Schlagzeilen kann ich nur schmunzeln. Mir geht es in erster Linie ja auch nicht darum, in der Jagdbekleidung gut auszusehen. Ich stehe für die Jagd und jage gerne. Das ist meine grosse Leidenschaft. Auch bei der Wahl zur Jägerin des Jahres stand nicht mein Aussehen im Vordergrund, sondern die Jagd und das Jagen an sich. Und dafür stehe ich.
Im Vorfeld der Wahl zur ersten Jägerin des Jahres haben Sie kräftig die Werbetrommel gerührt. Obwohl Sie eigentlich gar nicht zur Wahl antreten wollten...
Anfangs war ich eher skeptisch, mich zu bewerben. Aber mit der Zeit ist daraus eine gewisse Eigendynamik entstanden, das heisst in meinem engeren Umfeld wurde ich ermuntert, bei der Wahl mitzumachen. Und auf einmal hat mich der Ehrgeiz gepackt. Ich bin stolz, dass ich zur Jägerin des Jahres gewählt wurde und finde das eine super Sache.
Ihre Jagdleidenschaft haben Sie vor knapp einem Jahr entdeckt, als Sie auf der Hochjagd einen Hirschstier geschossen haben. Ein emotionaler Moment?
Wenn ich mich daran erinnere, bin ich immer noch total überwältigt. Als ich den Stier geschossen hatte, brauchte ich einen Moment, um mit der Situation klarzukommen. Dabei gingen mir allerhand Gedanken
durch den Kopf. Einerseits hatte ich eine grosse Freude, aber andererseits war ich ergriffen von der Situation und habe geweint. Ich musste mich erst fassen, weil ich grossen Respekt vor den Tieren habe. Bevor man schiesst, muss man immer genau abwägen, was man tut. Wenn ich beispielsweise eine Gämse im Visier habe, überlege ich zuerst, bevor ich schiesse. Es kommt immer drauf an, ob es sich um ein Jungtier, ein älteres Tier oder ein schwaches Tier handelt. Vor allem auch, weil der Bestand der Gämsen zurück- geht.
«Über sexistische Schlagzeilen kann ich nur schmunzeln»
Wie reagieren Ihre männlichen Jagdkollegen auf solche Überlegungen?
Ich kenne einige Jäger, die sich vor einem Abschuss auch Gedanken darüber machen, was für ein Tier sie im Visier haben. Andere wiederum haben dafür wenig Verständnis. Ich bin aber der Meinung, dass wir als Jäger auch eine Verpflichtung gegenüber dem Wild haben. Darum ist es wichtig, dass wir die Spielregeln einhalten und unser Image nach aussen wahren. Zudem sind die Abschüsse durch das Jagdgesetz geregelt.
Sie schiessen nicht nur die Tiere, sondern legen auch beim Ausweiden selber Hand an…
An diese Aufgabe musste ich mich zuerst herantasten. Als ich noch kein Jagdpatent hatte, habe ich beim Ausweiden der Tiere zugeschaut. Später in der Jungjägerausbildung habe ich dann zum ersten Mal selber Hand angelegt. Das ist sicher eine spezielle Arbeit. Aber ich finde es sehr interessant, weil man an den Organen eines Tieres auch feststellen kann, ob das Tier gesund war oder nicht. Beim Jagen gehört das Ausweiden eines Tieres nun mal dazu.
Kommt hinzu, dass der Abtransport eines Tieres sehr aufwendig ist. Stehen Sie da als Jägerin in der zweiten Reihe oder legen Sie selber auch Hand an?
Ich helfe immer mit, so gut es geht. Aber natürlich muss ich in gewissen Dingen zurückstehen, weil ich als Frau ganz einfach weniger Kraft habe als ein Mann. Nichtsdestotrotz helfe ich mit, wo ich kann. Es braucht immer gegenseitige Hilfe und Unterstützung.
Sie kommen aus einer Jägerfamilie. Ihr Vater und Ihre drei Brüder gehen ebenfalls auf die Jagd. Da hatten Sie wohl kaum eine andere Wahl, als mitzugehen?
Mein Vater und meine Brüder waren erstaunt, als ich die Jagdprüfung absolviert habe. Ich war zwar schon immer sehr naturverbunden, habe mich aber nie als Jägerin gesehen. Nach und nach habe ich aber angefangen, mich dafür zu interessieren. Vor allem auch darum, weil ich meine Brüder beim Lernen zur Jagdprüfung immer abgefragt habe. Weil ich oft auf die Jagd mitgegangen bin, konnte ich viele Eindrücke sammeln. Daraus entstand diese Leidenschaft.
«Als Jäger haben wir auch eine Verpflichtung gegenüber dem Wild»
Hat Sie Ihre Familie dabei unterstützt?
Mein zweitältester Bruder war eher skeptisch und sagte: «Dasch sicher ener äso ä Flöjisa und de hersch de sowieso wieder üf.» Mein Vater hingegen hatte Freude, dass ich die Ausbildung in Angriff nahm. Heute ist es selbstverständlich, dass ich dieses Hobby ausführe.
Sind Sie treffsicherer als Ihr Vater und Ihre Brüder?
Wir haben alle eine sichere Hand. Mein Bruder hat erst kürzlich beim Jagdschiessen in Oberwald brilliert und gewonnen. Grundsätzlich ist es wichtig, dass alle Jäger gut schiessen. Einerseits geht es um die Treffsicherheit beim Wild und andererseits geht es auch darum, dass keine Jagdunfälle passieren.
Was fasziniert Sie an der Jagd?
Das kann man fast nicht in Worte fassen. Wenn man sich morgens in aller Frühe auf den Weg macht und es riecht frisch nach Wald, die Vögel pfeifen, man sieht schemenhaft ein Tier durchhuschen, dann ist das ein unvergleichliches Erlebnis. Man kann die Umgebung mit allen Sinnen geniessen und die Natur auf sich wirken lassen. Die Suche nach den Tieren und das Erlegen des Wilds gehören natürlich auch dazu. Und abends in der Hütte kann man die ganzen Erlebnisse aufleben lassen und das Beisammensein geniessen. Das schätze ich ungemein. Während der Jagd käme es mir auch nie in den Sinn, zu Hause zu schlafen. Zur Jagd gehören für mich Hüttenromantik und die Gesellschaft.
Die Jagd hat in der Schweiz nicht den besten Ruf, weil viele das Jagen mit Morden und Abschlachten verbinden. Was haben Sie dem entgegenzusetzen?
Ich versuche, den Leuten zu erklären, dass die Jagd und das Jagen seit Urzeiten zum Menschen gehören. Das ist tief in unserem Instinkt verankert. Schon seit jeher hat der Mensch gejagt, um zu überleben. Heute dient die Jagd vor allem dazu, den Tierbestand zu regulieren. Zudem ist die Jagd ein Duell zwischen Mensch und Tier. Ein Schwein im Schlachthof hingegen hat keine Chance, sich gegen den Tod zu wehren.
Sie haben auch anonyme Telefonate und sogar Morddrohungen erhalten. Wie gehen Sie damit um?
Damit muss ich leben. Anfangs hatte ich schon meine liebe Mühe damit. Aber inzwischen kann ich mich von solchen Sachen distanzieren und kann auch mal darüber schmunzeln. Viele Briefe bekomme ich auch gar nicht zu Gesicht, weil sie meine Eltern vorher abfangen. Anonyme Anrufe hingegen habe ich schon entgegengenommen. Einmal hat mich eine Frau angerufen, die mich aufs Übelste beschimpfte. Nach längerem Hin und Her konnten wir zumindest in
einem normalen Tonfall miteinander reden.
«Ich ertappe mich oft bei einem guten Gedanken im Wald»
«Ihr glaubt, der Jäger sei ein Sünder, weil selten er zur Kirche geht. Im grünen Rock ein Blick zum Himmel, ist besser als ein falsch Gebet», ist auf Ihrer Facebook-Seite zu lesen. Beten Sie demnach lieber in der freien Natur als in der Kirche?
(lacht) Ich bin keine fleissige Kirchgängerin. Im Wald hingegen ertappe ich mich oft bei einem guten Gedanken. Da kann ich auch über die Natur staunen und alles auf mich wirken lassen. Das ist für mich sehr hilfreich.
Sie sind noch rund ein halbes Jahr als Botschafterin der Jagd im Amt. Was für Aufgaben stehen noch an?
Ich werde auch im nächsten halben Jahr an Messen oder Ausstellungen aktiv sein und die Jagd repräsentieren. Ich möchte auch noch unbedingt während meiner Amtszeit ein Projekt mit einer Schule in der Natur realisieren. Aber das ist noch nicht ausgereift. Aber ich möchte den Kindern und Jugendlichen die Schönheiten der Natur näherbringen.
In zwei Wochen beginnt die Hochjagd. Sind Sie schon kribbelig?
Natürlich. Wenn ich jetzt in den Wald gehe, dann spüre ich schon ein Kribbeln. Die Vorfreude ist riesig, und ich kann es kaum erwarten, bis es endlich losgeht. Ich bin stolz, wenn ich ein Tier schiessen kann. Aber es geht nicht immer nur um den Abschuss. Es sind die Augenblicke und die Erlebnisse, die zählen.
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