Interview | Hugo Cina, Brandschutzinspektor
«Ich bin nie vor einem Feuer zurückgewichen»
Nach 27 Jahren im Dienst des kantonalen Amts für Feuerwesen geht Regionalinspektor Hugo Cina Ende Jahr in Pension. Ein Gespräch über Entwicklungen im Brandschutz, Respekt vor Feuer und warum die Pensionierung eine Erleichterung ist.
Hugo Cina, seit fast dreissig Jahren sind Sie im Kampf gegen Brände und Feuer unterwegs. Sind sie fasziniert vom Feuer?
Fasziniert bin ich nicht, ich habe vielmehr Respekt vor dem Feuer. Auch Angst ist ein schlechter Ratgeber in Sachen Feuer. Mich hat und interessiert immer noch, wie Feuer entsteht und wie man es bekämpfen kann.
Ganz grob, wie bekämpft man Feuer?
Ein Feuer braucht Sauerstoff, Brennstoff und Zündenergie. Nimmt man einen dieser Faktoren aus dem Spiel, so erlischt das Feuer, beziehungsweise es kommt gar nicht erst zu einem Brand. So weit die Theorie. In der Praxis kommt aber auch noch ein anderer Faktor hinzu.
Der da wäre?
Intuition beziehungsweise Erfahrung. Ich erinnere mich an einen Brand, bei dem ich als Regionalinspektor zufällig vor Ort war. Intuitiv erkannte ich, dass es für die Feuerwehrleute in dem Gebäude besser wäre, sich zurückzuziehen. Als der Brand gelöscht war, haben wir festgestellt, dass das Atemschutzteam nur einen Schritt weiter ins Gebäude hätte vordringen müssen, um durch die Decke in den Keller zu brechen.
Das könnte man auch Glück nennen.
Es ist klar, selbst wenn man sich jahrzehntelang mit Feuer befasst, sind Fehleinschätzungen möglich. Aber durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Feuer sinkt die Wahrscheinlichkeit, einen Fehler zu machen. Für mich war daher immer wichtig, mir ein Bild vor Ort zu machen und immer alles zu versuchen. Und ich kann sagen: Ich bin nie vor einem Feuer zurückgewichen.
Nicht ein einziges Mal?
Zurückgewichen nicht, nein. Allerdings habe ich mich einmal machtlos gefühlt. Das war beim Waldbrand von Leuk 2003. Ich war damals als Kommandant der Salgescher Feuerwehr vor Ort, und als dann immer mehr Meldungen von den Teams kamen, dass sie sich zurückziehen müssen, hat sich anfänglich eine gewisse Ohnmacht ausgebreitet.
War dies das schlimmste Erlebnis in Ihrer Karriere?
Das schlimmste würde ich nicht sagen. Es war sicher das grösste Feuer, das ich je gesehen habe. Schlimmer im Sinne von belastender waren aber die Momente, in denen Menschen im Feuer umgekommen sind, oder wenn wir als Feuerwehr zu Unfällen ausrücken mussten.
Springen wir ein paar Jahre zurück. Wie kam es eigentlich, dass Sie sich für die Bekämpfung von Bränden zu interessieren begannen?
Das geht auf ein Erlebnis Anfang der 1960er-Jahre zurück. Damals wohnten wir mitten in Salgesch und in unmittelbarer Nähe geriet eine Reihe Stadel in Brand. In dieser Nacht herrschte starker Föhn und das ganze Dorf stand mit Eimern und Schläuchen bereit, um etwaige durch den Wind verursachte neue Brandherde zu bekämpfen. Gleichzeitig war mein Vater als Feuerwehrmann direkt an der Bekämpfung des Brandes beteiligt. Dieses Erlebnis hat mich glaube ich geprägt.
Vor 27 Jahren begannen Sie dann Ihre Tätigkeit beim Kantonalen Amt für Feuerwesen. Wie sahen die Aufgaben damals aus?
Damals war ich Koordinator der Ausbildung der Feuerwehrleute im Oberwallis, zuständig für die Subventionierung der Einsatzmittel für die Feuerwehren und für Brandschutzfragen im Oberwallis. Mit der Zeit häuften sich die Aufgaben aber immer mehr an, sodass das Amt 2011 die Aufgaben aufteilte und ich mich voll auf den Brandschutz im Oberwallis konzentrieren konnte.
Welche hauptsächlichen Aufgaben hat ein Brandschutzinspektor?
Zum grossen Teil besteht die Arbeit darin, Baugesuche auf den Brandschutz hin zu überprüfen. Dabei arbeiten wir eng mit den Sicherheitsbeauftragten auf kommunaler Ebene zusammen. Dazu beraten wir die Planer und Fachleute und erarbeiten Weisungen bezüglich des Brandschutzes in Gebäuden.
Welches sind die grossen Entwicklungen in Sachen Brandschutz in den letzten Jahrzehnten?
Der Brandschutz ist sicherlich viel professioneller geworden, woran die Sicherheitsverantwortlichen auf Gemeindeebene einen grossen Anteil haben. Früher wusste man zwar um die Vorschriften, kümmerte sich jedoch nur stiefmütterlich darum. Ein Beispiel dafür sind die Brandschutzabstände der Gebäude. Diese werden heute konsequent eingehalten, mit der Folge, dass heutzutage Dorfbrände gar nicht mehr möglich sind. Daneben hat man natürlich auch immer wieder aus Unglücken gelernt, zum Beispiel, dass Treppenhäuser einem Feuer 60 Minuten lang widerstehen müssen, oder dass in grösseren Gebäuden die Fluchtwege markiert und notbeleuchtet sein müssen.
Die Entwicklung neuer Baumaterialien kam Ihnen sicher auch entgegen.
Eher das Gegenteil war der Fall. Früher kannte man hauptsächlich Holz und Mauerwerk als Baumaterial. Dann kamen neue Materialien zum Beispiel im Bereich der Isolationen dazu. Diese waren jedoch zum Teil leicht brennbar oder entwickelten bei Bränden viel Rauch, was zu einigen Unglücken führte. Inzwischen hat man darauf aber reagiert, sodass heute die meisten Materialien auf ihre Brandschutzeigenschaften hin klassifiziert werden. Diese Klassifizierungen fliessen dann in unsere Beurteilungen des Brandschutzes bei Gebäuden mit ein.
Wie würden Sie die Brandschutzsituation im Oberwallis im Allgemeinen beurteilen?
Obwohl wir viele Holzhäuser haben, ist die Situation im nationalen und internationalen Vergleich sicher gut. Das zeigt sich auch in den Statistiken zu den Brandtoten. Hier liegt das Wallis, Gott sei Dank, klar unter dem europäischen Schnitt.
Warum müssen Brandschutzvorschriften überhaupt kontrolliert werden? Schliesslich sollte doch jeder ein grosses Interesse daran haben, dass sein Gebäude gegen Brände geschützt ist.
Zunächst einmal mag ich den Ausdruck Kontrolleur gar nicht. Ich sehe mich eher als Beurteiler und Berater. Es ist so, dass Brandschutz ein komplexes System aus verschiedenen Massnahmen ist. Es gibt nicht immer nur einen Weg, der zum Ziel führt. Manche Knackpunkte sind durch gleichwertige andere Massnahmen zu kompensieren, deshalb braucht es Experten wie mich. Dann ist Brandschutz auch eine Frage des Geldes und viele Planer von Gebäuden stehen unter einem grossen Druck, die Kosten niedrig zu halten. Für mich geht es bei meiner Arbeit darum, hier die geeigneten Massnahmen zu ergreifen, dass einerseits die Sicherheit der Menschen in einem Gebäude gewährleistet ist, und andererseits die Massnahmen im Sinne der Effizienz vertretbar sind.
Aber Sie kontrollieren schon auch und greifen teilweise auch durch.
In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass wir Massnahmen anordnen oder den Weiterbetrieb eines Gebäudes von der Umsetzung von Brandschutzmassnahmen abhängig machen. Das sind aber wie gesagt Ausnahmen. In der Regel kann man viel über Gespräche und Information erreichen. In all den Jahren musste ich nur einmal ein Gebäude unter Polizeischutz betreten.
Ende Jahr endet nun Ihre Tätigkeit für das Amt für Feuerwesen. Wie fühlen Sie sich mit Blick auf die baldige Pensionierung?
Es wird sicher eine Erleichterung sein. Als Brandschutzinspektor trägt man eine grosse Verantwortung. Man macht sich immer ein bisschen Sorgen, dass man bei einem Gebäude etwas übersehen haben könnte, was schlussendlich einen Menschen das Leben kostet. Ich habe immer gesagt: «Brandschutzexperten stehen mit einem Fuss im Gefängnis.» Denn wenn es zu einem Unglück kommt und wir die Probleme nicht erkannt haben, wir dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Diesen Druck werde ich sicher nicht vermissen.
Haben Sie Wünsche für die Entwicklungen im Feuerwesen?
Was ich mir wünsche ist, dass auch die kleinen Feuerwehren im Wallis weiter unterstützt werden. Ich halte es nicht für zielführend, nur noch auf einige wenige grosse Feuerwehren zu setzen. Ich denke, dass die Topografie in unserem Kanton und auch die Witterungsverhältnisse es nicht zulassen, dass wir die Feuerwehren noch weiter konzentrieren.
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